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Re: [ox] begriffe



Hi Pit!

Yesterday Pit Schultz wrote:
vielleicht wuerde es sinn die einzelnen threads aufzuteilen,
was sind unsere haupthematiken? ich weiss es nicht, versuche
nur mal lokal zusammenzufassen:

Ich denke, ich werde deine Punkte fast alle als Illustration in meine
Ankündigungs-Mail nehmen.

historisch-materialistischer ansatz

Nun kann mensch von den ChefideologInnen - ähm TheoretikerInnen des
Kapitalismus natürlich nicht verlangen, daß sie sich um historische
Wahrheit scheren.

Doch das kann man schon und sie tun es ja auch. Wie gesagt, North hat
mit seiner "Neuen Sicht der Wirtschaftsgeschichte" einen historischen
Ansatz in die Neoklassik eingeführt, der Vorwurf an die, wie sagtest Du
"ChefideologInnen", sie seien ahistorisch, ist damit hinfällig.

um eine banale provokante these aufzustellen, der materialismus
marxens haelt mit dem informationszeitalter nicht mit und gehoert
in die mottenkiste der geschichte der industrialisierung.

Well, ich halte nach wie vor Marx'ens Kapitalismusanalyse für äußerst
schlagkräftig und treffend. Muß natürlich weiterentwickelt und
weitergedacht werden - wie es m.E. die Krisis-Leute tun -, aber zur
Beschreibung auch der heutigen Phänomene halte ich das nach wie vor
für sehr relevant.

Nicht zu verwechseln ist das allerdings mit Marxismen irgendwelcher
Provinienz - die haben sich sicher in ihrer Arbeitsfixiertheit genauso
überlebt wie der Kapitalismus selbst. Ganz zu schweigen von der
Geschichtsgewißheit früher sozialdemokratischer oder späterer
Marxismus-Leninismus-Lesart.

Damit ist natürlich aber auch klar, daß sich mit den Kategorien der
Marx'schen Kapitalismusanalyse postkapitalistische Phänomene wie m.E.
Linux nur noch bedingt beschreiben lassen - das ist ja gerade so
spannend ;-) .

das spannende ist dass sowohl informatik wie oekonomie ja groesste
schwierigkeiten haben sich ueberhaupt als "theorie" zu behaupten.
sind es nicht eher eine reihe von "praktiken", erfahrungswerte, die
je sich je ihre grundlagen zusammensuchen um "probleme zu loesen".
vielleicht kann dazu mal jemand aus der akademie was sagen?

Als Informatiker kann ich beitragen, daß es eine Sparte "theoretische
Informatik" gibt. Dort wird schon theoretisch gearbeitet - z.B.
gehören Fragen der Berechenbarkeit (was kann eigentlich alles mit
welchen Mitteln berechnet werden?) in diesen Bereich. Das ist durchaus
nicht unmittelbar praktisch - auch wenn es natürlich in der Praxis
angewandt wird.

dass irrationales verhalten sich wiederum rationalisieren laesst
zeigt ja die boerse,

Den Satz müßtest du mal näher erläutern. Müßte es nicht heißen, daß
rationales Verhalten (hier: Profitmaximierung) zu irrationalen
Ergebnissen (hier: die Kursschwankungen) führt.

Richtiges im Falschen

An dieser Stelle: Schluß mit der Romantik. Die Debatte läuft wohl auf
die Frage hinaus, ob es was Richtiges im Falschen gibt und das denke ich
nicht und dann weiter die Frage, kann sich wenigsten was Richtiges im
Falschen entwickeln und von dort aus beginnen autonom zu wirken?

es ist nichts neues dass der Kapitalismus aehnlich eines Hurricans
in seinem Zentrum sein Gegenteil beinhaltet, z.b. neue Produktionsweisen
entwickelt die ihn an seine eigenen Grenzen bringen und die es gilt
aufs neue zu oekonomisieren. Immer wieder werden damit Produktivitaets
schuebe wirksam, findet eine "Verfluessigung" statt, werden ploetzlich
ineffiziente Bereiche stillgelegt. Der Kapitalismus beruht darauf sein
Kritiker in sich aufzunehmen und dadurch noch staerker zu werden.

Wie wahr. Die Frage ist, ob das auch mit Gnu/Linux geht oder ob das
eben nicht mehr integrierbar ist.

einfach mal Schroeder/Blair fragen...

Was sollten ausgerechnet die beiden dazu sagen können? Nur weil sie
mal Juso waren oder was?

Kapital

Ah, und dann habe ich noch eine Frage: Kann mir mal jemensch
erläutern, was Transaktionskosten sind?

Hm. Also, Transaktionskosten sind kein Geld, sondern "Aufwand". Ganz im
neoklassischen Sinne, in dem es kein Geld (monetär, klimper...) gibt,
sondern nur "Kapital".

super das ist genau die Info die mir fehlte... Grundlagen!
kann das ins glossar?

Klar! Wer führt eins?

Ist GNU/Linux eine Form von Kapital, wenn ja
wem gehoert es?

Fakt ist, daß in jeder einzelnen Gnu/Linux-Kopie Arbeit drinsteckt -
also ist es Kapital. Allerdings wurde die Arbeit nicht ertauscht.
Irgendwie habe ich das Gefühl, daß der Eigentumsbegriff hier einfach
unbrauchbar ist.

Senkung der Transaktionskosten

Transaktionskosten sind umso höher, je schwieriger es ist, ein Gut zu
messen. Normierungen wie die DIN-Norm oder die Etablierung von
Gütesiegeln sorgen daher für niedrige Transaktionskosten.

das ist spannend. den bei Linux liegt ja folgendes vor. es folgt
offenen standards, senkt dadurch eigentlich nach obiger Def. die
transaktionskosten, ABER wie "bemisst" sich der wert von Linux,
free software allgemein? ist es der Wert der Red-Hat plus Suse
Aktie?

Quark!

Wenn ich von Wert rede, dann meine ich den Marx'schen Tauschwert. In
einer normalen kapitalistischen Ware wird dieser Wert mehr oder
weniger durch den in ihr vergegenständlichten Arbeitskraft geprägt
(genauer: durch die durchschnittlich gesellschaftlich notwendige
Arbeitszeit, die ihre Produktion benötigt).

In diesem Wertbegriff hat jede Gnu/Linux-Kopie einen quantifizierbaren
Tauschwert, der letzlich in Geldform die anteiligen
Lebenhaltungskosten der EntwicklerInnen bemißt - allerdings wie
bemerkt nicht beglichen wird.

Davon unterschieden ist der Marx'sche Gebrauchswert, der sich nicht
über die marktförmige Vermittlung herstellt wie der Tauschwert,
sondern der an die konkrete Nützlichkeit eines Objekts gebunden ist -
das nützliche Substrat der Tauschbeziehung praktisch.

Dieser Gebrauchswert ist von der bestehenden Ökonomie erstmal
unabhängig und auch nicht in dem Sinne quantifizierbar wie es der
Tauschwert ist.

Die Überwindung des Kapitalismus muß nun gerade darin bestehen, den
abstrakten, letzlich fetischistischen Tauschwert zu beseitigen und
eine Dominanz des Gebrauchswerts zu erreichen. Und das ist genau das
was Gnu/Linux macht!!


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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