[ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Mon, 4 Dec 2000 13:09:57 +0100 (MET)
Uli Leicht schrieb in seiner langen und sehr interessanten mail vom 25
Nov u.a.
Bei uns ist es nicht ganz so schlimm. Wir produzieren zu 80 % nur
den Müll von Prospekten und anderen Akzidenzien, die nach
einmaligen Lesen oder direkt im Papierkorb landen und deren Nutzen
wesentlich darin besteht, die rapide wachsende Müllentsorgungs- und
verwertungsindustrie am Laufen zu halten. Allerdings wird dadurch
keine Kapitalakkumalation angeschoben, obwohl der einzelene
Arbeitsprozeß eines Müllwerkers auch ein mehrwertschöpfender zu
sein scheint, sondern ein immer größerer Teil der
gesamtgesellschaftlichen Mehrwertschöpfung für den wachsende Anteil
der unproduktiven Gemeinkosten für die gefährlichen und Leben
bedrohenden Folgen, Schäden und Abfälle der kapitalistischen
Verwertungsmaschienerie aufgebracht. Und ich glaube, auch in
unseren fraglos industriellen Druckbetrieben findet vorwiegend
keine substantiell produktive Arbeit, gesamtgesellschaftliche
Mehrwertschöpfung statt.
Wie heißt es da so schön bei Robert Kurz: "Die Menschheit ist damit
konfrontiert, daß sie durch die selbstgeschaffenen Produktivkräfte
hinter ihrem Rücken auf der inhaltlich-stofflichen und 'technischen'
Ebene kommunistisch vergesellschaftet wurde. Dieser objektive Zustand
ist mit den konträren Subjektformen an der gesellschaftlichen
Oberfläche unvereinbar. Der vermeintlich gescheiterte Kommunismus, mit
dem die Zusammenbruchsgesellschaften nachholender Modernisierung
verwechselt wurden, ist weder Utopie noch ein fernes, nie zu
erreichendes Ziel weit jenseits der Realität, sondern er ist schon da,
er ist das Allernächstliegende in der Wirklichkeit selbst, freilich in
verkehrter negativer Form innerhalb der kapitalistischen Hülle des
warenproduzierenden Weltsystems: nämlich als verkehrter Kommunismus
der Sachen, als globale Vernetzung des Inhalts der menschlichen
Reproduktion; gesteuert jedoch durch die blinde und tautologische
Selbstbewegungsstruktur des Geldes, die keinerlei sinnlicher
Bedürfnislogik folgen kann... (R. Kurz: Der Kollaps der
Modernisierung, S. 289)
Anders: Der kausale Horizont der Vergesellschaftungsmechanismen ist
schlichtweg zu eng für heutige technologische und gesellschaftliche
Erfordernisse. Ich sehe allerdings auch im bisherigen Oekonux-Konzept
keine Ansätze, die diese Dimensionen deutlich werden lassen. "Spaß
haben" ist eine ebenso "blinde" Steuerkraft.
Zur tendenziell fallenden (oder nicht) Profitrate schreibt Uli Leicht
dann noch
Die Gewinnsteigerung ist in diesem Fall gar kein Zeichen von Stärke
des Kapitals, sie basiert nämlich nicht auf einer gestiegen Wert-
oder Mehrwertschöpfung, sondern wesentlich schlicht aus einer
staatlichen Profitraten-Subvention per drastischer
Steuerentlastungen nie dagewesenen Ausmaßes. Der Preis ist
volkswirtschaftlich wiederum hoch, eine Staatsverschuldung nie
gekannter Höhe. Die Wachstumsraten des Volkseinkommens
(Unternehmergewinne und Lohneinkommen), aus denen der Staat seine
Steuern bezieht, haben sich seit 1970 bis 1997 von 8,3 auf 4,1 %
halbiert. Um dem langfristigen Fall der Profitraten
entgegenzusteuern ist die Steuerlast für Unternehmen von
gleichbleibend ca 21 % für die Jahre von 1960 bis 1980 auf heute
nahezu nur noch 8 % heruntergeschraubt worden. Selbst die Gewinne
sind in Zeiten, da der Kapitalismus an seine endlichen Schranken
stößt, nicht mehr das, was sie einmal waren, Resultat
galoppierender Wertschöpfung und Kapitalakkumulation, sondern
galopperender Verschuldung. Ob das noch 30 Jahre gutgeht? Wir
sollten und darauf einrichten, das dem nicht so ist.
Dieses zentrale Motiv neoliberaler Standortlogik, die den gesamten
Infrastrukturbereich zunehmend trocken legt, kann man gar nicht oft
genug betonen. Volle Zustimmung !! Das tangiert allerdings auch die
"Springquellen", aus denen die Leute finanziert werden, die heute FS
schreiben.
--
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Gert Gräbe
_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de
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