Dieser Beitrag ist als Grundlage eines Impulsreferats entstanden, das auf der Podiumsdiskussion copy kills (music kills) capitalism gehalten wurde. Hier sind die Inhalte der Folien sowie die zusätzlichen Notizen dokumentiert.
Der Beitrag kann unter http://www.opentheory.org/copykillsmusic_de/ diskutiert werden.
1. Hintergrund: Oekonux
1.1. Freie Software als Keimform
-
Oekonux nimmt Freie Software (aka Open Source) als Ausgangspunkt
- 1. Grundlage: Selbstentfaltung
-
Basis der Produktionsweise
- Wesentlich: Kreative Entfaltung
- 2. Grundlage: Digitale Kopie
-
Neue Technologie
- Schafft Überfluss von Informationsgütern
-
Überfluss ist Feind der Knappheit
Stellt Wareneigenschaft nachhaltig in Frage
Internet als globale Fernkopiereinrichtung - Schafft Überfluss von Informationsgütern
- Erfolg durch Qualität
-
Produktionsweise ist dafür Voraussetzung
Produktionsweise funktioniert nicht unter Entfremdungsbedingungen wie z.B. Lohnarbeit
Freie Software ist höchstens zerstörbar aber nicht integrierbar - Keimform für eine gesellschaftliche Alternative
-
Freie Software weist über Tauschgesellschaft hinaus
Produktionsweise für viele (alle?) kreativen Leistungen sinnvoll - Fazit: http://www.oekonux.de/
Sehr kurz gefasster Überblick über die Theorie
2. Freie Software und Musik
2.1. Selbstentfaltung in der Musik
- Ähnlichkeiten zu Freier Software
- Individuelle Motivation
-
Führt bei Musik zu erheblichen Investitionen in Instrumente, Equipment und Ausbildung
- Kreativer Ausdruck
- Individuelle Motivation
- Unterschiede zu Freier Software
- KünstlerInnensubjekt vs. Free-Software-Community
-
Bürgerlicher Kunstbegriff stellt Individuum in den Mittelpunkt
Zweifelhaft, da Neues immer auf gesellschaftlichem Boden entsteht - Patches sind nicht üblich
-
Jedoch: Moderne Musikformen beruhen darauf
Was entspricht bei Musik den Quellen? - MusikerInnen verdienen meist wenig/kein Geld mit Musik!
-
Viele Freie-Software-EntwicklerInnen verdienen auch in diesem Bereich Geld
900 Personen in Großbritannien leben vom Komponieren
Die wenigsten gerieten also in eine Notlage wenn sie weniger Geld für ihre Musik bekämen
- KünstlerInnensubjekt vs. Free-Software-Community
- Fazit: Selbstentfaltung ist Grundlage auch für Musik
2.2. Verwertung in der Musik
- Ähnlichkeiten zu Software
- Digitales Produkt
-
Unterliegt deswegen den Eigenschaften der digitalen Kopie
Insbesondere: Ersetzt Knappheit materieller Träger durch globalen Überfluss - Verstoß gegen Copyright durch "Raubkopien" und P2P
-
Nicht bei Freier Software!
Nicht bei Freier Musik! - Konzerte als Dienstleistung
-
Konzerte sind als Live-Event nicht digitalisierbar
Es gibt viele Dienstleister rund um Freie Software - Etablierte Verwerter
-
Software-Industrie verwertet Software
Musikindustrie verwertet Musik
Verwerter sind nicht identisch mit den Kreativen
- Digitales Produkt
- Unterschiede zu Software
- Privatkopie / Verwertungsgesellschaften
- Nutzungslizenz auf Werkbasis
-
Ist bei Software immer üblich gewesen
War bei Musik unnötig, da Verknappung über die Bindung an Tonträger funktionierte
- Fazit: Verwerter haben ein Problem - nicht die Kreativen
3. DRM, P2P, CC, CF
3.1. DRM (Digital Rights/Restriction Management)
-
Kopierschutz bzw. Abspielverhinderung
- Ziel: Durchsetzung von Verwertungsinteressen mittels Technologie
-
Ist also vor allem im Interesse der Musikindustrie und anderer Verwerter
- Im Rahmen von Marktwirtschaft unproblematisch
-
Verwertungsinteressen müssen in der Marktwirtschaft geschützt werden
- Gerechter als Verwertungsgesellschaften
-
Verwertungsgesellschaften waren in der analogen Ära sinnvoll, da individuelle Abrechnung von Werknutzung dort nicht möglich
DRM kann zielgenauer sein als Messmethoden von Verwertungsgesellschaften
Staat als klassischer Hüter von Verwertungsinteressen nur am Rande im Spiel - Im Rahmen von Marktwirtschaft unproblematisch
- Probleme heutiger DRM-Ansätze
- Tendenziell soll jede einzelne Werknutzung exakt überwacht werden
-
Tiefer Eingriff in die Privatsphäre
BigBrother - Mit TPM wird das Prinzip des Computers massiv beschnitten
-
Seine Stärke ist gerade die universelle digitale Kopie
- Beachten Schrankenregelungen nicht ausreichend
-
Privatkopie, Wissenschaft, Bildung
- Übergabe staatlicher Regulationsmacht auf Unternehmen
-
Mit DRM können sich die Unternehmen ihr eigenes Urheberrecht stricken
Jenseits öffentlicher Kontrolle
- Tendenziell soll jede einzelne Werknutzung exakt überwacht werden
- Fazit: Warum nicht unbedenkliche DRM-Formen?
