DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER

Die hier archivierte Mail kann, muss sich aber nicht auf den Themenkomplex von Oekonux beziehen.

Insbesondere kann nicht geschlossen werden, dass die hier geäußerten Inhalte etwas mit dem Projekt Oekonux oder irgendeiner TeilnehmerIn zu tun haben.

DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER

Message 00486 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT00486 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[chox] crash, bo boom, but bang



Teil 3: Crash, no Boom, but Bang


Die Krise der kapitalistischen Produktionsweise

 

Eigentlich sind sich alle bewusst, dass man, wenn man von Krise redet, auch
immer irgendwie Recht bekommt. Zu sagen, es gäbe eine endgültige, alles
verändernde Krise, wäre aber Blasphemie, denn "wie solle es auch anders gehen?" -
das alte Leid der Linken.

Die Gegenfrage wäre jedoch "wie soll jetzt die kapitalistische Produktion
und Reproduktion weitergehen?", - und wir sagen, es geht nicht weiter. Es gibt
kein sich selbst auf ewig reproduzierendes Etwas, ein Perpetuum mobile, so
wie es Kapital in seiner inneren Logik für sich beansprucht. Seltsamerweise
glauben aber alle an diesen geheimnisvollen, immerwährenden Gott, oder wollen
zumindest seine ewige Existenz, die es zum Gott macht, nicht anzweifeln. Es sei
denn, man halluziniert sich einen noch viel mächtigeren Gott, eine
revolutionäre Bewegung zum Beispiel, die das Kapitalverhältnis selbst beenden könne.
Aber ein Ende des Kapitals aus sich selbst heraus ist für viele undenkbar.

Wir schätzen die heutige Situation nicht als eine normale, zyklische,
kapitalistische Krise ein, bei der eine stagnierende Kapitalakkumulation zu spät
durch neue, erweiterte Industriesektoren kompensiert wird ("historische
Lücken"1). Auch die Möglichkeit für das Kapital, Gebiete neu zu erschließen und so
weiße Flecken auf der Landkarte abzudecken, gibt es nicht mehr. Sondern wir
sprechen heute von einer Krise, die den Kapitalismus strukturell, in seinem
Inneren verändert und zusammenbrechen lassen wird. Diese bahnte sich zunächst
als Krise in den Entwicklungsländern an, dann als Zusammenbruch des
staatskapitalistischen Systems der ehemaligen Ostblockstaaten, wonach das
kapitalistische Patriarchat des Westens nicht als Gewinner, sondern als letzter Auswuchs
der einzigen und totalen Warenproduzierenden Gesellschaft übrig blieb.
Mittlerweile spüren auch alle führenden Industrieländer, dass die Krise der
kapitalistischen Produktion sich nicht mehr in die Kanalisation stopfen lässt und aus
allen Gullys heraus stinkt.

Denn selbst in diesen führenden Industrieländern ist es keine Neuigkeit und
noch viel weniger eine Seltenheit, dass New Economy Buden und größere
Unternehmen Konkurs anmelden oder aufgekauft werden. Wir finden dadurch nicht nur
eine überall ständig wachsende Arbeitslosenzahl vor, sondern es verwehrt sich
auch der Zugriff auf ehemalig zur Verfügung stehende Ressourcen - Felder
liegen brach und daneben verrecken die Menschen. Die Gruppe Krisis Nürnberg und
auch wir erklären diese Phänomene mit einander bedingenden Veränderungen:

Das Produktivitätsniveau, oder auch der wissenschaftliche Stand der
Produktivkräfte, auf dem sich die miteinander konkurrierenden Einzelkapitale
befinden, ist für viele zu hoch und zu teuer, um etwas Neues anzufangen. Früher kamen
neue Produkte auf den Markt und fanden ihren Absatz, und parallel dazu
entstanden neue Möglichkeiten, den Arbeitsablauf zu rationalisieren. Ein Beispiel
wäre die Automobilproduktion am Band in fordistischer Zeit. An diesen Autos
mussten Menschen noch massenweise hämmern und feilen, es konnten also Unmengen
an menschlicher Arbeitskraft eingesaugt werden. Die Autos wurden billiger
als vorher und massenkompatibel produziert. Produktionsprozesse wurden
einfacher, schneller und weiteten sich auf die ganze Welt aus. So zum Beispiel das
Internet und die Möglichkeiten, dadurch Arbeitsplätze einzusparen.

