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Message 02168 [Homepage] [Navigation]
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[chox] Er ist Spekulant, Philanthrop und sieht sich selbst als Revolutionär - die Welt ist ihm nicht gut genug, darum investiert der 76-Jährige in Demokratie



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     George Soros: Ein Staatsmann ohne Staat


 Der Milliardär will mehr


   Er ist Spekulant, Philanthrop und sieht sich selbst als Revolutionär
   - die Welt ist ihm nicht gut genug, darum investiert der 76-Jährige
   in Demokratie



       Von Klaus Brill



       Berlin, im Dezember - George Soros scheint gut aufgelegt zu sein
       an diesem sonnigen Berliner Vormittag. Er scherzt und lächelt in
       seiner Suite aus dem Sessel heraus, und man hat deshalb die
       leise Ironie in seiner Stimme und in seinen Augenwinkeln
       mitzudenken, um einen Satz wie diesen im rechten Maße ernst zu
       nehmen - und auch nicht: "Ich habe meine Gegner gut gewählt,
       Bush und Putin. Darauf kann ich stolz sein." George Soros legt
       im selben Ton auch dar, warum er keinen Widerspruch darin
       erkennen mag, dass er so heftig die Mechanismen der
       kapitalistischen Weltfinanzmärkte kritisiert, obwohl er diesen
       doch seine Milliardengewinne als Spekulant verdankt. Und wenn er
       gar davon erzählt, wie sein Vater im Schicksalsjahr 1944, als
       die jüdische Familie sich in Budapest mit falschen Papieren vor
       den Nazis tarnte, im Kaffeehaus einen unglücklichen deutschen
       Offizier tröstete, dann wird endgültig klar, dass für diesen
       Mann die außergewöhnlichen Dimensionen seines Lebens etwas
       durchaus Normales sind, von Kindheit auf.



       George Soros dreht gerne ein großes Rad, und er spricht davon
       ganz unbefangen. "Viele Menschen träumen zwar davon, die Welt zu
       verbessern, aber ich bin in der glücklichen Lage, es zu tun",
       sagt er. Mit 76 Jahren ist er heute nicht mehr nur ein
       schwerreicher Financier und politischer Philanthrop, der mehr
       als fünf Milliarden Dollar in ein weltweites Netzwerk von
       Stiftungen für den Aufbau der Demokratie, für Bildung und
       soziale Gerechtigkeit gesteckt hat. Gerade jetzt, da er sein
       neuntes Buch herausgebracht hat, entfaltet sich der Wohltäter
       aus New York immer mehr auch als politischer Theoretiker und als
       eine Art internationaler Privatpolitiker, der sich offenbar als
       Speerspitze der Bürgergesellschaft im Weltmaßstab versteht.



       Hemdsärmelige Helfer



       Er findet lebhaften Gefallen daran, dass ihn der mazedonische
       Präsident Branko Crvenkovski einmal "einen Staatsmann ohne
       Staat" genannt hat. "Die Welt braucht dringend Staatsmänner ohne
       Staat", findet er. Und lebt danach. Wobei es nur am Rande zählt,
       dass er, wenn er auf seinen Reisen auch einmal in Berlin
       absteigt, das Hotel Adlon als Herberge wählt. Umgeben vom
       diskreten Charme der Großbourgeoisie und der internationalen
       Diplomatie, empfängt er dort in einer in elegantem Braun
       gehaltenen Suite, aus deren Fenstern dem Besucher ein exklusiver
       Blick auf die Quadriga des Brandenburger Tores vergönnt ist. Ein
       weiterer Staatsmann wohnt gerade im Haus, Motorradeskorten
       fahren vor, um seine schwere Limousine mit Stander abzuholen.
       Auf solchen Status kann Soros natürlich nicht zählen.