-
Wäre die marktwirtschaftliche Lösung mit individueller Abrechnung
Apple iTunes zeigt, dass Erfolg damit möglich ist
Vor allem aber: Weitreichende Pläne für Computer
3.2. P2P (Peer to Peer)
-
D.h. "Tausch"börsen wie Kazaa, eDonkey, etc. pp.
- System zur Verschleierung illegaler Kopien
-
Zumindest für Musik wäre es viel einfacher dicke, zentrale Server zu haben
Gibt auch andere Anwendungen für P2P (legale Inhalte, Load-Balancing) - Funktioniert als Distribution, weil Bekanntmachung in anderer Sphäre angesiedelt ist
-
MTV, Radio und Co übernehmen die Bekanntmachung der Produkte der Musikindustrie
Eindeutigkeit, die zum Suchen nötig ist, ist über einfaches Namensschema (Interpret, Titel) gegeben
Fehlt für Freie Musik weitgehend
MTV, Radio und Co könnten dies grundsätzlich ändern - Freie Musik / Freier Content käme ohne P2P aus
-
Distribution und Bekanntmachung ähnlich wie bei Freier Software
Wiki-ähnliche Systeme könnten Publishing für alle zur Verfügung stellen
Netlabels sorgen (schon heute) für Auswahl / Qualitätskontrolle
P2P könnte für bestimmte Anwendungen dennoch sinnvoll sein - Fazit: P2P ist für Freien Content überflüssig
-
Freie Software ist ein gutes Beispiel dafür
Auch hier staunen Marketing-Leute über die Bekanntheit ohne Werbung
Dort wird i.d.R. nicht wirklich getauscht
3.3. CC (CreativeCommons)
- Lizenzen für "Some rights reserved"
- Attribution
- Noncommercial
- No Derivative works
- Share Alike
Copyleft entspricht SA+BY
- Große Bewegung mit gutem "Marketing" (http://creativecommons.org/)
-
Gelten für alle Inhalte
Werden an die nationalen Rechtssysteme angepasst - Noncommercial hilft dem Opus-Magnum-Gedanken
-
"Ich trage gerne etwas bei, wenn es nicht kommerziell (aka entfremdet) genutzt werden kann"
- Fazit: CreativeCommons begünstigen Übertragung der Idee Freier Software
-
Dürfte keine Initiative geben, die dies erfolgreicher betreibt
3.4. CF (Content-Flatrate) / P2P-Steuer
- Abgabe auf Internet-Anschlüsse
- Umverteilung an UrheberInnen von P2P-Inhalten
- Legalisiert damit P2P von Material unter Copyright
- (Neue) Verwertungsgesellschaften als Umverteiler (VG-Online)
-
Verwertungsgesellschaft für Musik ist bisher GEMA
Verwertungsgesellschaft für Text ist bisher VG Wort
Verwertungsgesellschaften entstanden wegen der Unmöglichkeit der individuellen Abrechnung analoger Kopien - Fazit: De facto: Pauschale Steuer für Internetnutzung
-
Muss staatlich durchgesetzt werden
Ist nicht leistungsbezogen
3.5. Zur Kritik der P2P-Steuer (1/2)
-
Hier gäbe es viel zu sagen...
- Zahlreiche praktische Probleme
- Gerechte Aufteilung der erhobenen Gelder?
-
Bei verschiedenen Medien
- Wo sollen die Schranken sein?
-
Jede Web-Seite anmeldbar?
Proprietäre Software?
Tiefer liegendes Problem: Digitale Kopie ist universell - Kommt wie DRM nicht ohne Messungen aus
-
Messungen ohne DRM-Methoden sind immer falsch
- Internationale Nutzung vs. nationale Verwertungsgesellschaft
- Gerechte Aufteilung der erhobenen Gelder?