Jetzt wendet sich aber das Blatt und diese eigentlich sehr praktischen
Möglichkeiten mit der ganzen Welt ziemlich schnell zu kommunizieren, kommen dem
Verkauf von bisherigen Produkten in die Quere. Der Buchladen um die Ecke kann
sich zwar im Internet präsentieren und man muss aus Berlin nicht nach Leipzig
kommen, um zu sehen, welche Bücher vorrätig sind. Aber wenn massenhaft
online-bookshops den Markt erobern, bei denen Arbeitszeit und Produktionsmittel
gespart werden, wird der kleine Laden um die Ecke auf kurz oder lang Pleite
gehen. Der Ladenbesitzer kann seine Bücher nicht mehr verkaufen, die mehr
Produktionskosten brauchen als im Internet bestellte Bücher. Die Vorauskosten für
eine Internet-Bude sind im Vergleich zum Buchgeschäft minimal, Buchhaltung und
Versand laufen elektronisch reibungslos, rund um die Uhr mit geringstem Lohn
und wenigen Krankheitsfällen ab. Dabei geht es nicht um die Schaffung neuer
Arbeitsplätze oder neuer Produkte, sondern es werden Produkte geschaffen, die
bestehende zerstören, rationalisieren. Es gibt also keine Produktinnovationen
mehr, die massenweise Arbeitskraft einsaugen könnten, sondern es werden
Prozessinnovationen geschaffen, die die Möglichkeit, Arbeitszeit einzusaugen,
abschaffen. Wir wollen hier keine moralische Frage aufwerfen, ob es verwerflich
sei, Arbeitsplätze und damit Existenzen zu vernichten, sondern die Realität
beschreiben. Das ist nicht nur ein Beispiel, dahinter steht ein
gesellschaftsmächtiges Prinzip: massenhaft Arbeitszeit einzusparen, um Produktionskosten
einzuholen, Profite und Surplus-Profite zu sichern. Davon abgesehen macht die
bezahlte Arbeitszeit, die es noch gibt, die Menschen, die sie verrichten
müssen, physisch und psychisch fertig - jene sind dann aber auch noch dankbar für
die Möglichkeit, eine Aufgabe zu haben und sich fertig machen zu dürfen.

Dieser Stand der Produktivkräfte wurde durch die Anwendung
wissenschaftlicher Erkenntnisse Ende der achtziger Jahre, also zur Zeit der 3. industriellen
Revolution, nach oben gedroschen. Es gibt heute keine sachliche Art von
Produkt mehr, wie das Auto, das im früheren fordistischen Maße menschliche
Arbeitskraft einsaugen kann. Das heißt, zumindest die Herstellung, wenn nicht sogar
das Produkt selbst, ist, bzw. läuft über Mikroelektronik und nicht über die
Vernutzung menschlicher Arbeitszeit. Mikroelektronische Produkte selbst können
mit minimalem Aufwand menschlicher Arbeitszeit hergestellt werden. Für alles
was wissenschaftlich neu entwickelt wird, wird also gleichzeitig so wenig wie
möglich menschliche Arbeitszeit eingeplant. Aber allein diese ist Wert
schaffend. Nur Menschen können Geld in eine Produktion stecken, Waren herstellen
und Profit erwirtschaften, nicht Maschinen. Das Wertverhältnis ist also ein
soziales, kein dingliches. Es scheint nur, als könnten Maschinen Wert schaffen,
aber mikroelektronische Elemente beschleunigen und verbessern die Produktion
oder das Produkt, je nach Höhe des Produktivitätsniveaus. Maschinen stellen
einen Teil des Werts dar, können ihn aber selbst nicht schaffen. Sie fließen
als konstantes Kapital c in den Wert ein. Menschen nutzen diese, wie auch die
Vorteile des Internets, und leiden gleichzeitig darunter, wenn sie ihre
Arbeitskraft nicht mehr verkaufen können. Durch schnellere Kommunikation werden
bspw. Post- und Telekom-Angestellte rausgeschmissen, mit der Weiterleitung von
E-Mails hat kein Mensch mehr als Vermittler etwas zu tun.

