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Re: [ox] Kritik



Hallo allerseits

In einer eMail vom 14.11.00 22:50:48 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
sabine.nuss freenet.de:

Jetzt frage ich mich ernsthaft, welche Gesetze in der Welt des 
 auf elektronische Daten gebannten Wissens sollen nun so 
 bahnbrechend anders sein? Wieso soll in der Produktion von 
 Freier Software ein größeres emanzipatorisches Potential liegen, 
 als in der Produktion von materiellen Gütern, wenn beide 
 miteinander ein Ganzes bilden und ich hier mal proklamiere, dass 
 man von der materiellen Welt eben nicht so einfach abstrahieren 
 kann? 

Aus meiner Sicht stellt sich das so da: 

Der entscheidende Unterschied ist der, dass in digitalisierter Form 
elektronisch gespeicherte Informationsprodukte heutzutage mit minimalem 
materiellen und Arbeitsaufwand vervielfältigt und verbreitet und dann überall 
und von allen, die über die dazu notwendige technische Ausstattung und 
Qualifikation verfügen (diese Einschränkungen finde ich dabei aber wichtig), 
genutzt werden können. Dies gilt für materielle Produkte nicht und bietet ein 
enormes Potential für die Erweiterung und Verbreitung gesellschaftlich zur 
Verfügung stehenden Wissens und die Steigerung der Produktivkraft der 
gesellschaftlichen Arbeit. 

Da und soweit die kapitalistische Monopolisierung und Verwertung von 
Eigentumsrechten an Informationsprodukten dies behindert und insoweit eine 
Schranke für die Entwicklung der Gesellschaft darstellt, ergibt sich daraus 
das Bedürfnis vieler, diese Schranke zu überwinden. Daran kann 
antikapitalistische Bewegung anknüpfen. Die ProduzentInnen und NutzerInnen 
Freier Software umgehen diese Beschränkung von vornherein und leisten damit 
wichtige Beiträge, den Nutzen und die Möglichkeit der Beseitigung dieser 
Schranke gesellschaftlich zu demonstrieren und darüber hinaus (das ist m.E. 
das Spezifikum von Oekonux) den Blick auf die Frage zu richten, inwieweit 
nicht auch darüber hinaus in der Ökonomie und Gesellschaft die Überwindung 
kapitalistischer Produktions- und Herrschaftsverhältnisse möglich und 
erforderlich wäre. Insoweit haben sie eine ähnliche Rolle wie es in der 
Geschichte der Linken Genossenschafts- und andere Gemeinwirtschafts- oder 
selbstverwaltete Projekte und zu Beginn sogar die Sowjetunion als realisierte 
Alternative zum Kapitalismus hatten. Allerdings, und das ist wieder ein 
Unterschied, auf dem modernsten Sektor der Produktivkraftentwicklung und ohne 
viele der Probleme der genannten Beispiele. Aber m.E. ebenso wenig wie diese 
mit der Potenz, aus der Dynamik ihrer eigenen Entwicklung und 
Beispielhaftigkeit heraus den Nieder- und Untergang  des Kapitalismus 
herbeizuführen.

Hier ist dann m.E. die Schnittstelle zur allgemeinen Diskussion von 
SozialistInnen, AnarchistInnen usw. über die Notwendigkeiten, Möglichkeiten, 
Perspektiven und Strategien einer Überwindung des Kapitalismus. Auf diesem 
Feld ist der Oekonux-Diskurs m.E. weitgehend gekennzeichnet durch große 
Illusionen und erhebliche Ignoranz gegenüber den bisherigen Erkenntnissen, 
Diskussionen und historischen Erfahrungen auf diesem Feld. Oekonux hat hier 
wichtige Beiträge einzubringen, aber es wäre m.E. völlig verfehlt, es als DIE 
LÖSUNG zu betrachten, sondern es muss ein beidseitiger Lern- und 
Diskussionsprozess stattfinden. Das wäre meine Zielsetzung in Bezug auf den 
Oekonux-Kongress. 

Übrigens ist diese Diskussion m.E. auch schon in Bezug auf eine andere, 
nichtkapitalistische gesellschaftliche Organisation des Umgangs mit 
Informationsprodukten im Sinne von Reformalternativen noch im Rahmen des 
Kapitalismus notwendig. Dabei ist wichtig, nicht schlicht von sich auf andere 
zu schließen, wie es mir hier bei vielen Beiträgen erscheint, sondern nach 
der gesellschaftlichen Verallgemeinerungsfähigkeit und sozialen Basis von 
Alternativen zu fragen. Deshalb auch meine Beiträge zum notwendigen Entgelt 
für UrheberInnen und wie das auch auf Basis digitalisierter Form ihrer 
Produkte umzusetzen wäre.

Sozialistische Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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