Message 00285 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00241 Message: 13/24 L4 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: GPL-Hardware: Realisierung [ox]



Hi Thomas und Liste!

Super Gedanken!

4 days ago Thomas Uwe Grüttmüller wrote:
o Die Konstruktionspläne weisen alle Eigenschaften von
  Software auf, so daß diese auf die selbe Weise entstehen
  können wie freie Software.

Genau. Hier haben wir praktisch Software - oder Information.

o Dabei sind diese Eigenschaften freier Software zu
  übernehmen: (kosten)freier Zugang und freie
  (ungehinderte) Beteiligung an der Entwicklung

Genau. Das wäre dann das "GPL" an der GPL-Hardware. Wie andernmails
ausgeführt, würde damit de facto die Geheimhaltung abgeschafft und
damit wäre es nicht mehr möglich, privaten Gewinn in irgendeiner Form
alleine aus dem exklusiven Besitz von Wissen zu ziehen. Ein wichtiger
Aspekt.

o Die Hardware sollte soweit wie möglich durch die Anwender
  selbst produziert werden können, damit diese sich am Ent-
  wicklungsprozess beteiligen können.

Dazu gibt es zunächst mal mehrere Möglichkeiten, von denen du
scheinbar nur eine erwähnst: die private Bastelecke. Dazu unten mehr.

Ich könnte mir als Erfüllung dieser Forderung aber auch vorstellen,
daß es mehr oder weniger spezialisierte Produktionsstätten gibt, in
denen relativ frei produziert werden kann. Ich denke, mindestens die
nächsten 50 Jahre Technikgeschichte werden wir in vielen Fällen nicht
an einer Spezialisierung von Produktionsmitteln vorbeikommen. Eine
Fabrik für Kühlschränke dürfte nur sehr schwer Baustoffe herstellen
können - z.B. Hmm... Sage ich mal so ;-) .

o Die Hardware muß gut dokumentiert sein.

Was ja evt. durch die transparente Produktion schon gegeben ist -
zumindest was das technische anbelangt.

o Die Hardware sollte modular aufgebaut sein, wobei die
  Aufgaben der einzelnen Module so trivial wie möglich sein
  sollten.

Das wäre sicher nützlich.

Was ich aber das spannendste an diesem Gedanken finde, ist, daß hier
die Differenz zwischen kapitalistischer und postkapitalistischer /
GPL-Produktionsorganisation im Detail sichtbar wird. Ist ja auch klar:
Ein Produkt, das nicht zur Verwertung hergestellt wird, sondern wegen
seine Gebrauchswerts unterliegt ganz anderen Nützlichkeits- und
Effektivitätserwägungen.

Auf diese Weise würde dann auch ökologisches Denken zu seinem Recht
kommen können und Produkte müßten nicht mehr mit künstlich kurzer
Lebensdauer konzipiert werden.

o Letzter Punkt - und zugleich das größte Problem: Die
  Möglichkeit zur Herstellung und Entwicklung von GPL-
  Hardware in der eigenen Bastelkammer ist zwar meiner
  Meinung nach essenziell, um die freie (ungehinderte)
  Beteiligung an der Entwicklung zu sichern,

Warum hältst du das für so essenziell? Ich finde, daß die
Errungenschaft der Arbeitsteilung, die im Kapitalismus zur Knechtung
der Menschen eingesetzt wird, in einer GPL-Gesellschaft auch mal ihre
wohltuenden Potenzen stärker zum Ausdruck bringen sollte. Ich meine,
ich habe jedenfalls keine Lust, jedes meiner Bedürfnisse buchstäblich
selbst erfüllen zu müssen - auch noch in der eigenen Bastelecke.

Was ich mir vorstellen könnte, wäre z.B. so eine Form, wie es sie
heute z.T. schon für Autos gibt: Werkstätten, in denen erstklassiges
Werkzeug bereitsteht *und* wo Fachleute sind - heute eben bezahlt,
später aus Lust an der Sache -, die gerne mit Rat und Tat zur Seite
stehen. Das wäre dann für die Leute, die selbst gerne schrauben sicher
besser als die eigene Garage mit schlechtem und wenig Werkzeug. Davon
abgesehen wäre eine solche dezentrale Konzentration von
Produktionstechnik auch sehr viel ökologischer, als wenn jedeR
HeimhandwerkerIn ihre eigene Stichsäge im Schrank hat.