Die ungeheure Entwicklung der Produktivkraft Wissenschaft bringt das bisher
halbwegs ausgewogene Verhältnis zwischen neuen Produkten einerseits und neuen
Möglichkeiten zu produzieren andererseits ins Wanken. Denn heute heißt
"Produktivität" nicht mehr, neue Produktionsfelder zu erschließen. Es wird Zeugs
erfunden, welches nicht mehr in einen neuen Produktionszyklus geworfen werden
kann. Also Produkte, die den technischen Möglichkeiten entsprechen, aber ganz
schwer in Warenform gebracht, und nicht mehr verkauft werden können wie
bspw. CDs. Man versucht, diese Produkte gewaltsam in die Form einer Ware zu
pressen, und richtet in allen neu hergestellten CDs Kopierschutz ein, weil man
weiß, dass jeder Rechner mittlerweile mit CD-Brenner (und geringem zusätzlichen
Kostenaufwand) gekauft werden kann. Damit schwächt sich ein Produktionszyklus
ab, er verläuft tendenziell nur noch in eine Richtung. CD-Rohlinge werden
produziert, verkauft, und schneiden von Musikfirmen produzierten CDs den
Verkauf ab. Filesharing Programme sind nur ein Beispiel für aus der
kapitalistischen Produktionskrise entstandene globale Schwarzmärkte.

Die Produktionsverhältnisse können sich nicht mehr der
Produktivkraftentwicklung anpassen. Die Möglichkeiten zu produzieren laufen dem, was produziert
werden soll, davon. Prozessinnovationen sind nur in der Wertgesellschaft
produzierbar, schneiden aber dieser und damit sich selbst die Substanz (menschliche
Arbeit) ab. Da es egal ist, was produziert wird, also ob mit Lebensmitteln
oder Bomben gehandelt wird, kommt es letztlich nur auf den Verwertungsprozess
an. Ich will mein Zeug verkaufen2, den Profit in einen neuen
Produktionszyklus stecken, und Geld plus mehr Geld (G´), also Profit, erwirtschaften. Dazu
muss ich auch Angestellte rauswerfen, wenn es billigere Möglichkeiten zu
produzieren gibt. Es kann also alles Mögliche an neuen Waren erfunden werden, was
aber nichts an dem Zwang ändert, Arbeitszeit einzusparen. Zudem stellt sich
die Frage, wie die verrücktesten Ideen und Erfindungen noch finanziert werden
sollen und wo sich potentielle Käufer befinden, wenn doch immer weniger
menschliche Arbeitskraft eingesaugt werden kann.

Unsere Kritiker stellen sich in solchen Fällen gern einen 3 Weltkrieg vor,
der die Weltwirtschaft 20, 30 oder 50 Jahre in der Zeit zurückbomben könnte.
Man kann das Wissen in den Köpfen der Menschen nicht auslöschen und man würde
nach einem Krieg so schnell wie möglich versuchen, wieder mit
mikroelektronischer Hilfe zu produzieren. Es ist überhaupt eine illusorische Vorstellung,
dass nach einem solchen Krieg noch irgendetwas gehen könnte. Dabei handelt es
sich weder um einen nationalstaatlichen noch um einen so genannten
Systemkonflikt3. In dem einen Warenproduzierenden System wird versucht, die auf der
Strecke gebliebenen Länder und Auswüchse, Personen und Gruppen mit der gleichen
Gewalt ruhig zu stellen, die nötig war, um Menschen zuzurichten und in der
Durchsetzung des Kapitalverhältnisses diesem kapitalistischen Prinzip zu
unterwerfen.