       Ansonsten aber staunt man, wo dieser multipolare Euro-Amerikaner
       überall willkommen ist. Ist er in der Welt unterwegs, um seine
       Stiftungen zu besuchen oder Vorträge zu halten, steht oft auch
       ein Treffen mit dem Regierungschef des jeweiligen Landes oder
       anderen höchstmögenden Persönlichkeiten an. George Soros war
       schon zum privaten Abendessen bei Polens General Wojciech
       Jaruzelski, als dieser seine Macht noch nicht an die (von Soros
       natürlich unterstützte) Gewerkschaft "Solidarität" hatte abgeben
       müssen. Und seither hat sich seine Reichweite und Bekanntheit
       noch enorm vergrößert, nicht nur deshalb, weil er 1992 als Herr
       der Hedgefonds gegen das britische Pfund setzte, die Bank von
       England zur Abwertung nötigte und damit eine Milliarde Dollar
       Profit machte.



       Wer heute durch die Hauptstädte Mittel- und Osteuropas
       schlendert, stößt irgendwann auf ein restauriertes Haus, an dem
       eine Tafel mitteilt, dass dort der örtliche Open Society Fund
       residiert, benannt nach dem Soros-Postulat der "Offenen
       Gesellschaft". In Sofia ist schon der Sitz der Stiftung ein
       Leuchtturm des Möglichen in bröckelnder Umgebung. In Bratislava
       findet man die OSF-Filiale in einer hübschen Altstadtgasse,
       mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) logieren ebenfalls
       im Haus. Junge Leute stapeln bedrucktes Papier, Broschüren und
       Bücher liegen umher, Telefone klingeln, es herrscht politischer
       Betrieb nach Art amerikanischer Hemdsärmeligkeit. Die
       Soros-Stiftungen verkörpern das klassische US-Modell der
       NGO-Arbeit mit bezahlten Freiwilligen.



       Als ihr Gründer 1979, erst 30 Millionen schwer, seinem Dasein
       als Börsen-Hecht die Dimension des politischen Mäzens hinzufügte
       und im Apartheidsstaat Südafrika jungen Schwarzen Geld zum
       Studieren gab, da hat er sicher nicht vorhergesehen, dass er
       sein Netzwerk einmal auf mehr als 60 Länder ausdehnen und
       jährlich 450 Millionen Dollar dafür ausgeben würde. Zunächst
       förderte er in seinem Heimatland Ungarn Kultur- und
       Bildungsinitiativen und schaffte Photokopierer hin. So war der
       Keim gelegt für eine Unzahl finanzieller Transfers in den damals
       noch kommunistisch beherrschten Teil Europas; zu den Empfängern
       zählten auch die tschechischen Dissidenten der "Charta 77" und
       der russische Regimegegner Andrej Sacharow. Nach der Wende 1989
       stieß der reiche Onkel aus Amerika in fast allen
       postkommunistischen Staaten Projekte zum Aufbau demokratischer
       Strukturen an, bis heute finanziert er beispielsweise in
       Armenien die Ausbildung von Journalisten und die berufliche
       Emanzipation von Frauen, in Mazedonien den Widerstand gegen das
       Organisierte Verbrechen, in Rumänien die Bekämpfung der
       Korruption, in Lettland Gesundheits- und Kulturprogramme, in
       Usbekistan Menschenrechtsaktivitäten. Der belagerten Bevölkerung
       von Sarajewo half er mit 50 Millionen Dollar, genauso viel
       erhielt jüngst die Jahrtausend-Initiative der UN für die ärmsten
       Dörfer Afrikas, auf Haiti werden Gemeindebüchereien unterstützt.
       In Budapest hat er inzwischen eine ganze Universität mit auf die
       Beine gestellt.



       Wo sinnvoll und möglich, arbeiteten Soros und seine weithin
       autonom, aber unternehmerisch operierenden Aktivisten vor Ort
       mit internationalen Organisationen und Regierungen zusammen. So
       gab Soros 100 Millionen Dollar, um allen russischen
       Provinz-Universitäten den Zugang zum Internet zu verschaffen,
       und unterstützte Bildungsfunk in der Mongolei. Die Vielzahl und
       Bandbreite der Projekte ist auf der Website soros.org kaum noch
       zu überblicken, in alle Erdteile fließen die Dollars. Den
       nachhaltigsten Eindruck macht immer noch, was Soros selber schon
       2000 in seinem Buch "Die Offene Gesellschaft" in den Satz
       kleidete: "Ich war aktiv an der Revolution beteiligt, die das
       Sowjetsystem hinwegfegte." Wohl deshalb war er zum Vortrag
       eingeladen, als vor einem Jahr im prachtvollen Außenministerium
       auf dem Hradschin-Berg in Prag der "Club of Madrid" tagte, die
       Vereinigung von 57 früheren Staats- und Regierungschefs.



