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[chox] DRM



Musik ohne Grenzen
Brüssel will dafür sorgen, dass die Titel überall in der Europäischen Union gleich viel kosten

Von Moritz Koch

Zurückhaltend oder sogar ängstlich sind die Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission gewiss nicht. Wenn der Verdacht besteht, dass Firmen ihre Macht zum Nachteil der europäischen Verbraucher missbrauchen, legt sich die Kommission selbst mit den Schwergewichten der globalen Märkte an. Und mittlerweile sieht es auch so aus, als suche Brüssel seine Lieblingsgegner in den USA. Erst wurde der IT-Konzern Microsoft zu einem Bußgeld von einer Milliarde Dollar verdonnert. Dann wurde ein Verfahren gegen den Chip-Hersteller Intel in Gang gebracht. Am Dienstag nun bestätigte die Kommission, dass sich auch die Technologiefirma Apple, die PCs, Software und MP3-Geräte in besonders coolem Look verkauft, in ihrem Visier befinde.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes beschuldigt Apple und "mehrere große Plattenfirmen", mit Abmachungen beim Verkauf von digitaler Musik gegen die Regeln des EU-Binnenmarkts zu verstoßen. Konkret geht es um das Apple-Programm iTunes, einen Musikladen im Internet, auf dessen Seiten Fans Lieder und Alben kaufen und auf ihre Computer herunterladen können. Die Kommission bemängelt, dass Apple und einige Musikfirmen vereinbart hätten, Kunden dürften die Musiktitel ihrer Wahl nur aus den iTunes-Filialen ihres jeweiligen Landes beziehen. So könne man mit einer deutschen Kreditkarte nur auf der deutschen iTunes-Seite einkaufen. Nach Zeitungsberichten sollen die Plattenfirmen Universal, Warner, EMI und Sony BMG hinter diesem Deal stehen.

Verbraucherschützer in England hatten das Verfahren ins Rollen gebracht. Gegenüber der britischen Wettbewerbsbehörde beklagten sie, dass Musikstücke auf ihrer iTunes-Seite bis zu 18 Prozent teuerer seien als in anderen EU-Staaten. Auch die Dänen müssen bei iTunes tiefer in die Tasche greifen als andere Europäer. Großbritannien leitete den Fall daher an die EU weiter. In Brüssel wurde die Beschwerde der Verbraucherschützer um einen Punkt ergänzt: "Die Angebotspalette von iTunes unterscheidet sich von Land zu Land", sagte ein Sprecher. "Wir fordern, dass iTunes-Kunden die Musik ihrer Wahl zum Preis ihrer Wahl kaufen können."

Apple sieht sich zu Unrecht beschuldigt und schiebt den schwarzen Peter an die Plattenfirmen weiter. "Wir wollten unser Angebot immer auf einem gesamteuropäischen Markt ohne Zugangsbeschränkungen zusammenfassen", erklärte ein Firmensprecher. Doch hätten die Plattenfirmen darauf verwiesen, dass die Eigentumsrechte für Musik auf nationaler Basis vergeben würden und es daher nicht möglich sei, Musik über Landesgrenzen hinweg zu verkaufen. Apple und die Plattenfirmen haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe aus Brüssel zu reagieren. Erst dann wird die Kommission über Strafen entscheiden. Diese könnten bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes betragen, den die Konzerne pro Jahr erwirtschaften.

Die Kommission betonte allerdings, dass sie Apple nicht beschuldige, aus einer dominanten Position heraus den Wettbewerb zu manipulieren. "iTunes verfügt nach unserer Einschätzung über keine überhöhte Marktmacht", sagte der Sprecher. Ebenso wenig nimmt die Kommission an der Kopierschutzvorrichtung Anstoß, die bisher verhindert hatte, dass Musik von iTunes auf MP3-Geräten anderer Hersteller abgespielt werden konnte. In Norwegen hatten Verbraucherschützer Apple deshalb mit einen Verfahren gedroht. Zumindest in diesem Punkt scheint Apple jetzt jedoch mit seinem Abschied vom Kopierschutz reagiert zu haben. Von Mai an sind die Musikstücke frei.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.79, Mittwoch, den 04. April 2007 , Seite 2Der Coup von London
Wie sehr sich das Geschäft im Internet nach der Abmachung zwischen EMI und Apple verändern wird

Von Bernd Graff

Wie lange benötigt man, um seinen guten Ruf gründlich zu ruinieren? Antwort: Etwa fünf Jahre - wenn es professionell gemacht wird. Denn ungefähr ein halbes Jahrzehnt hat die Musikindustrie gebraucht, um sich von ihrem Image des Förderers der Kreativen und der Jugendkultur weg- und zum profitgeilen Lobbyisten hin zu entwickeln, der nur seinen Vorteil, aber nicht seine Kunden im Blick hat.

Die Musikindustrie - das ist inzwischen ein fast abschätzig gebrauchter Sammelbegriff für Produzenten und Vertreiber von Musik im Internet. Sie hat sich durch zwei Maßnahmenpakete in Verruf gebracht: zum einen durch die Einführung eines Kopierschutzes in den verkauften Musiktiteln, der selbständig und automatisch kontrolliert, ob im Sinne des Vertreibers gehandelt wird. Diesen Schutz will das Musik-Label EMI nun für Apples Plattform iTunes wieder aufgeben.