Das Prinzip zu rationalisieren ist weltweit gültig. Rosa Luxemburg würde
wohl in der heutigen Situation meinen: es gibt keine weißen Flecken auf der
Landkarte mehr, die vom Kapital "gefunden" oder erschlossen werden müssten. Es
gibt zwar Gebiete wie die Sahelzone, wo keiner hin will bzw. keiner was
produzieren kann. Aber diese Gebiete bleiben hell und da ist auch kein reinkommen
mehr. Randgebiete wie Afrika oder China sind graue Zonen. In all diesen
Gebieten, ob hell oder grau, müssen sich die Menschen an die kapitalistischen
Spielregeln halten, sie sind also formell an das Kapitalverhältnis gebunden, obwohl
es substantiell dafür gar keine Grundlage mehr da ist. Das prekäre ist, wir
sprechen hier über Gebiete, in denen Menschen leben müssen. Haltet euch das
vor Augen, wenn wir sagen, für Kapitalinteressen sind diese Gebiete egal. Und
trotzdem müssen sich alle dem Diktat der Wertform beugen, ihre Reproduktion
danach organisieren und absichern. Es gibt alternative Projekte in
Randgebieten, wie die Landarbeiterbewegung in Brasilien oder NGO-ähnliche Projekte in
Indien oder Afrika, die Menschen eine Überlebensperspektive außerhalb des
Marktes geben wollen. So oder ähnlich könnten Keime einer Aufhebungsbewegung
aussehen. Solche Formen selbst organisierten Lebens sind aus der schmerzlichen
Einsicht geboren, dass Menschen in diesen Ländern ihre Arbeitskraft kaum mehr
verkaufen können, ebenso wenig wie die Menschen in anderen Ländern, die sie bis
vor kurzem noch verkaufen konnten. Genau das sehen Rassisten nicht ein, die
meinen, "da unten" wären faule Menschen, die mit dem Stock zur Arbeit
geprügelt werden müssten. Wie sich solche Ideologien in Krisenzeiten verschärfen
können, ist Thema eines anderen Vortrages.

Für potentielle Firmenneugründer sind die beschriebenen Hürden von
Konkurrenz- und Produktionsbedingungen zu hoch und zu teuer. Kredite, die für
Schuldentilgung oder Firmenneugründung genommen wurden, müssen mitsamt ihren Zinsen
abgezahlt werden. Wer dann auf dem hohen Produktivitätsniveau nicht mehr
produzieren möchte, investiert heutzutage lieber "auf dem glatten Eis der
Spekulationen"4, d.h. in Finanzdienstleistungen. Denn diese tragen keine Produktions-
und Reproduktionskosten mit sich, und sind damit sicherer und billiger. Also
müssen sich die "Vorauskosten rentabler Realproduktion" nicht nur verteuern,
sondern "auch noch hinsichtlich ihrer Gewinnträchtigkeit mit den Erträgen
von bloßen Finanzanlagen konkurrieren"5. Diese so genannte "rentable
Realproduktion"6 gehört der Geschichte an, da die meisten Unternehmen durch Kredite und
nicht durch Eigenkapital aufgebaut sind. Ihre Produktion ist durch das
Wegbleiben menschlicher Arbeitskraft gesamtwirtschaftlich gesehen nicht Mehrwert
schaffend, nicht produktiv. Durch die 3. industrielle Revolution erwürgt sich
somit der Kapitalverwertungsprozess selbst. Doch stellt sich nicht nur die
Kreditaufnahme als Problem dar, jetzt wird auch die Rückzahlung selbst zum
Problem.