       Der Meister und sein Plan



       Muss man betonen, dass der Gast, vom verehrten Vaclav Havel
       freundlich begrüßt, sich hier mit größter Lässigkeit wie unter
       seinesgleichen bewegte? Im dunklen Anzug auf dem Podium sitzend
       und frei redend, erzählte er von seiner Kindheit in Budapest und
       seinem Vater und davon, wie er schon 1987 nach Moskau reiste und
       eine Stiftung gründete, weil er eine Zeit gekommen fühlte, "wo
       die normalen Regeln nicht mehr gelten". Das Gleiche tat er schon
       vor 1989 auch in der Ukraine und den baltischen Staaten und gab
       Geld aus für die Ausbildung junger Talente, die einmal die
       Führung des Staates übernehmen sollten. George Soros besoldete,
       wie er in Prag erzählte, sogar ausländische Experten, die im
       Auftrag des ukrainischen Altkommunisten Kutschma mit dem
       Internationalen Währungsfonds verhandelten. In Georgien stiftete
       er nach der Rosen-Revolution von 2003 in Zusammenarbeit mit der
       UN-Organisation für Entwicklung (UNDP) Ministergehälter von 1200
       Dollar im Monat, damit Profis aus dem Exil sich zur
       Amtsübernahme bereitfanden. Selbst Polizisten erhielten aus
       seinen Fonds 100 Dollar im Monat, damit sie aufhörten, an
       Straßensperren die Leute auszuplündern. Man sollte merken, dass
       eine neue Zeit begonnen hatte.



       Von russischen Politikern wurde Soros deshalb heftig
       angegriffen, und überhaupt warf ihm Präsident Wladimir Putin
       wegen seiner langfristigen Unterstützung für die späteren
       Revolteure vor, den Umsturz in Georgien und der Ukraine mit
       angeschoben zu haben. "Aber schauen Sie, ich bin nicht für
       Revolutionen", sagt der Beschuldigte in seinem Sessel in der
       Adlon-Suite ganz ruhig. "Revolutionen passieren, wenn es ein
       Defizit an Demokratie gibt, und Revolutionen können dieses
       Defizit nicht füllen. Sie öffnen nur ein Fenster, wo man sich
       engagieren kann, um die Demokratie aufzubauen." In diesem Sinne
       ist er freilich unverhohlen stolz auf die Rolle, die seine
       Stiftungen in Georgien und der Ukraine spielten, ebenso in
       Jugoslawien beim Sturz Slobodan Milosevics und vorher schon in
       der Slowakei und Kroatien.



       Was treibt ihn dazu? Und woher hat er diesen Mut zum Risiko,
       diesen Hang zum Mega-Maß, der ihn an der Börse zum Krösus machte
       und in der Politik zum Weltverbesserer im großen Stil, zum
       Staatsmann, den niemand gewählt hat und der niemandem
       Rechenschaft schuldet? Soros hat eine einfache Antwort darauf:
       1944. 1944 und sein Vater, ein Rechtsanwalt,
       Esperanto-Enthusiast, Kaffeehauslöwe und hilfsbereiter Humanist.
       1944, als die Nazis Budapest besetzten und die Juden jagten, und
       als die jüdische Familie Soros (früher Schwartz) ums Überleben
       fürchten musste, da hat der 14-Jährige von seinem agilen Vater
       Tivadar die Lektion seines Lebens gelernt: "Dass es sicherer
       ist, etwas zu riskieren, als passiv zu sein." Auf diese Weise
       überlebte die Familie unter falscher Identität und konnte noch
       andere retten, der junge György empfand 1944 als "ein Jahr
       großer Errungenschaften und Erregungen". Auch als ein Jahr des
       Sieges über die Nazis, weil er über sie triumphierte, indem er
       ihnen entkam. Deshalb hat Soros paradoxerweise auch später nie
       antideutsche Gefühle genährt, wie er sagt. Deutsch war seine
       zweite Sprache, die Sprache seines Kindermädchens, noch heute
       spricht er sie gut, aber selten; im Interview zieht er es vor,
       auf Englisch zu antworten, von einzelnen Sätzen und Ausrufen
       abgesehen.



