Message 01533 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT01391 Message: 4/4 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Autorenverguetung



Hi Hans-Gert und Liste!

Vielleicht ein paar Gedanken zu der schon mehrfach erwähnten Büchse.

2 weeks (19 days) ago Hans-Gert Graebe wrote:
Genau. Die beiden Fragen ("Gemeineigentum an Wissen" und
"angemessene Vergütung") stehen nicht in Widerspruch zueinander.
Thomas hat selbst das Beispiel von Mandrake und K.L. gebracht,
das genau ein solches Verhältnis beschreibt, wo der Urheber
angemessene Vergütung erhält und das Produkt _danach_
Gemeineigentum ist. Es muss eben nur genügend in der Büchse sein
(hier von Mandrake als Statthalter von GPL?).

Ich sehe das auch bei GEMA und VG Wort etc. so: Sie sind die
Büchse auf dem Tisch, in die jeder angehalten wird, etwas
reinzutun und deren Inhalt von Zeit zu Zeit unter die
"Beteiligten" aufgeteilt wird. Das Wichtige ist die
Pauschalierung, die genau der Art der Sozialisierung von Wissen
folgt. Wissen ist Allgemeingut, also wird in einen allgemeinen
Topf gezahlt, wenn Du dieses Gut für individuelle Zwecke
nutzt. Der Inhalt des Topfes (der Töpfe?)  wird unter denen
aufgeteilt, die das Wissen "produziert" haben.  Das wichtige (und
gegenüber Marktmechanismen entscheidende) ist die Entkopplung der
Phase des Einzahlens in den Topf von der Phase des Verteilens
seines Inhalts.

Ist das wirklich das Entscheidende?

Genau _so_ ist Einbringen von Wissen als
Gemeingut (zB Programmieren von Freier Software) entkoppelt von
der Nutzung dieses Wissens (zB Nutzung Freier Software).

Wie schon ausgeführt wurde ist die Nutzung des Wissens sowieso vom
Einbringen entkoppelt - ich kann einen Gedanken immer selbst
weiterspinnen und umwandeln, etc. pp. Das Problem hier ist eigentlich,
das die Zurechenbarkeit der "Leistung" zu einer "Leistenden" nur
willkürlich erfolgen kann und gar die "Nutzung" dieser "Leistung".
Oder verfahre ich mich jetzt?

In einer
Zeit, wo Geld die Welt regiert, ist eine derartige Entkopplung mE
eine beachtenswerte Errungenschaft, die man auf dem _Weg in die_
GPL-Gesellschaft nicht so einfach über Bord werfen sollte.

Na, so groß ist die Errungenschaft nicht. Die Entkoppelung hast du in
der steuerfinanzierten staatlichen Infrastruktur an jeder Ecke.
Letztlich läuft jede solche Büchse vermutlich auch genau auf ein
solches steuer- bzw. gebührenfinanziertes (d.h. abhängig vom
Nutzungsgrad) Umverteilungsmodell hinaus.

Ob
wir es _dort_ noch brauchen ist eine andere Frage.

Gut, daß du das klar herausstreichst. Wir reden also bei der Büchse
erstmal nur über ein Übergangsphänomen, ok.

Was mir nicht klar ist: Warum dürfen nur die etwas aus der Büchse
bekommen, die eine Leistung erbracht haben? Was ist in diesem
Zusammenhang "angemessen"? Wer bewertet das?

Wäre es nicht radikaler, "einfach" so eine Art Grundsicherung zu
haben, wo eben das ganze Problem mit Zurechnung und Angemessenheit
usw. schlicht unter den Tisch fällt? Das finde ich jedenfalls
wesentlich sympathischer und für unseren Diskurs auch richtiger als
dieses krampfhafte Festhalten an einem überkommenen und genau genommen
schwer zu begründenden Leistungsbegriff. Dieser Leistungsbegriff macht
ja eigentlich nur dann Sinn, wenn diese Leistung als Qual aufgefaßt
wird, für die ich entschädigt werden muß - wie das Wort Entschädigung
schon sagt ;-) .

Ich würde aber gerne den Blick auf die Anstrengungen richten - um mal
von dem Begriff Leistung wegzukommen -, die eben aus Selbstentfaltung
(oder Notwendigkeit - siehe andere Mail) gemacht werden. Wenn Kinder
z.B. angestrengt spielen, dann ist das für sie auch eine Anstrengung,
aber es ist nicht ihr Schaden. Ebensowenig ist es mein Schaden, wenn
ich Freie Software schreibe.

Mein Ziel um der GPL-Gesellschaft näher zu kommen, wäre es, die
gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen immer mehr so
umzugestalten, daß ((gesellschaftlich) notwendige) Anstrengung eben
immer weniger ein Schaden für die Angestrengte ist und statt dessen
immer mehr eine Selbstentfaltung und also eine Freude.

Das würde natürlich mit einer Büchse, die allgemein zur Verfügung
steht deutlich begünstigt. Professoren leben ja schon von dieser
Büchse - warum nicht alle?

(Ja, ich weiß, das Grundsicherungsmodelle, die den Namen verdienen, im
Kapitalismus nicht umsetzbar sind, aber als immanente Forderung mit
überwindender Tendenz wäre es ja vielleicht gut.)

Hier mein Verständnis:
Wenn ich was in den Wissenspool _einbringe_, dann soll mein
Beitrag _registriert_ (zertifiziert?) werden (Dann kann ich noch
meinen Enkeln voll Stolz was vorweisen).

Das ist aber eine ganz andere Liga. Du möchtest Anerkennung für deine
Anstrengung - völlig legitim. Aber da ist die Ermöglichung deiner
Reproduktion durch Kauf deines Produkts ja nur eine sehr magere Art
und Weise und sicher nicht das, was du von deinen Enkeln erwartest.

Ich fände es durchaus einen Beitrag zum Menschsein, wenn dieser
Gedanke "Geldkriegen == Anerkennung (und sonst gibt's nix)" aus den
Köpfen langsam mal wieder verschwinden würde.

Dagegen kann aus dem
Wissenspool jede(r) rausnehmen, was er/sie will, denn in dem
Wundertopf ist es ja _nach_ dem Rausnehmen immer noch drin!  Und
neben dem Wundertopf steht die Büchse (siehe oben), in die ab und
zu aus Dankbarkeit mal jemand was reinwirft (zur Not geht es auch
etwas verbindlicher - den Staat wollten hier ja nicht alle
abschaffen). Und dann kommen all die Hungrigen und Beladenen mit
ihren Zertifikaten und teilen den Büchseninhalt gerecht unter
einander auf, auf dass sie weiter zum Nutzen aller schaffen
können ...

Oder eben: Schaffen wir die Bedingungen dafür, daß die Hungrigen und
Beladenen, die sich von der Grundsicherung ernähren, ihre
Selbstentfaltung darin sehen können, Nützliches in einem Umfang zu
tun, der eben gesellschaftlich relevant wird.

Und noch einen Schritt weitergedacht - und da würde es vielleicht
wirklich spannend: Die Tätigkeit von allen, die sich aus der
Grundsicherung reproduzieren, müßte per Definition wertlos sein. D.h.
die Produkte, die so hergestellt würden, sind grundsätzlich Frei. Das
klingt doch nett :-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT01391 Message: 4/4 L1 [In index]
Message 01533 [Homepage] [Navigation]