Re: [ox] das Wesen des Menschen
- From: PILCH Hartmut <phm a2e.de>
- Date: Sun, 15 Oct 2000 13:37:49 +0200 (CEST)
Als Beispiel: Nimm ein Mitglied eines bislang "unentdeckt" gebliebenen
Stammes aus dem Amazonas-Urwald und einen New Yorker Yuppie. Beides
unzweifelhaft Menschen. Was bleibt da noch an Gemeinsamkeiten? Meine
These: Das ist nahe bei Null. Sogar biologische Grundfunktionen wie
die Nahrungsaufnahme sind kulturell überformt.
Vermutlich wird dieser Urwald-Indianer in kuerzester Zeit Coca-Cola
trinken, Fernsehen gucken und den Grossteil unserer
Zivilisationsgewohnheiten annehmen, wenn er ihnen nur recht kurze Zeit
ausgesetzt waere. So geht es jedenfalls den meisten "anderen Kulturen",
die man heute noch auftreiben kann.
Die Menschen, die ihr Handeln weitgehend durchreflektiert haben, sind sich
ueber Kulturen hinweg sehr nahe. Das merkt man etwa beim Lesen einiger
sehr fein geschliffenen Dynastiegeschichten des alten China. Dort ist
zwischen den Zeilen fast alles gesagt, was es ueber menschliche
Gesellschaft zu sagen gibt. Eine intellektuelle Weltelite formt sich
sofort, wenn die physischen Schranken weg sind.
Bei den weniger fein geschliffenen Menschen hingegen setzt sich die
Coca-Cola-Kultur des Westens in Kuerze mit Wucht ueber alles hinweg, was
es noch an Unterschieden gibt.
Nein, Stefan, leider ueberschaetzt du sehr den Anteil der Kultur am
Menschen. Das ist m.E. eine obere Deckschicht von <5%.
Waere es nicht so, so waere es auch ganz unverantwortlich,
Auslaenderfreundlichkeit zu predigen.
Genau. Und das obige Beispiel zeigt m.E. schon deutlich in die
Richtung, daß das Basiswesen de facto uninteressant ist, weil die
Kultur (nahezu) alles so stark überformt, daß nur noch die Sinn macht.
Diametral umgekehrt: das Kulturwesen ist de facto uninteressant.
Was ich als Kulturwissenschaftler mit einiger Traurigkeit sage.
-phm
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