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[ox] Re: Reproduktion, Arbeit, Leistungsprinzip?



Hi Ralf und Liste!

Mal hier anfangen zum Warmwerden :-) .

Last week (13 days ago) RalfKrae wrote:
Nötig im Wortsinne wäre es, den Stoffwechselprozeß mit der Natur und
den Reproduktionsprozeß der Gesellschaft am Laufen zu halten. Ob es
dazu Arbeit (im Krisis-Sinne, d.h. sehr verkürzt: entfremdete) bedarf,
ist m.E. keineswegs ausgemacht. Gesellschaften vor dem Kapitalismus
sind z.B. mit keiner bis sehr wenig Arbeit ausgekommen.

Die Krisis-Spezialdefinition von "Arbeit", deren Bedeutung nüchtern
betrachtet in etwa Erwrerbsarbeit ist, teile ich nicht.

Ich würde auch UnternehmerInnenarbeit darunter fassen.

Arbeit ist
zweckbestimmte Tätigkeit auf menschlichem Niveau, Erwerbsarbeit ein Teil
davon, aber z.B. unbezahlte Hausarbeit ist auch Arbeit,

Da hatten wir hier mal eine Debatte dazu. Was ich mir behalten habe:
Es gibt den anthropologischen Arbeitsbegriff, den du hier wohl
verwendest und den gesellschaftlichen Arbeitsbegriff, der im
Kapitalismus im wesentlichen auf entfremdete Arbeit hinaus läuft.

und der Anteil der
Arbeit an der Lebenszeit der Individuen dürfte in den meisten früheren
Gesellschaften höher gelegen haben als heute.

Nun, was ich dazu gehört/gelesen habe, sind auch mit dem
anthropologischen Arbeitsbegriff die heute geleisteten Arbeitsstunden
auf einem historisch sehr hohen Stand. Arbeitsgesellschaft ist auch so
gesehen schon der richtige Begriff. Aber meine Informationen stammen
sicher zum guten Teil von der Krisis und die ist natürlich verdächtig
;-) .

Kannst du begründen, warum du denkst, daß ab einem bestimmten
historischen Stand die menschliche Reproduktion nur noch unter
Zwangsbedingungen sicherzustellen ist?

Arbeit ist notwendig, aber Zwang im engeren hier offenbar gemeinten Sinne ist
ewas anderes. Essen ist auch notwendig, um sich am Kacken zu halten, aber
macht es Sinn, man das als Zwang bezeichnen?

Da reißt du eine interessante Frage auf: Wann macht es Sinn von Zwang
zu sprechen? Sind Naturgesetze Zwang? Ist Herrschaft Zwang? Ist die
Notwendigkeit zum Stoffwechsel mit der Natur Zwang? Ist die Art und
Weise der Organisation Zwang?

Ich vermute, daß es auf die Perspektive ankommt, unter der das jeweils
betrachtet werden soll. In der Physik ist es z.B. sicher sinnvoll
Naturgesetze als Zwang aufzufassen.

Als kurzer Versuch einer Arbeitsdefinition für uns würde ich mal
sagen, daß das Zwang ist, was mit Gewalt durchgesetzt werden kann /
muß, alles durch Menschen Erzwungene also. Das andere - durch die
Natur Erzwungene? - würde ich dann mal als Notwendigkeit bezeichnen.
In diesem Sinne wäre Essen an sich eine Notwendigkeit, aber die Art
und Weise wie oder auch was gegessen wird, kann einem Zwang
unterliegen. Ebenso natürlich die Art und Weise der Produktion der
Nahrungsmittel.

Wieder einige Abstraktionsniveaus nach oben geturnt würde ich also
sagen, daß entfremdete Arbeit per Definition Zwang ist. Wäre sie nicht
entfremdet würde sie tendenziell ja auch freiwillig gemacht. Und das
ist ja genau das, was wir bei Freier Tätigkeit (d.h. Arbeit im
anthropologischen Sinn) diagnostizieren und damit würde eben -
weitergedacht - der notwendige Stoffwechselprozeß mit der Natur eben
nicht mehr unter Zwangsbedingungen erledigt sondern freiwillig.

Meine Frage neu formuliert würde also heißen: Warum denkst du, daß ab
einem bestimmten historischen Stand die Menschheit nicht (mehr) in der
Lage sein sollte, den Stoffwechselprozeß mit der Natur so zu
organisieren, daß ihn Leute freiwillig machen und aus Gründen der
Selbstentfaltung bzw. um der Notwendigkeit nachzukommen?

Wenn ich dem noch ein wenig weiter nachspüre, dann ist vielleicht der
Begriff der Notwendigkeit bislang zu wenig von uns beleuchtet worden.
Wenn ich ein Stück (Freie) Software bastele, das ich jetzt gerade
brauche, so kann das durchaus geschehen, um einer Notwendigkeit zu
begegnen.

Hmm... Vielleicht sollten wir den Begriff der Notwendigkeit stärker
neben den der Selbstentfaltung stellen? Vielleicht so: Freie Software
wird aus Gründen der Selbstentfaltung und aus Notwendigkeit heraus
produziert. Das ist vielleicht stimmiger, als die Notwendigkeit
einfach in die Selbstentfaltung zu integrieren.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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