Zum anderen machte sich die Musikindustrie unbeliebt durch plakativ vorgetragene Aktionen zur strafrechtlichen Verfolgung von Verstößen gegen ihre Rechte. Dabei sind die Verbrecher, die man da jagt, mutmaßlich identisch mit genau jenen Kunden, die Musik seit je gekauft haben, sie gegenwärtig kaufen und auch in Zukunft kaufen sollen.

Die Situation, in der sich alle Beteiligten befinden, ist aber auch vertrackt. Ungefähr seit dem Jahrtausendwechsel ist nicht mehr zu übersehen, dass die Musik-Industrie massive Einnahme-Einbrüche hinnehmen muss, die durch fortgesetztes, verlustfreies Raubkopieren im Internet verursacht werden. Bis heute ist ohne großen Aufwand nahezu jeder veröffentlichte Song nicht nur zu kaufen, sondern auch kostenlos in Musik-Vervielfältigungsbörsen zu besorgen.

Dem versucht die Musikindustrie zum einen mit pointierten Strafandrohungs-Kampagnen entgegenzutreten. Außerdem bekämpft sie die Unsitte des Raubkopierens mit Maßnahmen zum Kopierschutz für die Titel, die legal in Online-Musikläden verkauft werden. ITunes, der Musikalienhandel von Apple, hat bewiesen, dass man mit dem Vertrieb von Musik über das Internet durchaus auch Gewinne machen kann.

Musikinteressierte trafen also bis zu diesem Dienstag auf eine als absurd zu bezeichnende Situation: Einerseits rauschen Melodien unvermindert ungeschützt, aber illegal durchs Netz. Andererseits konfrontiert man zahlwillige Kunden mit Restriktionen, durch die eine Vervielfältigung der von ihren gekauften Titel mehr oder weniger harsch reglementiert wird. "Mehr oder weniger", weil unterschiedliche Anbieter jeweils eigene Maßnahmen ergriffen haben, um verkaufte Titel vor ungewollten Kopiervorgängen zu schützen.

Diese Schutzmaßnahmen firmieren unter dem Namen Digital Rights Management (DRM), und Kritiker werden nicht müde, das Kürzel mit "Digital Restrictions Management" zu übersetzen. Ihr Hauptvorwurf lautet, die Musikindustrie bewerte die Rechte als Produzenten zu hoch im Vergleich zu den Rechtsansprüchen der Käufer. DRM nämlich ist eine technische Sperre, die dafür sorgt, dass mit dem erworbenen Gut nicht frei verfahren werden darf: Der Käufer kann etwa einen Song nur eine begrenzte Zahl von Malen kopieren, selbst wenn er nichts an Dritte weitergeben möchte, sondern nur zum Privatvergnügen reproduziert. Problematisch ist auch die derzeitige Unübersichtlichkeit: Kunden mussten kaum mehr wissen, was sie hören wollten, sondern vor allem, wo und von wem sie es kauften, um die jeweils eingehandelten Restriktionen abwägen zu können.

All das hat die kaufwillige Kundschaft verprellt - und treibt sie wohl auch den Illegalen in die Arme. Eric Nicoli, der Chef von EMI, konnte deshalb jetzt bei seiner Londoner Ankündigung, für seine Produkte das DRM abzuschaffen, wissenschaftlich belegen, dass Anwender für Songs ohne DRM sogar einen höheren Preis zu zahlen bereit seien. In einem Test griffen zehnmal mehr Käufer zu den teureren Songs ohne Kopierschutz, weil sie damit eben wieder machen können, was sie wollen - und nicht bloß das, was ihnen ein Verkäufer gestattet.

Vier Entwicklungen bleiben nun abzuwarten, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit einstellen werden: Einerseits wird es wohl nicht allzu lange dauern, bis alle Labels ihre Musik DRM-frei bei iTunes anbieten werden, und nicht nur EMI. Zweitens werden die iTunes-Konkurrenten wohl relativ bald nachziehen - vielleicht sogar Microsoft, der eifrigste Verfechter von DRM derzeit. Drittens werden die Tage der immer noch erhältlichen, durch DRM geblockten Musik wohl gezählt sein, auch wenn Apple-Chef Steve Jobs ankündigte, dass es sie zum alten Preis weiterhin geben solle (allerdings auch weiterhin in der schlechteren Qualität). Und viertens darf man darauf wetten, dass Jobs nun nicht nur einzelne Musiktitel, sondern zunehmend auch komplette Alben verkaufen wird. Denn an diesem Dienstag haben Steve Jobs und Eric Nicoli auch beschlossen, Alben in besserer Qualität ohne Kopierschutz zum alten Preis anzubieten, was als zusätzlicher Anreiz gewertet werden darf. Jobs, der Visionär, ist offenbar dabei, eines der größten Probleme des Internethandels mit Musiktiteln zu lösen - und der Industrie wieder zu altem Ansehen zu verhelfen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.79, Mittwoch, den 04. April 2007 , Seite 2



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