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Re: [ox] Erste Haelfte Paper GPL-Gesellschaft



Hi Christoph und Liste!

Christoph hatte mir privat geschrieben. Ich quote ihn mit Erlaubnis.

20 days ago Christoph Reuss wrote:
Massenarbeitslosigkeit und Börsenboom
-------------------------------------

Seit Jahren wird immer deutlicher, daß der hohe Sockel an
Arbeitslosigkeit nie mehr wird abgebaut werden können. Stattdessen
wird zunehmend davon ausgegangen, daß die Massenarbeitslosigkeit
weiter steigen wird [6]. Es zeigt sich, daß die Ersetzung menschlicher
Arbeitskraft weiter zügig voran schreitet. [7] Bedenkt man, was durch
den noch stärkeren Einsatz von Computern in großen
Dienstleistungssektoren wie Banken oder Versicherungen [8] noch an
Einsparpotential existiert, so muß vermutet werden, daß wir sogar erst
am Anfang einer Entwicklung stehen. [9]
...
[9] Nach der Theorie ist diese Entwicklung nur zu stoppen, wenn eine
erneute Marktausweitung gelingt, also eine neue, arbeitsintensive und
gleichzeitig für große Massen interessante Ware gefunden wird, wie in
der Mitte des 20. Jahrhunderts das Automobil. Zwar ist eine solche
Ware nicht prinzipiell ausgeschlossen, aber sie ist nicht in Sicht.

Heute sind zwar neue Waren weniger arbeitsintensiv, aber im Vordergrund
stehen neue **(Export-)Märkte** -- Stichwort China und EU-Osterweiterung !
Dort ist doch ein enormes "Wachstumspotential" an arbeitsintensiven Waren
wie z.B. Autos, Strassen, Kraftwerke, Kühlschränke, Kleider, Zigaretten etc.
etc. ...  Gebilde wie EU und WTO werden ja in erster Linie zu diesem Zweck
aufgebaut, um dieses Potential auszuschöpfen (koste es die Umwelt was es
wolle), und so den klassischen Manchester-Kapitalismus zu perpetuieren
und die "Grenzen des Wachstums" zu überschreiten.  8-(

Da würde ich aus zwei Gründen widersprechen.

Einerseits sind diese tollen neuen Exportmärkte bei genauerem Hinsehen
doch völlig uninteressant. Da hausen doch nur arme Schlucker, die sich
unsere tollen Waren in ihrer Mehrheit gar nicht leisten können. Eine
kleine reich gewordene Oberschicht beteiligt sich am westlichen
Luxuskonsum - aber sonst? Das gilt vor allem für Osteuropa / Rußland;
China könnte da ein bißchen anders sein.

Und die Massenkaufkraft könnte ja nur durch eine
(Re-)Industrialisierung kommen, die garantiert nicht kommen wird -
obwohl die kulturell-technischen Voraussetzungen viel besser sind als
für die III. Welt.

Zweierseits sind in deiner Aufzählung einige Produkte, die heute nur
noch wenig Arbeitskraft benötigen - Zigaretten weiß ich und Kleider,
Kühlschränke und Autos dürften ebenfalls dazu gehören.

M.E. wird hier vor allem von politisch interessierter Seite versucht,
genau die Illusion aufzubauen, die du oben vertrittst. In den
konkreten Warenströmen, die nach wie vor in erster Linie *zwischen*
den Metropolenländern stattfinden, schlägt sich das aber praktisch
nicht nieder.

Um aktiv den
Open-Source-Gedanken zu pflegen, folgt hier eine Liste von
Mail-Adressen der Leute, die sich in der Oekonux-Mailing-Liste bereits
zu Wort gemeldet haben:

Ähem...  wem -- ausser Spammern -- nützt diese Adressen-Publikation..?

Spammern bringt sie keinen Mehrwert. Die könnten die Adressen ohnehin
aus dem Web-Archiv fischen.

Mir war es wichtig. Ich wollte einfach die Leute würdigen, die hier
mitwirken (da habe ich übrigens auch die Formulierung inzwischen
geändert). Das ist mir wirklich wichtig, weil ohne sie diese ganze
Entwicklung des Projekts nicht so und vor allem nicht so schnell
stattgefunden hätte.

Ich habe noch über die Form nachgedacht - Klarnamen wären z.B. auch
möglich gewesen. Aber ich dachte, daß das zu viele Leute stören
könnte, weswegen ich dann die eMail-Adressen genommen habe.

