[ox-de-raw] Re: [ox-de] [ot:wak] Laptop für 3.-Welt-Kinder
- From: Jac <sortesindet marsmail.de>
- Date: Thu, 14 Sep 2006 15:57:07 +0200
Am Samstag, 9. September 2006 19:26 schrieb Christoph Reuss:
Das Problem ist viel eher das des politischen Kontexts, in dem die
Computer für die Armen wirken sollen. Die OLPC-Aktiven betonen, dass
sie nicht glauben, ihr Gerät sei ein Wundermittel gegen Armut (16).
Aber was, wenn es ein Wundermittel für Armut wäre? Wenn die Cleverles,
die seinen Charakter als Produktionsmittel besser erkennen als die
anderen, es nur zum Aufbau von Unternehmen benutzen, die ihre
Landsleute genau so hart ausbeuten wie die gut eingeführten Zulieferer
von Konzernen aus dem Norden?
Sollte der junge Erwachsene, der sich mit Hilfe eines
100-Dollar-Laptops seine Universität selbst zusammengesucht hat,
vielleicht beim organisierten Verbrechen, bei Warlords, oder bei
Diktatoren anheuern?
Aber dass das Elend der Dritten Welt dadurch auch
nur gelindert wird, wenn die politischen Rahmenbedingungen und das
Weltwirtschaftssystem so bleiben, wie sie sind, braucht niemand zu
hoffen.
Das ist des Pudels Kern: Keine Technologie und kein/e Fetisch/-Abschaffung
kann die Verhältnisse grundlegend ändern, solange die Pred-Macht nicht
überwunden ist. Ist doch immerwieder interessant, dass zu diesem Schluss
auch Autoren kommen, die noch nie was von P/P gehört haben.
Wie immer greift hier die Abschaffung der Pred-Macht oder anderer Symptome
viel zu kurz, wenn die Wurzel nicht erreicht und verändert wird: die durch
Herrschaft strukturierten Persönlichkeiten, für welche Macht, Gier nach
Vermögen und Macht, eigener Wichtigkeit und Bedeutung und beständigem
Neuen Mittel sind, der seit der frühen Kindheit gefürchteten Ohnmacht,
Hilflosigkeit und Schwäche sowie der inneren Leere (infolge Ablehnung der
eigenen Lebendigkeit) zu entrinnen.
Selbst Christoph kann allgemeine menschliche Eigenschaften wie die Gier
z.B. nicht restlos mit einer Klasse abschaffen. Da hofft sich lediglich der
naive, idealistische Illusionist Chris zu tarnen, daß ja keiner merkt, wie
Prods in seinen Augen idealisiert und zu Supermenschen stilisiert werden,
die von einer allgemeinen menschlichen Eigenschaft wie der Gier überhaupt
nicht betroffen sind - und niemals gegen ihr Wertesystem handeln, welches
Gier angeblich in den idealistischen Illusionen von Chris völlig ausschließt.
Der Gier ist kein Kraut gewachsen. Selbst Indianer sind für mich alles andere
als Supermenschen, wie es mir von unterschiedlicher Seite vorgeworfen
wurde, keine Extra-Menschen ohne menschliche Schwächen und Fehler wie
z.B. die Gier. Die heute im gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang zerstörten,
in Teilbereichen noch existenten und in den Untergrund gedrängten indianischen
Gesellschaften Nordamerikas in und vor den 500 Jahren Kolonisation richteten
ihr Paradigma sowie soziale Erfindungen wie das *Give-it-away* gegen die
menschliche Eigenschaft der Gier, die auch in indianischen Gesellschaften
immer mal wieder negativ in Erscheinung trat - besonders in den späteren
Zwischenbereichen zur weißen europäischen Kolonialgesellschaft. Give-it-away-
Feste finden heute in allen indianischen Nationen und Communities statt, bei
welchen die eingeladenen Weißen besonders dadurch auffallen, daß sie
Schwierigkeiten haben, die mitunter umfangreichen Geld- und Sachgeschenke
von Fremden nicht annehmen zu können, durch die ein gleiches Vermögen aller
hergestellt werden soll.
Aufgrund des Paradigma, in einem persönlichen Vermögen ein Potential zur
Hilfe weniger erfolgreicher Mitmenschen zu erkennen und eben keinen Ausweis
eigener Bedeutung, Größe und Wichtigkeit, der durch Geiz zu schützen sei,
konnte sich eine europäische Pred-Macht - ausgezeichnet durch offene Gier -
weder formieren noch etablieren. Auch das gesellschaftliche Paradigma der
Aufrichtigkeit, durch welches "Lügner" zu einem Schimpfwort und zu der
schwersten Beleidigung wurde, die man einem Indianer an den Kopf werfen
kann, wirkt einer europäischen Pred-Klasse entgegen. Gegenteilige Behauptungen
von Chris und Rudolf zeigen nur, wie stark Europäer oder europäische
Amerikaner dazu neigen, daß eigene kulturelle Paradigma auf andere
Zivilisationen zu übertragen. Dem macht sich auch der von Christoph zitierte
Autor schuldig, indem ein europäisches kulturelles Paradigma für seine
"Cleverles" vorausgesetzt wird.
Jacob