       Des Vaters Regel vom Wert des Wagnisses hat George Soros, als er
       1946 emigrierte und an der London School of Economics den
       Philosophen Karl Popper kennenlernte, mit dessen berühmtem
       Entwurf der "Offenen Gesellschaft" verknüpft und darauf
       aufbauend seine eigene politische Philosophie entwickelt. Sie
       ist für ihn ein zweiter Schlüssel des Erfolgs, an der Börse wie
       in der Politik. Er hätte, nun da er über das Weiterleben seiner
       Stiftungen nach seinem Tode nachdenkt, seine Memoiren schreiben
       können, und hunderttausende Börsenanleger würden seine
       Insiderstories aus der Hochfinanz verschlingen, gerade so wie
       jüngst die Damen und Herren im dunklen Tuch ihm lauschten, die
       im Berliner Tempodrom der Eventshow zur Vorstellung seines neuen
       Buches über "die Ära der Fehlentscheidungen" beiwohnten; sein
       Freund Kurt Biedenkopf hielt die Eingangsrede. Aber Soros liegt
       mehr daran, seine Erkenntnisse über die Unvollkommenheiten der
       pluralistischen Gesellschaft und deren reflexive
       Wirkungsmechanismen fortzudenken. Der Sozial-Ingenieur aus
       eigener Berufung will der Welt außer Geld und guten Worten auch
       ein schlüssiges Konzept für ihre demokratisch-soziale
       Optimierung vermachen - was immer die Politiker und
       Politikwissenschaftler daran aussetzen mögen. Es ist ein Teil
       seines Lebenswerks.



       Dieser Masterplan erlaubt ihm sehr konkrete Schlussfolgerungen.
       Russland zum Beispiel betrachtet der Master schon seit Jahren
       nicht mehr als Demokratie, die Aktivitäten seiner Stiftungen
       dort hat er beizeiten drastisch reduziert, nachdem er zuvor im
       Land rund eine Milliarde Dollar ausgegeben hatte. Aber auch die
       USA, die er 1956 doch zur neuen Heimat wählte, weil sie ihm als
       Paradefall der Offenen Gesellschaft erschienen, sind für ihn
       heute "das größte Hindernis für eine stabile und gerechte
       Weltordnung". Den Präsidenten George W. Bush betrachtet Soros
       als Nationalisten und Marionette extremistischer Ideologen,
       seinen Vize Dick Cheney "als bösen Geist" vorneweg. Auch mit den
       Demokraten stimmt er nur partiell überein, wiewohl er deren
       Wahlkampf gegen Bush 2004 sponsorte und selber Reden hielt.
       Bedenkt man, dass er auf die Frage nach einem Vorbild den Russen
       Andrej Sacharow nennt, und zwar wegen dessen unwiderstehlichen
       Strebens nach Wahrheit, dann wird man analog George Soros wohl
       als bekanntesten Dissidenten des kapitalistischen Systems
       betrachten dürfen. Obwohl er gleichzeitig einer seiner größten
       Profiteure ist.



