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[chox] verwilderung des patriarchats



Teil 4: Verwilderung des Patriarchats

 

Wie Lilly erläuterte, brechen die inneren Widersprüche des
Warenproduzierenden Systems in der finalen Krise hervor. Die historische Unhaltbarkeit des
Kapitals erweist sich insbesondere an der Verwilderung des Patriarchats. Ich
versuchte anfangs aufzuzeigen, dass die abgespaltene Sphäre des Werts
konstitutiv für den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang und werde nun darstellen,
dass der an seiner inneren Schranke scheiternde Prozess der Selbstverwertung des
Werts mit einer „Verwilderung des Patriarchats“ einher geht. Da
Wert- und Abspaltung sich gegenseitig hervorgebracht haben und miteinander
dialektisch vermittelt sind, kann eine Krise der Wertsphäre nicht abgelöst von
einer Krise der abgespaltenen Sphäre analysiert werden (und umgekehrt).

Die Verwilderung des traditionellen hierarchischen Geschlechterverhältnisses
lässt sich beispielhaft an einigen globalen Entwicklungen beschreiben. So
beschreibt Irmgard Schultz in ihrem 1994 erschienenen Buch „Der erregende
Mythos vom Geld“, dass Frauen zunehmend in den Markt integriert
werden, ohne jedoch eine eigene Chance zur Existenzsicherung zu bekommen.

Damit findet eine grundlegende Veränderung des hierarchischen
Geschlechterverhältnisses statt. Die starre Trennung zwischen öffentlich-männlicher und
privat-weiblicher Sphäre wird in der finalen Krise des Kapitals scheinbar
aufgebrochen. Dass sich heute Frauen im Arbeitsleben behaupten und damit
vermännlichen müssen, macht eine Anpassung der Kritik an Wert und Abspaltung notwendig.
Ausgehend von meinem ersten Referat, indem ich die Idealform des
Warenproduzierenden Patriarchats erläuterte, will ich nun die Verwilderung des
Patriarchats darstellen.

Frauen sind heute gezwungen, Formen der Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das
nicht etwa europäische Karrierefrauen, sondern viel mehr asiatische
Kinderprostituierte das Gros der global beschäftigten Frauen ausmachen, dürfte an dieser
Stelle unumstritten sein. Der vor allem in der kapitalistischen Peripherie
immer weiter auseinander klaffende Gegensatz zwischen rapide fallenden Löhnen
und stetig steigenden Lebenshaltungskosten trifft nicht zuletzt Frauen am
härtesten. In der so genannten „Dritten Welt“ findet eine Auflösung
der traditionellen großfamiliären Zusammenhänge statt, die Frauen gehen
entweder als Heiratsmigrantinnen in die Städte oder versuchen sich im Ausland bei
reichen Familien als Haushaltshilfe zu verdingen, um mit ihrem Lohn die
daheim gebliebenen Familien finanziell zu unterstützen. Die Unterstützung der
zurückgebliebenen Verwandten stellt eine neue Qualität der Elendsverwaltung dar,
nicht wie früher durch staatliche Sozialsysteme oder Wohlfahrtsverbände,
sondern durch die unmittelbar Betroffenen selbst organisiert. Da die Männer sich
in noch größerer Zahl als die Frauen in den Armutsmetropolen dieser Welt auf
Jobsuche begeben müssen, müssen die daheim gebliebenen Frauen die
traditionell männlich konnotierten Aufgaben übernehmen.

So ergibt sich eine „doppelte Vergesellschaftung“ für die Frau.
Sie muss sich in der Sphäre des Werts und in der abgespaltenen Sphäre der
häuslichen Tätigkeiten gleichzeitig behaupten. Ihr fällt nicht nur die ohnehin
schon weiblich besetzte Sphäre des Abgespaltenen und Privaten zu, sondern auch
die der männlich konnotierten Erwerbsarbeit. Und selbst wenn sie sich nicht
beruflich tätig ist, muss sie mangels funktionierenden Familienzusammenhangs
Vater und Mutter in einem sein. Frauen müssen sich einerseits männliche
Eigenschaften wie Disziplin, Zweckrationalität und Leistungsdenken trainieren, und
andererseits bei der Kindererziehung die Rolle des Vaters übernehmen.

Das Beispiel der Regionen der kapitalistischen Peripherie macht auch
deutlich, dass umgekehrt kaum Männer traditionell weibliche Aufgaben wie
Kindererziehung übernehmen. Männer haben in der „Dritten Welt“ nur den
Status von Besuchern, es sind die Mütter, unterstützt durch weibliche Verwandte
oder Nachbarinnen für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Abgesehen davon,
dass sich selbst in Europa und Nordamerika nur wenige Männer den Luxus des
allein stehenden Vaters leisten. Der Mär vom „Kinderwagenschiebenden
Papa“ steht die Zunahme häuslicher Gewalt und die zunehmende Zahl allein
erziehender Mütter entgegen. Auf die Männer, die ihrer Frau nach getaner
Arbeit das Bier aus dem Kühlschrank holen, wird man wohl vergeblich warten müssen.


Die Verbindlichkeit der Ehe bei der Kindererziehung löst sich mit der
zunehmenden Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt auf. Männer wie Frauen
müssen sich dem Diktat von Flexibilität und Mobilität beugen und gehen deswegen
entweder spät oder gar keine Partnerschaft mehr ein. Auf diese Weise wird das
bürgerliche Familienideal von Mutter, Vater, Kind vom Bild der allein
erziehenden, berufstätigen Mutter mit Kind abgelöst.

Diese Entwicklung geschieht unabhängig des sozialen Status oder der Herkunft
der Frauen. Mit der Erosion traditioneller familiärer Bindungen wird auch
dem, auf die stetige Vernutzung menschlicher Arbeitskraft ausgerichtetem,
Kapital die Grundlage entzogen. Die kaum noch gelingende Erziehung von Nachkommen
für die Kapitalverwertung stellt die Frage nach der Geschäftsordnung für das
Warenproduzierende System. Die aufwachsenden bürgerlichen Subjekte, können
keine geeigneten Nachkommen für das Kapital sein, wenn sie durch die Verrohung
sozialer Beziehungen, die Verwahrlosung des Sozialen und die Verelendung von
Emotionen und Psyche geprägt sind. Die Frage nach der kapitalistischen
Geschäftsordnung stellt sich insbesondere durch das Wegbrechen einer wirksamen
Erziehung, welche die Kinder auf ihr späteres Leben in der Erwerbsarbeit
vorbereitet.

 

Martin K.


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