Message 12831 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT12830 Message: 2/6 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox-de] Oekonux Kritik auf http://marx101.blogspot.com/



Franz Nahrada schrieb:
Folgendes fand ich im Weblog einer Seite von der man 30 Jahre lang
verleichsweise wenig gehört hat, der Konstanzer Wertformanalyse. Obs auch
wirklich von dort ist weiß ich allerdings nicht. Interessant zu lesen ist
es jedenfalls.  Der Autor greift die Unterscheidung zwischen einfach und
doppelt freier Software zunächst *an*, um sie im nächsten Schritt selber
positiv *auf*zugreifen. Dabei zeigt er tatsächlich ein paar theoretische
Leerstellen auf.

(Die unsägliche Formatierung im Weblog http://marx101.blogspot.com/ mit
den reinvermantschten Fussnoten macht das Lesen des Aufsatzes allerdings
nicht gerade leicht, aber hier sind mal zentrale Zitate:)


"Bislang galt: Freie Software wird ausschließlich in „Nischen“
kapitalistischer Vergesellschaftung geschaffen (Uni, private
Selbstausbeutung), die ohne die kapitalistische Lohnarbeit nicht
existieren würden. Zu Beginn der Entstehung von Freier Software war dies
tatsächlich so. Inzwischen gibt es jedoch eine Reihe von sog. Global
Players (IBM, Sun Microsystems, Intel, etc.) welche EntwicklerInnen
hauptberuflich für die Produktion Freier Software beschäftigen. Neben den
bereits erwähnten Vorteilen bedeutet es für diese Firmen auch, dass wenn
sie sich an der Entwicklung eines selbständigen freien Softwareprojekts
beteiligen, sie einen Fuß in der Tür dieses Projekts haben und sowohl die
Entwicklungsrichtung mitbestimmen als auch von der Arbeit der Community
profitieren können. Die Beteiligung großer Software-Konzerne an Freier
Software hat einen vergleichbaren strategischen Stellenwert wie die
Mitarbeit derselben Konzerne in Standardisierungsgremien." (13)


"Gerade in ihren entwickeltesten Bereichen werden die Potenziale immer
wieder durch Produktionsverhältnisse begrenzt, die teilweise
anachronistisch wirken. Im Bereich der Informationstechnologien scheint
selbst das Kapital zu der Einsicht zu gelangen, dass neue Formen der
dezentral vernetzten Zusammenarbeit wie sie durch Informationstechnologien
ermöglicht werden, profitabler sind als traditionelle Formen entfremdeter
Arbeit unter den Prämissen des Ausschlusses und der Arbeitsteilung, selbst
wenn damit Teilautonomie und Selbstorganisation Einzug in die
Arbeitsorganisation halten. Die Modelle zur Arbeitsorganisation in
Softwareprojekten wie bspw. SCRUM, Extreme Programming oder Agile
Softwareentwicklung füllen die Seiten der Managementliteratur zumindest
für den Sektor der Informationswirtschaft und lösen hinsichtlich ihres
Hypes ältere toyotistische Managementmodelle, die zuerst in der
Automobilproduktion Verwendung fanden, wie Lean Production,
Just-in-time-Produktion, etc. ab bzw. entwickeln sie weiter. " (14)

"Ist das Entwicklungsmodell Freier Software nur ein Hobby innerhalb einer
gesellschaftlichen Nische und somit Teil der kapitalistischen
Produktionsweise, so wie Tätigkeiten innerhalb der Familie oder
ehrenamtliche Freiwilligenarbeit? Oder ist es schon eine Keimform für
etwas neues innerhalb des Alten? Oder sehen wir am Ende gar nur eine
erneuerte, d.h. renovierte Variante des Kapitalismus damit aufziehen? Wie
lässt sich die folgende Feststellung erklären? „Im Gegensatz zu allen
früheren Beispielen konnte sich freie Software aber nicht nur eine Nische
sichern, sonder wächst im Gegenteil immer weiter und wird nach und nach zu
einer ernsten Bedrohung für die proprietäre Software“ (Meretz/Merten 2005:
298). Bringt Freie Software eine Voraussetzung für einen Verein
unmittelbarer Produzenten? Entspricht Peer-Ökonomie bzw. Commonismus dem
Kommunismus bzw. der kommunistischen Produktionsweise wie Marx sie
entwarf?"