       Versteht sich, dass die US-Republika-ner auf ihn nicht gut zu
       sprechen sind, auch der malaysische Ministerpräsident Mohamad
       Mahatir und andere Asiaten wüteten gegen ihn in der Asien-Krise
       1997, als "ökonomischer Kriegsverbrecher" musste Soros sich
       beschimpfen lassen. Und kann sich andererseits trösten mit
       Ehrendoktorhüten aus Oxford, Yale und Bologna. Der Spiegel
       nannte ihn "Heuschrecke und Heilsbringer in einem", und ähnlich
       artikulierten auch andere die Ambivalenz der von ihm ausgehenden
       Faszination. George Soros lässt sich nicht beirren.
       Widersprechen sich nicht seine Kapitalanhäufung und seine
       Kapitalismuskritik? "Im Gegenteil", sagt er lächelnd, "das geht
       zusammen". Er kenne die Märkte besser als andere, darum habe er
       so viel Geld verdient, "und deswegen kenne ich die Fehler der
       Märkte." Deshalb verdammt er beispielsweise auch den
       "Marktfundamentalismus" à la Thatcher und Reagan, weil man eine
       demokratische Gesellschaft keineswegs so führen könne wie ein
       Unternehmen.



       "Messianische Phantasien"



       Wie eh und je gilt ihm mit Popper die "Offene Gesellschaft" als
       Modell, und deren Prototyp im Zeitalter der Globalisierung sieht
       er inzwischen trotz aller Mängel in der Europäischen Union. Er
       wird sie wohl demnächst zwecks weiterer Verbesserung mit einer
       neuen Stiftung bedenken. Ihrem jüngeren Teil, den mittel- und
       osteuropäischen Beitrittsstaaten, hat Soros schon mal zusammen
       mit der Weltbank das Jahrzehnt der Roma-Integration gestiftet.
       2005 startete er diese Kampagne in Sofia mit der EU und den
       Regierungen von neun Ländern, in denen Roma und Sinti im Elend
       leben. Doch das Projekt frustriert ihn mitunter, wie er zugibt,
       weil es "sich nicht bewegt, wenn man nicht schiebt." Also
       schiebt er.



       Mit George Soros zu reden, heißt, sich auf eine Tour d"horizon
       über alle Kontinente zu begeben, geographisch wie thematisch.
       Klimawandel, heraufziehende Energiekrise, Verbreitung von
       Atomwaffen, Verfall des politischen Anstands, Krise der Medien -
       alles interessiert ihn, fordert ihn heraus. Unter den vielen
       Projekten, die er parallel vor sich hertreibt, ist ihm eines der
       liebsten derzeit der Versuch verschiedener NGOs, den "Fluch der
       Ressourcen" zu bannen. In Ländern mit großen Schätzen wie Öl und
       Gas sollen Regierungen und Förderkonzerne die Geheimniskrämerei
       um Lizenzgebühren, Abgaben und Einkünfte beenden. In Nigeria und
       Kasachstan ist man schon vorangekommen, George Soros gibt Geld
       dazu, zusammen mit der norwegischen Regierung und der Hewlett
       Foundation. Und findet diese Sache aufregend, "weil ich eine
       Menge dabei lerne und weil man eine Menge tun kann". Er wüsste
       übrigens auch, wie man bin Laden längst hätte fangen können: Er
       hätte Geld verteilt in Afghanistan an Richter, Lehrer,
       Staatsbeamte, damit sich staatliche Strukturen etabliert hätten
       - und wäre niemals in den Irak einmarschiert. Doch das nur nebenbei.



       Trotz solch weitgespannter Überlegungen und Pläne strahlt der
       Magnat eine gewisse Besonnenheit aus. Er spricht aus seinem
       Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, mit leiser, mitunter
       stockender Stimme, und sein Habitus hat bei aller Kühnheit des
       Gedankenfluges auch einen Hauch von Schüchternheit an sich.
       George Soros wirkt in jedem Fall zufrieden. Vor Zeiten hat er
       mal, nach Kindheitsträumen befragt, von "messianischen
       Phantasien" gesprochen und damit gemeint, dass er wie jeder
       Jüngling natürlich große Pläne geschmiedet habe. "Ich hatte",
       sagt er lächelnd, "nur das Privileg, dass ich einige dieser
       Phantasien tatsächlich ausleben konnte."


Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.295, Freitag, den 22. Dezember 2006 , Seite 3
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