[ox] GPL-Gesellschaft und Dritte Welt
- From: "Franz J. Nahrada" <f.nahrada magnet.at>
- Date: Mon, 04 Dec 2000 11:48:34 +0100
liste oekonux.de (Horst) schreibt:
Die "nahezu menschenfreie (industrielle) Produktion" mittels
"Universalmaschinen", die dann "computergesteuert mehr oder weniger
beliebige
Werkstücke herstellen können" ist in den am weitesten entwickelten
Ländern
ziemlich sicher eine realisierbare Noch-Utopie. Aber der Eurozentrismus
lauert! Was ich für sehr wichtig halte für einen Erfolg einer globalen
(!!!)
GPL-Bewegung, ist die Unterschiedlichkeit des Bildungsstandes der
Menschen
und der Produktionsweisen in aller Welt. Dabei halte ich es für durchaus
möglich und auch für von vorneherein anzustreben, daß in einer nicht
warenförmig produzierenden Bewegung (einer Abkopplungsbewegung) auch auf
niedrigem Rationalisierungs-Niveau von leibhaftigen Menschen produziert
werden kann (z.B. in so paradiesisch fruchtbaren Ländern wie Uganda und
Burundi oder von einer so gebildeten Bevölkerung wie der jugoslavischen
oder
russischen), denn das Diktat der gesellschaftlich durchdchnittlichen
Produktivität, durch die diese Menschen jeder HANDLUNGSFÄHIGKEIT beraubt
sind, ist ja NICHT GÜLTIG in dieser Bewegung. Dies ist ein absolut
menschenunwürdiger Zustand, wie ich finde und sofort und auch ohne
Automatisierung materieller Produktion aufhebbar, es sei denn diese alles
kopierenden "Universalmaschinen" werden genau so schnell genau so billig
wie
Computer.
Goldene Worte. Es ist nur keine Akkumulation von Ressourcen im Sinn
eines regionalen Produktionskreislaufs möglich, weil ständig
zahlungsfähige Interessen dazwischenfunken mit:
- Aufkauf der Länder, Rohmaterialien etc.
- Aufkauf der Arbeitskraft so nützlich und qualifiziert
- Überflutung lokaler Absatzmärkte mit Industriewaren, die nicht einmal
wirklich besser sein müssen, es ist einfach chic Gummi statt Leder zu
verwenden
etc. etc.
Dennoch halte ich die Perspektive lokaler Subsistenzzyklen mittlerweile für
machbar, denn die globale Überproduktion gemessen an den immanenten
Akkumulationsfähigkeiten des Werts läßt immer mehr hoffnungslose
Ruinenfelder zurück. M. Ghandhi war in dieser Beziehung ein ziemlich
genialer
Politiker, der um die zerstörerische Kraft der Globalisierung genau
Bescheid wußte
und dagegen die Abkopplung von der gesellschaftlich durchschnittlichen
Produktivität als bewußten politischen Imperatuiv setzte.
Aber die Perspektiven der Mikro - Automatisierung sind viel spannender
für die dritte Welt, und nur sie können eine wirklich offensive und nicht
bloß abschottende Strategie begleiten.
Das wirtschaftliche Interesse, diese Universalmaschinen zu produzieren
und zu distribuieren, muß herausgearbeitet werden.
Entweder es ist:
- der residuale gemeinwirtschaftliche oder genossenschaftliche Sektor,
der sich gegen seine drohende Auslöschung wehrt, indem er sich zu
virtuellen Genossenschaften erweitert
- eine Industriefraktion, die der drohenden Monopolisierung durch
Softwarelizenseure entkommen will (analog zur Förderung von Linux
durch IBM etc.)
- ein Prosumentennetzwerk, das sich frei und neu konstituiert und
die Initiative setzt (wie OSCar), wobei die Wurzeln oft im universi-
tären oder Wissenschaftsbereich liegen (hier in Wien gibts z.B.
eine sehr aktive Appropriate Technology Gruppe an der TU, eine
ähnliche habe ich seinerzeit in Sydney kennengelernt)
- ein politisch gefördertes Projekt Europas vor dem Hintergrund des
Kampfes um imperialistische Einflußsphären (ist schon defensiv, aber
beim Zustand der europäischen Softwareindustrie durchaus eine realistische
Option)
- ein regigiös oder humanistisch motiviertes Hilfsprojekt (so wie ort.org
oder NGOs)
- Internationale Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, vor
allem im Umkreis der UNO.
Hier Koalitionen zu schmieden zwischen heterogenen Akteuren ist die
wirklich dringende Arbeit.
Franz
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