Wird Geld verliehen und damit tatsächlich eine Produktion angeleiert, in der
Waren von Menschenhand hergestellt werden, ist nach kapitalistischen
Verwertungskriterien alles in Ordnung. Diese Waren müssen sich natürlich verkaufen,
also ihre Entstehungskosten plus einen Profit wieder einholen. Sie werden auf
einem Markt angeboten, auf dem andere Hersteller sie nachfragen. Im Verkauf
der produzierten Waren wird Mehrwert wieder zu sich zurückgezogen
(realisiert). Die Produktion erweitert sich und der Kredit kann durch reale
Mehrwertschöpfung abgezahlt werden. Das ist jedoch heute nicht mehr der Fall. Kredit ist
ja vorgeschossenes Kapital, das nach einer bestimmten Zeit plus seinen Zins
zurückgezahlt werden soll. Es scheint, als würde sich das Geld aus sich selbst
heraus vermehren, es kommt ja am Ende mehr bei raus. Hinter dem Prozess Geld
- mehr Geld (G-G´) muss aber eine reale Produktion stehen7, der Kredit muss
letztendlich mitsamt Zins nur durch real geschöpften Mehrwert zurückgezahlt
werden können. In so einem Fall können Kredite schlechte wirtschaftliche
Zeiten tatsächlich überbrücken. Im entgegen gesetzten Fall haben wir es mit
fiktivem Kapital zu tun. Aktien oder fremd finanzierte Unternehmen (durch Kredite)
sind dann real nichts wert. Unproduktive Unternehmen oder auch Staaten
verschulden sich immer mehr und hoffen dabei auf zukünftige reale
Mehrwertproduktion. Diese ist aber, wie ich in Punkt 2 beschrieben habe, kaum noch möglich.
Diese Unternehme brechen in einer Krise zusammen, und melden Insolvenz an. Der
ursprüngliche Kredit wird mit anderen Krediten oder gar nicht zurückgezahlt
und das ganze Kartenhaus bricht zusammen.

Betrachten wir nun die Summe aller Einzelkapitale, also die Ebene des
Gesamtkapitals, so stellen wir fest, dass die absolute Wertmasse sinkt. Noch einmal
zur Erinnerung: Mehrwert kann nur durch absolut produktive, menschliche
Arbeitskraft geschaffen werden. Die Möglichkeiten, produktiv vernutzte abstrakte
Arbeit global zu verwerten sind aber geschwunden. Die Wertproduktion saugt
immer weniger menschliche Arbeitskraft ein und der Gesamtmehrwert sinkt. Nur
produktive Arbeit stellt Waren her, deren Wert wieder in den
Verwertungskreislauf eingehen kann, deshalb ist sie, namentlich, produktiv. Ohne produktive
Arbeit kann sich die kapitalistische Produktion nicht durch sich selbst
wiederholen. Unproduktiv ist, was gesamtgesellschaftlich nicht in den
Reproduktionskreislauf wieder eingehen kann. Das bedeutet, dass auch Dinge produziert werden
können, die nicht Wert enthaltend sind. Daher ist die Unterscheidung
zwischen produktiv und unproduktiv für die Beschreibung der krisenhaften Realität so
wichtig. Es kann nicht ewig weiter produziert werden, wenn der Anteil der
unproduktiven Arbeit weiter steigt. Man kann nicht Partei für das Gesamtkapital
ergreifen und die produktive Arbeit verteidigen, gegen die eigenen
Interessen als Einzelkapital. Solange produktive Arbeitszeit das Maß des
gesellschaftlichen Reichtums ist8, verarmen und verelenden nach der 3. industriellen
Revolution immer mehr Menschen.

Fazit: Geld9, Ware, Wert und Arbeit, die grundlegenden Kategorien der
Verwertung, waren schon immer in sich widersprüchlich, wie Holger das schon
dargestellt hat. Diese sind in Bezug auf die absolute Wertmasse immer verbunden mit
dieser. Sinkt diese, geraten auch genau diese grundlegenden Kategorien in
eine Krise. Man schuldet einen ganzen Staat um, wie in Japan schon geschehen,
und verlagert das Problem, statt es zu lösen. Ein gesamtgesellschaftliches
Umschichten ist aber aus folgenden Gründen nicht mehr möglich: Regional kann nix
mehr erobert, versklavt oder demokratisiert werden. Wie bereits erläutert,
gibt es keine luxemburgischen "weißen" Flecken mehr auf der Landkarte.
Zusätzlich hängt sich auch noch die Produktion selbst an den Baum, denn alle
Innovationen, ob Produkte oder Prozesse, sind gefälligst zu rationalisieren. Wie soll
da noch in nennenswerter Quantität Gesamtmehrwert geschaffen werden?