"Teile dieser periodisierenden Abfolge von fünf qualitativen
Entwicklungschritten erinnern entfernt an das gramscianische
Hegemoniekonzept, mit dem Machtgewinnungs- und -ausübungsformen zwischen
Staaten, Gruppen von Staaten und Gruppen innerhalb von Staaten (z.B.
zwischen herrschenden und subalternen Klassen) analysiert werden, ohne
jedoch die Flexibilität des Hegemoniebegriffs zu erreichen oder die
Menschen und ihre Handlungsfähigkeit im gleichen Ausmaß in den Mittelpunkt
zu stellen. Immerhin kann mit der Keimformthese aber ein dialektisches
Nebeneinander unterschiedlicher und widersprüchlicher Produktionsweisen
innerhalb einer Gesellschaft beschrieben werden und somit das Problem
vermieden werden, das Kurz wie folgt beschreibt: Die angebliche Blindheit
des Marxismus für die „Frage des Übergangs, der praktischen
Transformationsbewegung, des berühmten ‚Herankommens‘ an eine
nicht-wertförmige Reproduktion“ (Kurz 1997).

Während Kurz es in seinem Artikel von 1997 noch nicht gelingt, zu
entwickeln, wie die „Mikroelektronik als universelle Rationalisierungs-
und Kommunikationstechnologie“ (ebda.) die Transformation zu einer neuen
Gesellschaft befördern kann, meinen Meretz und Merten beinahe ein
Jahrzehnt später in dem Entwicklungsmodell für Freie Software eine
gesellschaftliche Form gefunden zu haben, die die kapitalistische
Produktionsweise in Frage stellt, sich in ihr zur Reife entwickelt und
darüberhinaus das Potenzial besitzt, das Zeitalter einer kommunistischen
Produktionsweise einzuläuten. Mit Hintergrundwissen aus der Informatik,
Erfahrungen aus der Praxis der Freien Softwareentwicklung und einem Schuss
utopischen Voluntarismus gelingt es ihnen, die bei Kurz noch vorhandene
Lücke zu schließen und mit einem konkreten Fallbeispiel einer Keimform auf
dem letzten Stand der Produktivkraftentwickung im hochtechnologischen
Kapitalismus zu argumentieren. " (20(21)

"Fazit Die These der nicht Warenförmigkeit Freier Software und die These
der Keimform einer nichtkapitalistischen Produktionsweise, lässt sich bei
näherem Hinschauen nur mit diversen Kunstgriffen aufrecht erhalten. Die
mannigfaltigen, von den Vertretern dieser These erkannten
Erscheinungsformen der Verwertbarkeit von Freier Software im Rahmen der
kapitalistischen Produktionsweise werden von ihnen oft als
Ausnahmeerscheinungen abgetan. So werden die meisten (GPL-artigen) Open
Source Varianten von vorneherein aus der These ausgeklammert und selbst
bei der Freien Software, bei der alle Voraussetzungen wie freie
Verfügbarkeit, freie Quellen, freie Änderbarkeit und freie Verteilbarkeit
erfüllt sind, müssen sie noch unterscheiden zwischen „einfach freier
Software“ (Software, die unter Lohnarbeitsverhältnissen entwickelt wird)
und „doppelt freier Software“ (die in der Freizeit und unter Bedingungen
freier Selbstentfaltung zustande kommt) um die These aufrecht zu erhalten.
Nicht abgestritten aber vernachlässigt wird die Unsitte der
Doppellizensierung, also der bemerkenswerten Ausbeutung der
unentgeltlichen Arbeit der Open Source Community durch die
Privatwirtschaft und deren Verwertungsinteressen. Das emanzipatorische
Potenzial des Ideals der Freien Softwareentwicklung soll hier nicht in
Frage gestellt werden sondern kritisch die vielfältigen Wege aufgezeigt
werden, wie Freie Software immer besser in die kapitalistische
Produktionsweise integriert wird und keine reale Gefahr für das System des
Kapitalismus mehr darstellt. Man könnte auch, um im Bild der Keimformthese
(Mertez/Merten 2005: 303ff.) zu bleiben, sagen, dass wenn die Keimform
theoretisch zwei Richtungen einschlagen kann, so liegt die „Integration in
das Alte“ sprich in die kapitalistische Produktionsweise immer näher und
unterstreicht die These von Marx, dass für den Kapitalismus „sämtliche
gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren“ geradezu
eine Existenzbedingung ist (MEW 4: 465). Dass es noch möglich ist, den Weg
aus der Restauration des Alten herauszugehen, soll dabei jedoch nicht
ausgeschlossen werden." (24)


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de

imho kann man auf die Kreativität und ManPower der Community nicht verzichten. Auch organisatorisch ist es für die Großen einfacher. Was mich erstaunt, dass relativ Wenige diese Vorteile erkannt haben und nutzen.

p&l, Helmuth

--
life    jazz    sound     opensource    aurobindo

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT12830 Message: 2/6 L1 [In index]
Message 12831 [Homepage] [Navigation]