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[ox-de-raw] Re: [ox-de] Re: Nochmal: gesellschaftliche Natur



Hallo Stefan und Hans-Gert!

Das ist ja ein herzlicher Ton, der sich hier wieder breitmacht!

Ich finde die Auseinandersetzung zwischen Euch aber trotzdem
interessant.  Noch interessanter fänd ich aber auch die
Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene. (Und da habe ich
ganz und gar nicht den Eindruck, daß HGG sie zu vermeiden
versucht, so wie Stefan das wahrzunehmen scheint:

Stefan Meretz (2006-09-19 00:35 [PHONE NUMBER REMOVED]):
Hallo Hans-Gert,

nö, ich lass mich von dir nicht auf diese Ebene ziehen. ...

Ich habe dir nichts an den Kopf geworfen, sondern inhaltlich
argumentiert - lies die vorausgegangene Mails. Wenn du nicht
inhaltlich antworten willst, dann kann ich es auch nicht ändern.

Mein subjektiver Eindruck ist, daß in Deiner, Stefan, "sachlichen"
Art durchaus eine Bissigkeit zum Ausdruck kommt, die sachliche
Auseinandersetzung be- und verhindert, was dann auch leicht als
Vermeidungstaktik interpretiert werden kann.

Der körperliche Mensch _ist_ ein gesellschaftlicher Mensch.
Aber wie ich anderenorts
(http://www.opentheory.org/ko-kurrenz/text.phtml#2.1.2) lesen
musste, bist du gar nicht dieser Meinung.

Wie bitte? Was liest du da raus?

Du meinst wohl "wo". Aus diesem Satz der o.g. Referenz: "Das
Individuum ist daher nicht das gesellschaftliche Wesen, sondern
nie etwas anderes als die Einzelinstanz einer Gemeinschaft."

Mir scheint wichtig, in diesem Satz die Unterschiedlichkeit zweier
Lesarten zu beachten: ``Das Individuum ist ... NICHT DAS
gesellschaftliche WESEN'' sagt etwas anderes als ``Das Individuum
IST KEIN gesellschaftliches Wesen''.

Mit anderen Worten (lese ich aus dem zitierten Satz heraus):
``Obwohl das Individuum ein gesellschaftliches Wesen ist, ist
nicht das Individuum das Wesen der Gesellschaft.''

(Mir gefällt zwar hier die Formulierung nicht, aber die Aussage
halte ich für durchaus bedenkenswerter als offenbar Stefan.)

Dann sag das doch gleich. Damit fällst du aber noch hinter Jac
zurück, der das nur für die erste Lebenszeit so sieht.

....

... weil der Übergang in Richtung einer FG - wie ich ihn
derzeit verstehe - eine (tiefenpsychologisch angelegte)
Psychotherapie für einen ausreichenden Anteil von *Akteuren
in dieser* Gesellschaft einschließt. Was ja auch nicht anders
sein kann, denn "diese Gesellschaft macht krank" (W. Reich).

Zunächst zum Zitat: Metaphorisch genommen wird dir niemand
widersprechen, ernsthaft genommen ist so eine Aussage leer.
Diese Gesellschaft "macht" gar nichts. Sie stellt für uns alle
Handlungsbedingung dar, zu der wir uns verhalten - jede und
jeder Einzelne. Was da raus kommt, ist nicht vorgegeben.
Manche werden krank, andere nicht.

Du scheinst mit diesem Gedanken so gar nichts anfangen zu
können.

Und du scheinst kein Interesse zu haben, inhaltlich zu
schreiben.

Die Aussage, die Gesellschaft mache gar nichts, halte ich für sehr
einseitig.  Daß sie aus handelnden Individuen besteht ändert an
der Sache nichts, höchstens an der Perspektive.  Ebenso gut könnte
man nämlich auch den Spruch vom Tisch wischen ``Stetes Wasser
höhlt den Stein'' -- denn 'das Wasser' 'macht' gar nichts.  Oder
gar behaupten: der Mensch bewegt sich gar nicht, höchstens die
Moleküle, aus denen er zusammengesetzt ist, bewegten sich.

Wenn für Dich das Wesen des Individuums ein gesellschaftliches
ist, dann verstehe ich nicht, warum das Individuum etwas machen
kann, die Gesellschaft aber nicht.  Ist das Machen-Können etwa
kein wesentlicher Zug des Menschen?

