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[chox] die großen Finanzinvestoren wehren sich gegen ihr Image als "Heuschrecken"



Beachtlich, was ein Wort bewegt ...
H

Bei der Super-Return-Konferenz in Frankfurt treffen sich die großen Finanzinvestoren - und wehren sich gegen ihr Image als "Heuschrecken"

Von Martin Hesse

Frankfurt, 27. Februar - Es ist ein Platz für Großwildjäger. An den Wänden hängen in schummrigem Licht Gemälde von Tigern und Elefanten, mächtige Steaks werden serviert, ein riesiger Elfenbeinzahn gibt dem Ort seinen Namen: Ivory Club. An diesem Abend hat Steven Pucinelli den Platz unter dem Zahn. Der Europa-Chef des britischen Finanzinvestors Investcorp ist eine Art Großwildjäger des Kapitalismus. Im Ivory Club, im Schatten der Zwillingstürme der Deutschen Bank, präsentiert Pucinelli seine Trophäen. "Es war ein fabelhaftes Jahr. Wir haben sechs Unternehmen übernommen und genauso viele verkauft", sagt Pucinelli. Aber eigentlich ist der Firmenkäufer hier, um eine ganz andere Botschaft zu verbreiten: "Wir haben nichts zu verbergen, und wir helfen unseren Unternehmen besser zu werden."

Solche Sätze sind in Frankfurt häufig zu hören in diesen Tagen. Ein paar hundert Meter vom Ivory Club entfernt, im Kongresszentrum neben dem Messeturm, trifft sich die Beteiligungsbranche zur Konferenz "Super Return", mit mehr als 1400 Teilnehmern das weltweit größte Treffen dieser Art. Super Return, das heißt so viel wie "Super Gewinn" und ist wohl einer der Gründe, weshalb Pucinellis Branche wieder einmal am Pranger steht. Die sogenannten Private-Equity-Investoren, die Unternehmen meist außerhalb der Börse kaufen und nach einigen Jahren wieder abstoßen, haben in den vergangenen Jahren tatsächlich Supergewinne eingestrichen wie selten zuvor. "Im Durchschnitt erzielten die großen Beteiligungsfonds in den vergangenen Jahren 40 Prozent Rendite", sagt David Bonderman, Chef des Finanzinvestors Texas Pacific Group (TPG) auf der Konferenz. Die großen Fonds haben in ihren Geldtöpfen zehn bis 20 Milliarden Dollar und leihen sich das Drei- oder Vierfache zusätzlich von Banken. So viel Reichtum provoziert in Deutschland Protest.

Der genervte Guru

"Super Return heißt Super-Ausbeutung", steht auf den Flugblättern, die ein knappes Dutzend Demonstranten in Wollpullovern und dicken Jacken vor dem Kongresszentrum austeilen. Sieben von ihnen sind extra aus England hergekommen, um den Firmenkäufern in Frankfurt ihre Wut zu zeigen. In Großbritannien macht die Gewerkschaft GMB derzeit gegen die Beteiligungsfirma Permira mobil. Permira hatte vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Investor CVC den Automobilclub AA übernommen - eine Art britischer ADAC - und seitdem mehr als 3000 der 10 000 Stellen abgebaut. "Die Private-Equity-Branche erzielt ihre Gewinne auf dem Rücken der Arbeitnehmer", sagt einer der Demonstranten.

Die Heuschrecken-Debatte hat damit das Mutterland der Beteiligungsbranche erreicht. In England ist Private Equity seit Jahrzehnten etabliert und war lange Zeit akzeptiert. Jetzt regt sich auch dort Protest, weil Arbeitnehmer das Gefühl haben, dass die Gewinne der Investoren und die Einkommen der Arbeitnehmer immer weiter auseinanderklaffen. Begonnen hatte die Diskussion vor gut zwei Jahren in Deutschland. Franz Müntefering, damals SPD-Vorsitzender, verglich Beteiligungsfirmen mit Heuschrecken. Sie fielen in Schwärmen über Unternehmen her, grasten sie ab und ließen sie geschwächt zurück. Zwei Jahre später kaufen Finanzinvestoren wie Investcorp, Permira und CVC in Deutschland mehr Firmen denn je, allein 2006 gaben sie für fast 200 Unternehmen 51 Milliarden Euro aus.

Drinnen in den Konferenzräumen stoßen die Proteste auf Unverständnis. Zum Beispiel bei David Bonderman. Hunderte Investoren, Beteiligungsmanager und Journalisten sind am frühen Morgen in den Raum "Harmony" geströmt, um dem Gründer der Texas Pacific Group zu lauschen. Der 64-jährige Bonderman zählt zu den Gurus der Private-Equity-Branche, seitdem er 1993 mit anderen Investoren die marode Fluggesellschaft Continental übernahm, sanierte und seinen Einsatz verzehnfachte. Seinen 60. Geburtstag feierte Bonderman mit Robbie Williams und den Rolling Stones.