Hier sollte mensch vielleicht mal gucken, wie das auf Kuba läuft.
Mindestens von Räumen für Festlichkeiten weiß ich, daß es dort solche
Gemeinschaftseinrichtungen gibt.

Ehrlich gesagt, wenn ich mir diesen Gedanken praktisch vorstelle, sähe
die Welt schon *ganz* anders aus...

  jedoch stößt
  das irgendwann an Grenzen: Bei integrierten Schaltkreisen
  etwa kommt man an den Punkt, wo kollektive Arbeit und
  gemeinschaftlich genutzte Produktionsmittel unerlässlich
  werden, da für den Einzelnen Aufwand und Nutzen in keinem
  Verhältnis stünden.

Wie bemerkt: Ich kann mir auch vorstellen, daß es bei sehr speziellen
Dingen relativ starke Konzentrationen gibt. Es ist in einer
industriellen Produktionsweise, die ich um Himmels willen nicht
aufgeben will, einfach oft zweckmäßiger bestimmte Produktionen zu
konzentrieren. Das ist im Kapitalismus für ganz viele Spezialteile der
absolute Alltag, daß es genau eine Firma weltweit gibt, die die
herstellt. Warum nicht?

  Dabei tritt aber ein neuer Fall ein:
  Während in der bisherigen Betrachtung die eigentliche
  Hardware (z.B. ein in der Bastelkammer nach Plänen aus dem
  Internet gebauter und weiterentwickelter Fernseher) für
  jeden, ausser dem Erbauer selbst, wertlos war, im
  Gegensatz zu seinen GPL-geschützten Konstruktionsplänen,
  taucht bei einer mehr oder weniger volkseigenen
  GPL-Werkstatt die Gefahr der Privatisierung auf. Welche
  Möglichkeiten gibt es daher, das geltende Recht so
  umzubiegen, daß dies nicht möglich ist? (ähnlich wie die
  GPL das für Software und Literatur tut)

Na, das geltende Recht lasse ich hier mal außen vor, da ich denke, daß
wir das sowieso gründlich werden ummodeln müssen. Unser momentanes
Rechtssystem ist ja nur die juristische Hülle *dieses*
Gesellschaftsystems und wird also nicht auf eine GPL-Gesellschaft
passen. Natürlich muß das Erhaltenswerte in etwas Neues einfließen -
klar.

Ich denke, daß deine Sorge hier aber grundsätzlich berechtigt ist. Ich
würde daher in solchen Fällen für eine gesellschaftliche Kontrolle
solcher Einrichtungen plädieren - ohne das hier jetzt auszuführen.

Eine gesellschaftliche Kontrolle wäre sowieso auch an anderen Stellen
angebracht. Dies hängt damit zusammen, daß Interessenskonflikte
zwischen verschiedenen Personengruppen entstehen. Einfaches schnell
hinfabuliertes Beispiel: Die Atomkraft-Fans müssen sich eben von der
Weltbevölkerung sehr wohl sagen lassen, daß ihr lustvolles Tun
gemeingefährlich ist und sie deswegen daran hindern. Konflikte wird es
halt immer geben - aber ich denke, es besteht Anlaß zu der Hoffnung,
daß die Austragungsformen in einer GPL-Gesellschaft menschlichere und
weniger gewalttätige sein könnten als heute.

Oh, jetzt bin ich aber ins Fabulieren gekommen ;-) .


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan

PS: Irgendwie finde ich an diese Liste unter anderem *diese*
Kombination aus Techno-Fuzzis ;-) und utopischen Spinnern ;-)
wahnsinnig produktiv und sehr sympathisch :-) .


---------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00241 Message: 13/24 L4 [In index]
Message 00285 [Homepage] [Navigation]