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Re: [ox] Drittes Viertel Paper GPL-Gesellschaft



Hallo Bernd,

Du schreibst:



On Fri, 31 Mar 2000, Stefan Merten wrote:

...

Ich versuch's mal so. Ich bin ja schon länger im politischen Raum
tätig. Und hier an der (sehr technischen) Uni in Kaiserslautern gab es
vor allem zwei Fachbereiche, die mir in diesem politischen Raum
begegnet sind: Raum- und UmweltplanerInnen (teils auch ArchitektInnen)
und InformatikerInnen. Und daß, obwohl es stärkere und gleichstarke
Fachbereiche als die Informatik gibt. Hier die Frage in die Runde:
Gibt es bei euch ähnliche Beobachtungen oder würdet ihr das ganz
anders sehen?



Bei uns an der Uni Heidelberg war es genauso: Unsere linke/marxistische
Uni-Gruppe (mit regelmaessigen Theory Sitzungen) wurde zu mehr als 50%
von Naturwissentschaftlern (Physik,Chemie,Mathe,Computerlinguistik,Bio)
getragen, obwohl die Geisteswissentschaftler die Mehrheit an der
alt-"ehrwuerdigen" Uni stellen. Ich glaube das liegt nicht nur an den
besonderen analytischen Faehigkeiten der Naturwissenschaftler/Techniker,
sondern vorallem an den unterschiedlichen Stellungen/Aufgaben
innerhalb des Produktionsprozesses (den sie spaeter im Beruf innehaben
werden).
Die Naturwissentschaftler/Techniker haben notwendigerweise mehr den
Gebrauchswert im Auge waehrend des Produktionsablaufs. Sie sind
verantwortlich dafuer ob das Produkt technisch brauchbar ist.

Die Geisteswissentschaftler werden sich im spaeteren Beruf eher mit
dem Verkauf/Vertrieb oder boese formuliert mit der Anpreisung der Produkte
beschaeftigen.

Waehrend die Naturwissentschaftler/Techniker nicht unbedingt auf den
Kapitalismus angwiesen sind um ihrem Talent/Interesse (d.h. ihrem Beruf)
nachzugehen, sind es die Leute von der VWL/BWL/Politik (und andere) schon
eher: Es ist wird ihr Beruf sein, die bestehenden Produktionsverhaeltnisse
und die zugehoerigen Denkweisen zu reproduzieren.

Diese unterschiedlichen objektiven Bedingungen der beiden Berufsgruppen
fuehrt wahrscheinlich auch zu einer anderen Geissteshaltung.


Hoffentlich klingt das nicht zu deterministisch,

						Gruesse Bernd


Als ich in den 70ern studiert hab, wars noch genau umgekehrt.  Linke
Politik, kritisches Bewußtsein usw spielten sich fast nur bei
Geisteswissenschaften ab ( Philosophie, Pädagogik, Soziologie,
Psychologie...). Die Naturwissenschaftler waren damals unpolitisch und
karierrebewußt. Mich hat das damals dazu bewegt, nicht Physik und Mathe
zu studieren, wie es meine Schulnoten nahelegten, sondern Pädagogik und
Soziologie, weil da einfach spannendere Leute und Themen waren.
Beruflich hab ich dann zwar nie etwas in die Richtung gemacht und bin
doch bei der (Computer-)Technik hängengeblieben, aber für
meine persönliche und politische Entwicklung war es sehr wichtig.

Inzwischen scheinen zwei gegenläufige Entwicklungen gelaufen zu sein,
der Niedergang der Geistes- und Sozialwissenschaften einerseits und
das politische Erwachen von Technik und	Naturwissenschaften andererseits.

Haben sich die "objektiven Bedingungen" so sehr umgedreht ? Oder spielen
da nicht auch andere Faktoren mit rein, die sich nicht so einfach auf
Berufsaussichten reduzieren lassen. Bei mir und vielen meiner damaligen
Mitstudierenden	war der Beruf etwas, was in weiter Ferne liegt. Ist bei
den heutigen StudentInnen das Berufsziel wirklich so dominant geworden,
daß damit alle Entscheidungen erklärt werden können?

Gruß,
	Jobst
*******	Macht den Standort zum Widerstandort ! ********
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