Es dauert eine Weile, ehe der Texaner in Schwung kommt. Er schlurft aufs Podium, schimpft nuschelnd auf die Powerpoint-Technik und wirft schließlich Chart um Chart an die Wand, um zu entkräften, was er als Vorurteile gegen die Finanzinvestoren ansieht. "100 000 Mitarbeiter haben Dax-Konzerne in den vergangenen zwei Jahren entlassen, nur 7000 Stellen wurden bei Firmen im Besitz von Finanzinvestoren gestrichen", sagt Bonderman. Im Durchschnitt wüchsen Firmen im Private-Equity-Besitz schneller als Unternehmen, die nicht von Finanzinvestoren übernommen worden seien. Dennoch könne man keine Zeitung mehr in die Hand nehmen, ohne auf Artikel über "Heuschrecken" zu stoßen. Bonderman belegt auch das mit einem Chart: "Die Heuschrecken-Kurve hat vor ein paar Monaten ihren Höhepunkt erreicht, hält sich aber auf hohem Niveau", referiert er ironisch im Stile eines Finanzanalysten.

Bonderman selbst ist in Deutschland zum Inbegriff der Heuschrecke geworden. Seine Firma TPG war es, die Müntefering mit der Übernahme und dem Stellenabbau beim Badarmaturenhersteller Grohe zu seinem Insektenvergleich inspirierte. Die Kritik an Investoren wie TPG entzündet sich immer wieder an einem Punkt: Sie kaufen ihre Firmen teils zu mehr als drei Vierteln mit geliehenem Geld, bürden die Schulden den Unternehmen auf, die sie abbezahlen und tilgen müssen. Laufen die Geschäfte schlechter als erwartet, droht den Firmen die Zahlungsunfähigkeit. So wie bei Kiekert, dem weltweit größten Hersteller von Schließsystemen für Autos. Dort musste die Beteiligungsgesellschaft Permira die Kontrolle an die Gläubiger abgeben. Die neuen Eigentümer drohen jetzt mit einem massiven Stellenabbau. "Doch was bei Kiekert passiert ist, hat mit Private Equity nichts zu tun", sagt Thomas Krenz, Deutschland-Chef von Permira.

Mehr Jobs als bei anderen?

Auch die Demonstranten draußen vor dem Kongresszentrum räumen ein, dass Entlassungen kein heuschreckenspezifisches Thema sind. "Aber sie nehmen eine Vorreiterrolle ein, wenn es um ein immer radikaleres kapitalistisches Gebaren geht, weil sie in Deutschland weitgehend unbekannt sind", sagt einer der Demonstranten, ein Vertreter der IG Metall. Die Gewerkschaft hat deshalb ein Netzwerk Private Equity gegründet, um Arbeitnehmern zu helfen, ihre Interessen gegenüber Finanzinvestoren zu wahren.

Drinnen verlässt Bonderman das Podium, um seinen Freund Stephen Schwarzman zu begrüßen. Auch Schwarzman treibt die Heuschrecken-Debatte um. "Es ist nicht schön, als Heuschrecke bezeichnet zu werden, und es ist nicht fair", sagt der Manager, der auf der Forbes-Liste der reichsten Leute mit 3,5 Milliarden Dollar Platz 73 belegt. Studien belegten, dass Unternehmen im Besitz von Beteiligungsfirmen schneller wüchsen als andere und mehr Jobs schafften.

Im Ivory Club gehen Steven Pucinelli und sein Kollege Thilo Sauter einen anderen Weg, um zu beweisen, dass sie das Heuschrecken-Image zu Unrecht tragen. Pucinelli hat Peter Fischer mitgebracht, den Vorstandschef des größten europäischen Parkhaus-Betreibers Apcoa. Investcorp hatte Apcoa 2004 übernommen und vor wenigen Wochen an den Investor Eurazeo weiterverkauft. Nach den Begrüßungsreden der Investcorp-Manager erhebt sich spontan der grauhaarige Fischer, der der Vater der beiden Finanzinvestoren sein könnte. "Ich habe heute eine Träne im Knopfloch", sagt Fischer . Investcorp habe echtes Unternehmertum mitgebracht und Apcoa zu neuer Blüte verholfen. Bei "seinem Freund Thilo", bedankt sich der gestandene Manager noch persönlich. Offenbar können Heuschrecken auch glücklich machen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.49, Mittwoch, den 28. Februar 2007 , Seite 3
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