Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Wertkritik in der Informationsgesellschaft
- From: "rhizom 00" <rhizom00 hotmail.com>
- Date: Sun, 03 Dec 2000 03:33:22 +0100
"Um zu akkumulieren, > muss man einen Teil des Mehrprodukts in Kapital
verwanden. [...] der > Mehrwert ist >nur deshalb in Kapital verwandelbar,
weil das Mehrprodukt, > dessen Wert er ist, bereits die SACHLICHEN
>Bestandteile eines neuen Kapitals > enthaelt" (MEW 23, S. 606f).
Das ist nicht die entscheidende Stelle im Zitat. Wesentlich sind vor allem
die ?sachlichen Bestandteile des Kapitals", was wiederum einen Hinweis
darauf gibt, dass Marx tatsaechlich von der Notwendigkeit einer materiellen
Basis der Akkumulation ausgeht.
Die Produktion von Massensoftware ist produktive Arbeit, da herrscht ja
grundsaetzlich einig. Aber ich sage halt nicht klassisch G-W..P..W?-G?,
sondern Einheit von materieller und immaterieller Arbeit, also eine
wesentliche Veraenderung des Schemas der erweiterten Reproduktion.
Die Zitate haben zeigen sollen, dass Marx eine vorwiegend materielle
Oekonomie analysierte und kritisierte. Heute ist der immaterielle Bereich
immer bedeutender, daher ist das Schema der erweiterten Reproduktion nur
mehr eingeschraenkt anwendbar.
Du sagst aber quasi, dass es sogar auf den Grossteil der Dienstleistungen
anwendbar ist. Das denke ich ganz und gar nicht. Wenn, dann muss es dafuer
veraendert werden. Ausserdem sind nicht alle Dienstleistungen produktiv.
Herstellung von Individualsoftware z.B. nicht, und da scheiden sich halt die
Geister. Das moechte ich jetzt auch so stehen lassen. Dass es auch bei Marx
um die Akkumulierbarkeit eines Outputs gegangen ist, habe ich darzustellen
versucht. Da Du anscheinend das Schema der erweiterten Reproduktion
unveraendert uebernehmen willst (ich will das nicht), muesstest Du auch dies
beruecksichtigen.
Ein grundsaetzliches Problem, das ich da sehe, ist, dass Du davon ausgehst,
dass es genuegend wertschaffende Arbeit gibt und dass der Kapitalismus
relativ stabil ist. Ist er aber nicht, denn der Widerspruch von lebendiger
und toter Arbeit, die Ersetzung der ersten durch die zweite, muss dazu
fuehren, dass die Basis der Wertproduktion abschmilzt, was sich krisenhaft
aeussern muss. Und zur Verabschiedung der Krisentheorie passt dann eben auch
das Hochjubeln des Staates als angeblich potentieller neokeynesianischer
Stabilisator.
Das kapitalistische Weltsystem ist offensichtlich in einer
polit-oekonomischen, sozialen und oekologischen Dauerkrise. Wo kommt die
aber Deiner Ansicht nach her? Oder gibt es sie nicht? Hier geht es sehr wohl
im die Aeusserung konkreter Widersprueche des Kapitalismus. Widersprueche,
die nicht stabilisiert werden koennen, da sie strukturell sind. Will sie
jemand kurzfristig stabilisieren (z.B. neokeynesianisch), so ist das
eigentlich ein ziemlicher Zynismus, der mit Menschenleben spielt.
Sicherlich laesst es sich in einem Neokeynesianismus fuer einen Teil der
Weltbevoelkerung kurzfristig besser leben als jetzt. Aber eben nur fuer
einen Teil. Und darum geht es nicht, es geht darum, dass der Kapitalismus
notwendigerweise die Akkumulation von Armut auf einem Pol mit sich bringt.
Und das war auch im Keynesianismus nicht anders. Und wenn dann entgegnet
wird, dass der Lebensstandard in den westlichen Metropolen hoeher war, dann
ist das kurzsichtig und fast schon nationalistisch-borniert. Es geht um
einen globalen Wohlstand fuer alle. Um nichts weniger. Und Kapitalismus ist
das Gegenteil davon. Inklusive jeder Regulationsweise des Kapitalismus.
Ich sehe das schon so, dass die Frage von Krisen- und Staatstheorie eng
verknuepft ist. Vielleicht ist dies in der ersten diesbzgl.en Mail zu wenig
deutlich geworden, da du gemeint hast, das sei ein anderes Thema.
Dass Neokeynesianismus auch einen sozialistischen Anspruch haben kann,
bestreite ich nicht, es geht mir aber um eine andere Form des Primats der
Politik ueber die Oekonomie. Obwohl mir auch schon aufgefallen ist, dass
sowohl Neokeynesianismus als auch die von mir vertretene Form der
Veraenderung gemeinsam haben, dass beide eine Umkehr der
Dominanzverhaeltnisse im Sinn der Herstellung einer Dominanz der Politik
(Politik sehr allgemein verstanden als Muster und Prozeß der
Entscheidungsfindung und der Veraenderung bestehender Muster, was nicht nur
staatliche Politik umfaßt) über die Oekonomie vertreten.
CF
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