(Einschub Teil 4: Verwilderung des Patriarchats und die Krise der
kapitalistischen Reproduktion)

Wir wollen einen Perspektivenwechsel, weg von den bisherigen Vorstellungen
einer Linken von Gesellschaftsveränderung. Wir wollen weder Reform, das sollte
nach dieser Veranstaltung klar sein, noch eine Revolution, mit der immer
versucht wurde, ein bestehendes politisches System durch ein anderes zu
ersetzen. Ökonomie soll nicht verändert, sondern abgeschafft werden, nachdem sie sich
selbst für unzulässig erklärt hat, und "durch ihre eigenen Kriterien
unrentabel"10 wird. Wir gehen also davon aus, dass der Kapitalismus von allein
zusammenbricht. Danach folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine barbarische
Gesellschaft. Diese rückt mit jedem neuen kapitalistischen Tag näher, Menschen
verkümmern physisch und psychisch immer mehr. Wir lehnen jedoch die bisher
gebotenen Mittel, eine Barbarei zu verhindern, wie ein Kampf zwischen Klassen oder
den aktuellen Golfkrieg ab. Wir wollen diskutieren, wie wir im Prozess des
Zusammenbruchs etwas, metaphorisch gesprochen ähnlich einem Rettungsschiff, in
die Wege leiten können; wie Menschen ihr Überleben selbst organisieren könnten
in Zeiten, in denen es keine Verpflegung oder Krankenversorgung mehr gibt;
wie also das Überleben von Menschen jenseits kapitalistischer Produktion zu
sichern wäre. Damit ist viel gewonnen, Menschen können ein direktes, nicht über
Fetischverhältnisse vermittelte Zusammenleben selbst organisieren und bisher
ontologisierte Verhaltens- und Denkweisen fallen lassen. Am heutigen,
subjekthaft geprägten Denken kann man nicht ableiten, dass Menschen immer so sein
und denken werden. Der Kommunismus fällt für uns nicht vom Himmel, sondern er
kann nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus entstehen, wenn sich viele
Menschen bewusst sind, dass es so nicht weiter geht und dass ein anderes Leben her
muss.


Lilian


--------------------------------------------------------------------------------

Fußnoten

<1> Eine zyklische Krise entsteht, weil sie auf vorhandene, erschöpfte
Produktionszweige beschränkt ist, dabei entstehen "historische Lücken", also
Zeiträume zwischen dem notwendig-werden einer erweiterten Kapitalakkumulation und
dem tatsächlichen ins-Leben-treten und reif-werden dieser Ausdehnung für die
Massenproduktion - R. Kurz "Die Himmelfahrt des Geldes". back

<2> Und nur weil ich mein Zeug verkaufen will, ist es nicht wirklich ganz
egal, was produziert wird. Wenn Leute keine Computer, sondern Lampen kaufen
wollen, habe ich als PC-Hersteller ein Problem. back

<3> den es im wörtlichen Sinne nie gab. back

<4> Martin D. back

<5> Kurz: Himmelfahrt des Geldes. back

<6> Ebd. back

<7> Realkapital oder fungierendes Kapital. back

<8> auf gesamtkapitalistischer Ebene. back

<9> als Preise. back

<10> Robert Kurz. back


-- 
NEU FÜR ALLE - GMX MediaCenter - für Fotos, Musik, Dateien...
Fotoalbum, File Sharing, MMS, Multimedia-Gruß, GMX FotoService

Jetzt kostenlos anmelden unter http://www.gmx.net

+++ GMX - die erste Adresse für Mail, Message, More! +++

_______________________
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: choxT00486 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
Message 00486 [Homepage] [Navigation]