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[chox] ein Siegeszug?



Nach dem Kurssturz an der Börse Shanghai sorgte die Verkaufspanik für vermehrte Aufrufe der Webseiten von Online-Brokern.
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Der Siegeszug der Börsen-Roboter

An den internationalen Finanzmärkten boomt der vollautomatische Handel mit Aktien und Optionen - manche Fachleute sehen dies mit Sorge

Von Gerd Zitzelsberger

London/Frankfurt - Auf diesen Tag haben die Kameramänner ungeduldig gewartet: Am Montag ist der große Handelssaal der Deutschen Börse nach der Modernisierung neueröffnet worden. Wer die Berichte über den Aktienmarkt im Fernsehen verfolgt, sieht nun im Hintergrund wieder das Frankfurter Börsenparkett. Der Eindruck, hier sei das Zentrum des Börsengeschehens, ist jedoch falsch. Das wirkliche Geschäft läuft abseits der Fernsehkameras:"Das ist unser Disneyland - das wirkliche Geschäft läuft drüben", sagt ein Kenner des Geschäfts. Mit "drüben" meint der Mann nicht zuletzt einen neuen Börsensaal abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Dort geht es geradezu gespenstisch zu: Hier laufen keine Menschen herum. Keine Geste, kein Wort, nur das Surren der Klimaanlage ist zu hören. Die Börsenhändler hier sind 20 Computer - "Algo-Trader" oder einfach "schwarze Kisten" heißen sie im Branchenjargon. Selbständig verkaufen sie eben mal 10 000 Daimler-Aktien oder ordern 1000 Dax-Futures. Ihre Entscheidungen treffen sie auf Basis mitunter hochkomplizierter Formeln - eben der Algorithmen, die ihnen ihre Besitzer - Investmentfonds, Banken oder große Wertpapierhäuser - einflößen. Die amerikanischen Vorfahren dieser vollautomatischen Händler gelten manchen Experten als die Verursacher des Börsenkrachs von 1987. Neuerdings machen sich diese schwarzen Kisten auch in Frankfurt, London und Paris breit - zum Wohlgefallen der Börsengesellschaften, mancher Hedge-Fonds und Banken.

"Die schwarzen Kisten sind ein Schlüssel für die Erklärung des Umsatzwachstums", diagnostiziert Cathrin Mattison von der London Stock Exchange (LSE). Tatsächlich erreicht das Ordervolumen - nicht nur an der Themse - immer neue Rekorde. Im Januar etwa lag die Zahl der Geschäftsabschlüsse im elektronischen Orderbuch der LSE um 54 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Mathematiker gefragt

Den einzelnen Aufträgen sieht man zwar nicht an, ob ein leibhaftiger Börsenhändler oder nur eine der "schwarzen Kisten" sie ausgestellt hat. Aber die Börsengesellschaften kennen ihre Kunden, und sie wissen zumindest, wer von ihnen Algo-Trader einsetzt und für welche Bereiche.

Auf dieser Basis schätzt die LSE, dass bei ihr bereits 30 Prozent der Kauf- und Verkaufsaufträge vom Computer generiert werden. Die Deutsche Börse spricht von einem Anteil von etwa 25 Prozent, die Mehrländerbörse Euronext beziffert die Quote im Aktienhandel mit 20 bis 25 Prozent.

Allein im vergangenen Jahr dürfte der vollautomatische Handel um 50 Prozent gestiegen sein, berichtete Jürg Spillmann, Vorstandsmitglied der Eurex, der Terminmarkttochter der Deutschen Börse, bei einer Präsentation in London. Dies sei kein Strohfeuer: "Wir sehen doch, welche Leute die Banken und Fonds einstellen - das sind nicht Börsenhändler vom alten Schlag, sondern Leute, die mathematische Modelle für den automatischen Handel schreinern können." Genauso sieht es Robert Flatley, der von London aus für die Deutsche Bank den Bereich des automatischen Aktienhandels leitet. Er schätzt, dass sich das Volumen dieser Art von Börsengeschäft 2007 möglicherweise sogar verdoppeln wird: "Schauen Sie nach Amerika; dort hat sich der Optionshandel in den letzten zwei Jahren vervierfacht."

Optionen - sie geben das Recht, eine Aktie zu kaufen oder zu verkaufen - bilden den idealen Nährboden für automatischen Handel: Ohne Computer lassen sich ihre marktgerechten Preise überhaupt nicht bestimmen. Kleinanleger können noch hoffen, dass die Marktmacher halbwegs faire Kurse stellen, aber Großanleger wären ohne Computer verloren beim Optionsgeschäft.

Nur 29 Millisekunden

Schon die Investitionen der Börsengesellschaften zeigen, welche unvorstellbare Menge an Geschäften der automatische Handel nach sich ziehen dürfte. Die Euronext etwa ist gerade dabei, den Handel auf neue Rechner und Programme umzustellen. Bis zu zehn Millionen Geschäfte pro Stunde könne man künftig verkraften, und für einen kurzen Augenblick kamen die Computer sogar mit 50 000 Geschäften pro Sekunde zurecht, preist Euronext ihr neues System. Die London Stock Exchange folgt im zweiten Quartal mit einem neuen System. Und die Deutsche Börse, die technisch traditionell den Vorreiter spielt, rühmt die neuen Herzstücke ihrer Computer, Intels Itanium-Prozessoren.

Genau 29 Millisekunden, so Spillmann, dauert es jetzt von London aus, um per Computer einen Börsenauftrag zu erteilen und die Ausführungsbestätigung aus Frankfurt zu erhalten. Zeit ist Geld: Beim automatischen Handel kommt es beispielsweise darauf an, möglichst schnell ungerechtfertigte Preisunterschiede zwischen einer Option und der zugrundeliegenden Aktie zu erkennen. Außerdem "bewegen viele kleine Orders die Märkte meist nicht so stark wie eine große", erzählt Flatley.

So ist der karge "Börsensaal" neben den Computern der Deutschen Börse und ihrer Tochter Eurex entstanden. Wertpapierhäuser mieten dort ihre Algo-Trader ein. Von dort dauert es nur 15 Millisekunden, bis die Ausführungsbestätigung für den Börsenauftrag zurückkommt.

Ob der vollautomatische Handel mit seinem gigantischen Volumen nicht die Gefahr vergrößert, dass es etwa nach einem Terroranschlag zu einem Lawinen-Effekt an den Börsen kommt? Nein, antwortet Flatley, die Risiken würden eher geringer. "Das zeigen auch die amerikanischen Erfahrungen der letzten beiden Jahre."

Andere Fachleute dagegen schätzen, dass die Algo-Trader die Kurse stärker schwanken lassen. "Es ist schon gut, wenn hinter dem Computer einer sitzt, der ihn ausschalten kann", meint einer.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.48, Dienstag, den 27. Februar 2007 , Seite 26
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