Re: [ox-de] Ökonux und Politix
- From: Hans-Gert Gräbe <hgg hg-graebe.de>
- Date: Tue, 11 May 2010 15:20:05 +0200
Hallo Ludger,
Ludger.Eversmann t-online.de schrieb:
ich verstehe Deine Position überhaupt nicht, Du sagst Du bist
Marxist, siehst Dich aber auch in der Nähe dieses Potsdamer
Manifestes, und hast zwischen all dem Sympathien für den
unternehmerischen Mittelstand... wenn ich das mal so lapidar hier
zusammenfassen darf.
Dann liege ich wohl quer zu all deinen Schubladen. Aber "alle
naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als
Geschöpfe der bisherigen Menschen zu behandeln" bedeutet für mich auch,
sich den Grundlagen der *eigenen* Theorie kritisch zu nähern und dabei
insbesondere traditionsmarxistische Mantras als solche zu benennen.
Gerade in der ökonomischen Theorie gibt es davon genug.
Und wenn ein von einer renommierten Institution herausgegebenes und von
bekannten Leuten unterzeichnetes Manifest in gewissen Diskurskreisen
nicht beachtet oder gebasht wird, dann muss das nicht unbedingt gegen
das Manifest sprechen. Auch wenn dir ein Autoritätsbeweis offensichtlich
genügt
Die Kritik, die ich hier verlinkt hatte http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/science/potsdam-manifest-kritik.html stammt von Autoren, die marxistischen Gedanken eher nahe als fern stehen, zu den Autoren der Internet-Zeitschrift EXIT gehört auch Robert Kurz, ...
Ich schätze Kurz als Analytiker - insbesondere in seiner sehr stringentn
Identifizierung des Realsozialismus als etatistisch-kapitalistisches
Entwicklungsmodell -, allerdings hat er für den derzeit laufenden
Transformationsprozess jenseits der Vision eines "dunklen Zeitalters"
nicht viel zu bieten. Immerhin bezieht sich einer seiner Texte ("Vom
Unwert des Unwissens") auf die Gedankengebäude, die auch hier entwickelt
wurden - http://www.keimform.de/2007/07/26/krisis-31-erschienen
Ich finde die Argumentation ja ganz schlüssig, allerdings kommt den
marxistisch argumentierenden Krisentheoretikern dieser
Entwicklungsstrang auf der technischen Ebene einfach nicht in den
Blick:
In der Tat. Deshalb wären ja vielleicht auch die Kondratjew-Wellen doch
interessant, wir hatten das Thema gerade in einem Seminar bei uns, siehe
http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2010-05-03
der nämlich mit zunehmender Steigerung der Arbeitsproduktivität,
zunehmend gesättigten Märkten und daher tendenziell fallender
"Profitrate" eben zu einer Individualisierung der Produktionsprozesse
zwingt, insgesamt eben ein Prozess, an dessen Ende ganz andere
Produktionsmittel auftauchen,
Die "tendenziell fallende Profitrate" ist eine ähnlich umstrittene
Setzung wie die Kondratjew-Wellen. Nach meinem Verständnis (und dafür
gebe ich in meinem Aufsatz dann auch eine semantische Deutung) ist sie
Teil eines Kondratjewzyklus für die neuen Technologien. Es ist also so
ähnlich wie mit dem ewig fallenden Ton in der E-Musik - man schiebt
immer mal wieder unbemerkt einen anderen Ton ein (der in dem Fall eine
Oktave höher ist).
Produktionsmittel, die zur Erzeugung von Tauschwert einfach
vollkommen untauglich sind, das ist diesen Maschinen einfach
eingebaut, sie können nur direkten Gebrauchswert produzieren, und
sonst nichts.
Doch, sie können noch mehr - sie können kaputt gehen, es kann sein, dass
sie gewartet werden müssen, gebaut müssen sie mglw. auch werden, wobei
auch noch Vorprodukte eingesetzt werden. Wieso sie "zur Erzeugung von
Tauschwert einfach vollkommen untauglich sind", kann ich also in keiner
Weise nachvollziehen. Allerdings verschieben sich Gewichte vom
operativen zum investiven Geschäft, also von v zu m. Das ist aber in
keiner Weise zwingend das Ende der Wertkategorie.
Deine Freude hat damit zu tun, dass du dich an den Ergebnissen des
letzten Kondratjew-Zyklus berauschst, der in der Tat eine
Trivialisierung (gewisser Seiten der Produktion) mit sich gebracht hat.
Aber die Herausforderungen des neuen Kondratjew-Zyklus (Aufwertung der
Bedeutung der Reproduktion der Infrastruktur) sind bereits andere. Die
aktuelle Finanzkrise ist (auch) eine Krise der dafür erforderlichen
Kommunikationsformen (denn Geld *ist* bekanntlich Kommunikation).
Und irgendwann wird es wohl dazu kommen, dass das Beitragen von
"mehrwertschöpfender" Arbeit in Form von Ideen, Geistesblitzen, neuen
Erfindungen, Erkenntnissen, Möglichkeiten wichtiger und alltäglicher
sein wird als der Warentausch, also das Produzieren auf Verdacht, auf
Lager, anonym, für anonyme Abnehmer, ...
... was ja mittelständische Unternehmen selten tun, die werden erst
aktiv, wenn der Auftrag akquiriert ist. Wobei das Ausführen des Auftrags
möglicherweise dann wieder "trivial" ist. Aber nur diese "realisierten
Konzepte" spülen das Geld in die Kasse, und dort stellt sich dann
heruas, ob der lokale ökonomische Kalkül aufgeht
Viele Grüße,
Hans-Gert
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