RunLevel                           Bedeutung
.................................. ..................................
6                                  System wird heruntergefahren und
neu gestartet
...
init 6: Die GPL-Gesellschaft
============================

Tja, hoffen wir, dass es beim "herunterfahren und neu starten" keinen
Total-Absturz gibt...  ;-}

Yep ;-) .

Deine Analogie hinkt insofern, als bei der Gesellschafts-Änderung
 - das heruntergefahrene System ein anderes ist als das neu zu startende.
   D.h. hier muss nicht nur "heruntergefahren und neu gestartet" werden,
   sondern dazwischen auch de- und neu-installiert werden.

Na ja, ein anderes Betriebssystem kann ja schon installiert sein.

 - eine Gesellschaft (im Gegensatz zu einem Computer) nie stillstehen kann:
   Zu viele "Programme" laufen da permanent (Lebensmittelversorgung etc.).
   Die korrekte Analogie wäre also, Windoofs zu de-installieren und Linux
   zu installieren, *während* ein Textverarbeitungsprogramm o.Ä. läuft.
   Das crasht nicht nur bei M$-Word. ;-/

Ok, die Analogie hinkt ;-) .

Obwohl das gute alte Multics so etwas wohl konnte - wenn ich mich
recht an die Vorlesung erinnere. Das war quasi ein
Meta-Betriebssystem.

Die Chancen für solche GPL-Produkte stehen dabei gar nicht so
schlecht. Schon heute sind - durch den Kapitalismus - die
Produktionsmittel so weit entwickelt, daß menschliche Arbeitskraft
einerseits zunehmend überflüssig wird und sich andererseits immer mehr
von stupiden, monotonen Tätigkeiten auf wissenschaftliche,
künstlerische Felder verlagert.

Die Frage ist doch:  Gibt es genug Leute, die bei dieser Umlagerung mithalten
können ?  Nicht nur durch Umweltgifte, sondern auch durch die allgegenwärtige
"Volksverdummung" ist es doch so, dass die Intelligenz allgemein sinkt, nicht
steigt.  Die Umlagerung müsste also in die umgekehrte Richtung gehen, damit
möglichst viele Leute "ihren Fähigkeiten entsprechend" beschäftigt bleiben
können...

Die Hauptursache der steigenden Arbeitslosigkeit ist doch nicht, dass es
immer weniger Arbeit gibt (so ist es nämlich garnicht), sondern dass die
benötigten Qualifikationen immer weniger mit den real vorhandenen
Qualifikationen der Menschen übereinstimmen (offene Stellen sind
überqualifiziert, Arbeitslose sind unterqualifiziert).

Ich möchte mich hier nicht über die Quantifizierung streiten -
insbesondere weil ich die Verhältnisse bei euch in der Schweiz nicht
genügend kenne. Qualitativ hast du aber auf jeden Fall recht - guter
Punkt.

In Deutschland gibt's nach Schröders famoser GreenCard-Initiative
dafür übrigens auch deutlich mehr (öffentliches) Bewußtsein.

Das wäre glatt noch ein eigenes Thema wert: Wie werden die Leute an
die Tätigkeiten herangeführt (bzw. führen sich selbst heran), die sie
in der GPL-Gesellschaft mit Lust ausführen sollen - wenn ich mal im
Rahmen des Papers denke. Ich notier's mal.

[20] Viele freie Software-Projekte haben ihre Wurzel sogar darin, daß
ein einzelner Mensch ein ganz konkretes Problem lösen wollte, es für
sich getan hat und sich seine Lösung auch für andere als nützlich
erwiesen hat.

Dasselbe gilt aber auch für viele $hareware-Projekte -- warum soll der
Programmierer auf seinen Lohn verzichten ?  (Selbstverwirklichung ist ja
auch bei Shareware gegeben..)

Na, ich bin da skeptisch ob das (in Deutschland) wirklich so
funktioniert. Wir hatten diese Debatte in der Liste meine ich auch
schon mal - oder das bei WOS? Die Frage mal in die Runde: Kennt
irgendjemensch Shareware, bei der das "Share" wirklich funktioniert
hat? Bei der also wirklich nennenswert viele Leute einen finanziellen
Beitrag geleistet haben?

Anders gedreht stellt sich natürlich die Frage, was Shareware
eigentlich von einer normalen Ware unterscheidet. Das Vertriebsmodell
ist halt ein bißchen anders - aber die Suchmaschinen bieten ihre
Leistungen auch kostenlos an.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


---------------------
http://www.oekonux.de/



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