- Probleme mit der "Kompensation" / Geldversorgung
- Für die UrheberInnen würde sich nichts ändern
-
Zumindest wenn System sich nicht fundamental von GEMA und Co. unterscheidet
Verlage und Verwertungsgesellschaften kassieren trotzdem
Geldversorgung findet bisher schon nicht statt
Fundamentales Problem: UrheberInnen leben in einem hochkonkurrenten Raum, der durch die P2P-Steuer nicht verschwindet - Pauschale Besteuerung ist ungerecht
-
Zusammenhang zwischen allgemeiner Internet-Nutzung und P2P ist viel schwächer als bei CompactCassetten
- Andere Bezahlsysteme wären einfacher und gerechter (Street-Musician-Modell)
-
KonsumentIn bezahlt UrheberIn direkt
Individuelle Abrechnung ist gerechter
- Für die UrheberInnen würde sich nichts ändern
- Fazit: Viele Probleme und wenig Nutzen
3.6. Zur Kritik der P2P-Steuer (2/2)
- Subtile Wirkungen
- Einstieg in die lange befürchtete Kommerzialisierung des Internet
-
Bisher gibt es relativ klare Unterscheidung zwischen Freien und kommerziellen Inhalten
Damit unterlägen tendenziell alle Inhalte der Kommerzialisierung - An Freiheit orientierte UrheberInnen werden geschwächt
-
Nicht wenige MusikerInnen sind für P2P etc.
- Einstieg in die lange befürchtete Kommerzialisierung des Internet
- Fehlanzeigen
- Verhindert DRM nicht
-
DRM ist deswegen ja noch nicht verboten
Besonders pikant: Dies ist ein offizielles Ziel der P2P-Steuer! - Bricht nicht mit der DRM-Logik
-
Stellt nur von individuell auf steuerfinanziert um
- Stärkt Freie Inhalte nicht
-
Es gibt keine "unkompensierten" Inhalte mehr - selbst wenn dies von den UrheberInnen gewünscht ist
Verwischt für KonsumentInnen Unterschied zwischen Freien und restriktiven Gütern
Bewusstsein für Copyright-Problematik wird in der Praxis verhindert ("Ich darf es doch jetzt sogar legal kopieren - was interessiert mich da noch Copyright?")
- Verhindert DRM nicht
- Fazit: Viele grundsätzliche Probleme
4. Alternative Perspektiven
4.1. Utopische Oekonux-Perspektive
-
Wichtig für eine politische Orientierung
- Geldversorgung überflüssig machen
-
Selbstentfaltung als zentralen Grund für Urheberschaft
- Verknappung von Informationsgütern abschaffen
-
Ist nicht materiell begründet
Ist nicht gerechtfertigt, da es keine genialen Informationsgüter gibt - Verwertung ist kein überhistorisches Recht der UrheberInnen
-
So etwas wird gesellschaftlich entschieden und kann sich ändern
Auch die Produktion außerhalb der Zünfte war illegal und dennoch ein Anfang der bürgerlichen Gesellschaft - Qualität ist unter Bedingungen der Selbstentfaltung höher
-
Kein Schielen auf Verwertungsinteresse nötig wenn es kein Verwertungsinteresse gibt
Freie Software hat sich genau wegen dieser Qualität durchgesetzt - Fazit: Langfristig-utopische Perspektive ist klar :-)
-
Einfach aushalten?
4.2. Realpolitische Perspektive
- Wie weit kommt DRM überhaupt?
- Technische Umsetzung schwierig
-
TPM, TCG
Redesign des Computers an sich
Sämtliche Datenströme im Computer(!) müssten überwacht werden - Politische Umsetzung ist begrenzt
-
Privatkopie
- Akzeptanz ist bescheiden
-
Un-CD-Kampagne der c't
Verbreitet fehlendes Unrechtsbewusstsein
Nachvollziehbar, da niemensch etwas weg genommen wird, da Informationsgüter sich durch Kopie vermehren
- Technische Umsetzung schwierig
- Sinnvolles Handeln
- Keine P2P-Steuer
-
Verwischung der Grenzen zwischen alter und neuer Welt ist der beste Weg der Integration einer Keimform!
Setzt durch, was der Musikindustrie nicht gelingen will - Koexistenz von DRM und Freien Inhalten ermöglichen
- Stärkung Freier Lizenzen wie CreativeCommons
- Keine P2P-Steuer
- Fazit: Sinnvolles Handeln scheint möglich
4.3. Reform oder Revolution?
-
Alte Frage für Linke
- P2P-Steuer trägt alle Züge einer sozialdemokratischen Lösung
- Bricht dem Neuen die Spitze ab
- Integriert es in das Alte
- Verhindert eine neue Entwicklung
- Copyright-System ungeeignet für Geldversorgung?
-
Zumindest unter digitalen Bedingungen
Ganz neues System der Geldversorgung für die Kreativen? - Ist Musik / P2P / Musikindustrie so wichtig?
-
Freie Wissenschaft ist für die Produktivkraftentwicklung viel zentraler
- Fazit: Sind wir vielleicht zu ungeduldig?
-
Die Grundlagen für eine fundamentale Veränderung sind da
Aber jede Veränderung braucht Zeit
Diesmal mit echter Substanz