Ich verstehe zwar die Vorbehalte, die zu der Protestaussage, die
Gesellschaft mache gar nichts, führen, glaub ich (-- Vorbehalte
gegen die Entsubjektivierung / Objektivierung gesellschaftlicher
Erscheinungen und Vorgänge, letztlich gegen die Fetischisierung
``der Gesellschaft'' als so einer Art unpersönlichen allmächtigen
Großen Bruders oder gar Gottes), aber philosophisch scheint mir
diese Aussage nicht haltbar zu sein, zumindest solange nicht, wie
der Begriff der Gesellschaft in Deinen Überlegungen einen nicht
unwesentlichen Platz einnimmt.

Obwohl du sicher derjenige hier auf der Liste bist, der
psychologische Aspekte am intensivsten studiert hat.  Deine
Quelle ist Holzkamp und ich verstehe bis heute nicht dessen
Verhältnis zur Psychoanalyse. D.h., ich verstehe eigentlich
immer besser, dass es sich um ein Nicht-Verhältnis -
insbesondere zu der mit dem Namen Wilhelm Reich verbundenen
Fortschreibung in marxistischer Tradition - gehandelt haben
muss,

Das ist ein anderes Thema. Möchtest du das Verhältnis von
Holzkamp zur Psychoanalyse diskutieren?

Diese Ansätze, erstmal die Leute (und sich selbst) zu
therapieren, hatten wir doch schon 68ff, in allen
Inkarnationen. Oh nee, bitte nicht noch mal.

Ist das ein Argument pro tabula rasa? Wie wäre es, auch *diese*
Dinge erst einmal aufzuarbeiten und zu *analysieren*, welche
Keime da

Na bitte, dann tu das. Ich sagte nur deutlich aus, dass ich
daran kein Interesse habe und dass ich die Idee einer
"kollektiven Selbsttherapie" für verfehlt halte, weil sie im
Kern eine Psychologisierung gesellschaftlicher Phänomene
bedeutet. 

Hier bin ich zumindest gespannt, ob das wirklich so ist. Besser
gesagt, ob Hans-Gert das wirklich so meint.  Oder ob er einfach
einen (auch für mich) etwas abschreckenden Ausdruck gewählt hat,
-- das wäre dann aber einfach nur `Insider-Vokabular', wo ich
nicht einfach aus dem Wort, dessen Bedeutung mir von der Out-Side
her verbrähmt ist, _den Begriff_ ableiten kann, der hier und von
ihm mit desselben Wortes Hilfe benannt werden soll.

Etwa "je meine Selbstentfaltung" - weil du dabei die
Entfaltungen getrennt denkst.

Gerade nicht - wie kommst du darauf? Das "je" zeigt das
verallgemeinerte "ich" an.

Annette und du hatten die kategoriale Ebene ja dankenswerter
Weise noch mal deutlich auseinandergepuzzelt. Es ist das
konkret-allgemeine "ich", die "ich-Schablone", aus der "je ich"
und "je meine Selbstentfaltung" in Analogie zur
Objektinstanziierung entspringen.  Wie schwierig Interaktionen
zwischen Objekten - besonders zwischen Instanzen derselben
Klasse - zu programmieren sind, brauche ich einem Informatiker
sicher nicht zu erläutern. Wieso meinst du, dass derartige
intersubjektive Interaktionen in deinen Überlegungen zu "je
meine Selbstentfaltung" mit den Instanzen quasi automatisch
mitgedacht sind?

Eine Psychologisierung halte ich genauso inadäquat wie eine
informatische Analogiebildung. Trotzdem der Versuch einer
Antwort: Das konkret-allgemeine "ich" _ist_ das "je ich". Weil
ich vermute, dass diese kurze Antwort - obwohl vollständig -
nicht ausreicht, dazu ein paar Erläuterungen.

Also für mich bleibt die Frage auch nach Deinen Erläuterungen
offen:  denn die Erläuterungen führen diese konkreten Beziehungen
nicht begrifflich aus, sondern behaupten nur deren Anwesenheit und
grundlegende Bedeutung.  Damit sind sie aber für mich noch nicht
ausreichend ``mitgedacht''.  Euren Streit um das Seminar in
Hütten, den Du leider ablehnst, finde ich in diesem Zusammenhang
wirklich interessant, weil das, was Du hier wieder (fast) nur
schablonenhaft abstrakt geschrieben hast, daran plastisch (in seiner
Konkretion vorstellbar, greifbar) wird. 

...

Zu Hütten:

Nö, dazu sag ich nix mehr. Sich unterschiedliche Wahrnehmungen 
vorzuhalten, bringt gar nichts. Nimm es doch einfach mal hin.

Das versteh ich jetzt gar nicht: worin besteht denn
Gesell(schaftl)igkeit sonst, wenn nicht in der gegenseitigen
Mit-Teilung?! (-- zum Beispiel von notwendigerweise
unterschiedlichen Wahrnehmungen; und in welcher Form auch immer?)

Grüße,
El Casi.



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