Re: [ox] Kritik
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Wed, 15 Nov 2000 08:35:14 EST
Hallo allerseits
In einer eMail vom 14.11.00 22:50:48 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
sabine.nuss freenet.de:
Jetzt frage ich mich ernsthaft, welche Gesetze in der Welt des
auf elektronische Daten gebannten Wissens sollen nun so
bahnbrechend anders sein? Wieso soll in der Produktion von
Freier Software ein größeres emanzipatorisches Potential liegen,
als in der Produktion von materiellen Gütern, wenn beide
miteinander ein Ganzes bilden und ich hier mal proklamiere, dass
man von der materiellen Welt eben nicht so einfach abstrahieren
kann?
Aus meiner Sicht stellt sich das so da:
Der entscheidende Unterschied ist der, dass in digitalisierter Form
elektronisch gespeicherte Informationsprodukte heutzutage mit minimalem
materiellen und Arbeitsaufwand vervielfältigt und verbreitet und dann überall
und von allen, die über die dazu notwendige technische Ausstattung und
Qualifikation verfügen (diese Einschränkungen finde ich dabei aber wichtig),
genutzt werden können. Dies gilt für materielle Produkte nicht und bietet ein
enormes Potential für die Erweiterung und Verbreitung gesellschaftlich zur
Verfügung stehenden Wissens und die Steigerung der Produktivkraft der
gesellschaftlichen Arbeit.
Da und soweit die kapitalistische Monopolisierung und Verwertung von
Eigentumsrechten an Informationsprodukten dies behindert und insoweit eine
Schranke für die Entwicklung der Gesellschaft darstellt, ergibt sich daraus
das Bedürfnis vieler, diese Schranke zu überwinden. Daran kann
antikapitalistische Bewegung anknüpfen. Die ProduzentInnen und NutzerInnen
Freier Software umgehen diese Beschränkung von vornherein und leisten damit
wichtige Beiträge, den Nutzen und die Möglichkeit der Beseitigung dieser
Schranke gesellschaftlich zu demonstrieren und darüber hinaus (das ist m.E.
das Spezifikum von Oekonux) den Blick auf die Frage zu richten, inwieweit
nicht auch darüber hinaus in der Ökonomie und Gesellschaft die Überwindung
kapitalistischer Produktions- und Herrschaftsverhältnisse möglich und
erforderlich wäre. Insoweit haben sie eine ähnliche Rolle wie es in der
Geschichte der Linken Genossenschafts- und andere Gemeinwirtschafts- oder
selbstverwaltete Projekte und zu Beginn sogar die Sowjetunion als realisierte
Alternative zum Kapitalismus hatten. Allerdings, und das ist wieder ein
Unterschied, auf dem modernsten Sektor der Produktivkraftentwicklung und ohne
viele der Probleme der genannten Beispiele. Aber m.E. ebenso wenig wie diese
mit der Potenz, aus der Dynamik ihrer eigenen Entwicklung und
Beispielhaftigkeit heraus den Nieder- und Untergang des Kapitalismus
herbeizuführen.
Hier ist dann m.E. die Schnittstelle zur allgemeinen Diskussion von
SozialistInnen, AnarchistInnen usw. über die Notwendigkeiten, Möglichkeiten,
Perspektiven und Strategien einer Überwindung des Kapitalismus. Auf diesem
Feld ist der Oekonux-Diskurs m.E. weitgehend gekennzeichnet durch große
Illusionen und erhebliche Ignoranz gegenüber den bisherigen Erkenntnissen,
Diskussionen und historischen Erfahrungen auf diesem Feld. Oekonux hat hier
wichtige Beiträge einzubringen, aber es wäre m.E. völlig verfehlt, es als DIE
LÖSUNG zu betrachten, sondern es muss ein beidseitiger Lern- und
Diskussionsprozess stattfinden. Das wäre meine Zielsetzung in Bezug auf den
Oekonux-Kongress.
Übrigens ist diese Diskussion m.E. auch schon in Bezug auf eine andere,
nichtkapitalistische gesellschaftliche Organisation des Umgangs mit
Informationsprodukten im Sinne von Reformalternativen noch im Rahmen des
Kapitalismus notwendig. Dabei ist wichtig, nicht schlicht von sich auf andere
zu schließen, wie es mir hier bei vielen Beiträgen erscheint, sondern nach
der gesellschaftlichen Verallgemeinerungsfähigkeit und sozialen Basis von
Alternativen zu fragen. Deshalb auch meine Beiträge zum notwendigen Entgelt
für UrheberInnen und wie das auch auf Basis digitalisierter Form ihrer
Produkte umzusetzen wäre.
Sozialistische Grüße
Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
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