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[ox-de] keimform.de: Sieben Thesen zum Commonismus



http://www.keimform.de/2008/11/08/sieben-thesen-zum-commonismus/

Sieben Thesen zum Commonismus

Von StefanMz

[Vorgetragen bei der Veranstaltung »Kooperation statt Wettbewerb, 
Gemeinwohl statt Profit« <http://www.elevate.at/commons_panel1.html> @ 
Elevate-Festival <http://www.elevate.at/>]

English Version 
<http://www.keimform.de/seven-hypotheses-about-commonism>

1. Die Welt wird commonistisch sein oder sie wird nicht sein.

Der Kapitalismus ist in einer tiefen Krise, manche sprechen bereits von 
der finalen Krise. Stünde nur der Kapitalismus auf dem Spiel, wäre das 
zu verschmerzen. Aber wir sind der Kapitalismus, wir reproduzieren uns, 
indem wir uns in ihm reproduzieren, indem wir den Kapitalismus 
produzieren. Geht der Kapitalismus unter, gehen wir unter. Der 
Commonismus ist also kein bloßer Wunsch, keine schlechte Utopie, 
sondern schlicht eine historische, eine menschliche Notwendigkeit.

2. Wer den Commonismus will, muss den Kapitalismus verstehen

Der Kapitalismus produziert Menschen, die ihn produzieren. Diese 
Dialektik darf nicht nach einer Seite aufgelöst werden. Weder ist die 
„Gier“ der Bänker Schuld an der globalen Finanzkrise, noch sind wir dem 
System total unterworfen. Es gilt, den inneren, selbstreproduktiven 
Kern – den „Kernel“ des Betriebssystems – zu verstehen, damit wir uns 
dazu verhalten können. Er besteht darin, dass nur der überlebt, der es 
versteht, aus Totem mehr Totes – Geld – zu machen durch Vernutzung von 
Lebendigem.

3. Ohne Kapitalismus ist alles nichts, aber nicht alles ist Kapitalismus

Es ist keinesfalls so, dass der Kapitalismus alle unsere 
Lebensbedingungen herstellt. Er ist sogar noch nicht einmal 
mehrheitlich daran beteiligt. Nach Schätzungen von Carola Möller werden 
zwei Drittel aller notwendigen Tätigkeiten und Dinge, die wir für die 
Produktion unseres gesellschaftlichen Lebens benötigen, nicht in der 
Form von Waren, also nicht kapitalistisch hergestellt. Der von der 
„Wirtschaft“ abgespaltene Bereich ist der überwiegende, und er wird 
überwiegend von Frauen gemacht. Es ist die „unsichtbare“ Grundlage, die 
andere Seite der kapitalistischen Verwertungslogik.

4. Kein Commonismus ohne Commoning

Eine zentrale Einsicht beim Verstehen des Commonismus ist seine Bindung 
an das praktische Tun, an das Kümmern, an das lebendige Herstellen der 
Lebensbedingungen. Im Kapitalismus bekommt praktisches Tun hingegen die 
entfremdete Form von „Arbeit“, einer Energieverausgabung zur 
Transformation von Lebendigem in Totes. Deswegen ist Massimo De Angelis 
zuzustimmen, wenn er schreibt: „Die ‚Absage an die Arbeit‘ als 
Zurückweisung der Maßstäbe des Kapitals und Commoning als Bejahung 
anderer Maßstäbe sind zwei Seiten des gleichen Kampfes“.

5. Der Commonismus kommt nicht aus dem Nichts

Der Commonismus existiert im Kapitalismus. Allerdings ist er noch ganz 
eingezwängt in die Jacke der Wertform: Er muss „sich rechnen“ oder sich 
mindestens „finanzieren lassen“. Der Commonismus wird nur Keimform 
einer neuen Gesellschaft, wenn es ihm gelingt, sich auf seiner eigenen 
Grundlage zu produzieren. Jenseits von Geld, Markt und Staat.

6. Freie Software – Commonismus in Keimform

Ein prominentes Beispiel – weswegen ich auch eingeladen wurde – ist die 
Freie Software. Freie Software hat die Warenform verlassen und ist 
damit in der Lage, neue soziale und produktive Beziehungen zu 
konstituieren. Freie Software lebt im Kapitalismus und ist gleichzeitig 
Keimform einer neuen Art und Weise der Vergesellschaftung.

7. Die Rede vom Commonismus darf nicht schrecken

Der „Kommunismus“ ist ein verbranntes Wort. Das soll uns nicht abhalten, 
vom Commonismus zu sprechen. Denn ob wir es wollen oder nicht: Man wird 
uns den „Kommunismus“ vorhalten. Wir können aber selbstbewusst sagen: 
Nein, das war kein Commonismus, das war die staats-diktatorische Form 
des Kapitalismus. Wenn der Kapitalismus den „Kommunismus“ anklagt, 
klagt er nur sich selbst an.

Commonismus ist Gesellschaftlichkeit, die auf Individualität basiert, 
ist die Herstellung unseres gesellschaftlichen Lebens jenseits 
markt-vermittelter Beziehungen. Es ist einfach das Leben.

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