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[ox] GPM-Gesellschaft



Hi Horst, Petra und Liste!

6 days ago Horibbeck wrote:
Am Wochenende habe ich in Dortmund Deine Gnu/Linux-Meilenstein-Kurzfassung
mitgenommen, die ich für recht aufregend halte im emanzipatorischen Sinn.

:-)

Wir arbeiten dran :-) .

Du meinst sicher eine Art GPL-Produktion von Informationen - allerdings nur,
wenn diese nicht warenförmige Art des Produzierens sich durchsetzen kann
gegen die momentan noch dominierende Produktion in Warenform. Eine scheinbar
gesetzmäßige Automatik ist da wohl leider nicht eingebaut, obwohl Ihr mich
wieder hoffen laßt, denn die überragende Qualität von Linux und MP3 entfalten
jetzt schon eine gewisse Anziehungskraft.

Marx'sch gewendet argumentieren wir gewöhnlich so, daß der
Kapitalismus zunehmend zur Fessel der Produktivkräfte wird. Wenn das
stimmt, dann haben wir zumindest den Altmeister auf unserer Seite ;-) .
Machen müssen wir's natürlich dennoch.

Ein wenig Utopie ist schon Wirklichkeit geworden!

Du hast's :-) .

Die "nahezu menschenfreie (industrielle) Produktion" mittels
"Universalmaschinen", die dann "computergesteuert mehr oder weniger beliebige
Werkstücke herstellen können" ist in den am weitesten entwickelten Ländern
ziemlich sicher eine realisierbare Noch-Utopie. Aber der Eurozentrismus
lauert!  Was ich für sehr wichtig halte für einen Erfolg einer globalen (!!!)
GPL-Bewegung, ist die Unterschiedlichkeit des Bildungsstandes der Menschen
und der Produktionsweisen in aller Welt.

Ja, das ist eine Debatte, die immer mal wieder hochkommt, und auf die
wir m.E. noch keine richtig guten Antworten haben. Hauptpunkt wäre für
mich erstmal, daß diese GPL-Gesellschaft für uns, für unseren
kulturellen Hintergrund richtig ist. Andere Gesellschaften / Kulturen
mögen das anders entscheiden und in gewisser Weise ist es ja auch nur
ein positiv gewendeter Eurozentrismus, wenn wir jetzt dem Rest der
Welt unser neuestes Modell überstülpen wollen.

Dabei halte ich es für durchaus
möglich und auch für von vorneherein anzustreben, daß in einer nicht
warenförmig produzierenden Bewegung (einer Abkopplungsbewegung)

Ich sträube mich gegen den Begriff der Abkopplungsbewegung. Abkopplung
heißt für mich einsame Insel / Landkommune / Ausstieg. Das ist nicht
das, was die Freie Software macht und m.E. nicht das, was wir
brauchen. Wir müssen etwas Neues, Selbsttragendes machen - darum
geht's mir. Und das ist nicht einfach abgekoppelt.

Unterlaufen gefällt mir in dem Zusammenhang immer besser.
"Unterlaufungsbewegung" wäre vielleicht richtig.

auch auf
niedrigem Rationalisierungs-Niveau von leibhaftigen Menschen produziert
werden kann (z.B. in so paradiesisch fruchtbaren Ländern wie Uganda und
Burundi oder von einer so gebildeten Bevölkerung wie der jugoslavischen oder
russischen), denn das Diktat der gesellschaftlich durchdchnittlichen
Produktivität, durch die diese Menschen jeder HANDLUNGSFÄHIGKEIT beraubt
sind, ist ja NICHT GÜLTIG in dieser Bewegung. Dies ist ein absolut
menschenunwürdiger Zustand, wie ich finde und sofort und auch ohne
Automatisierung materieller Produktion aufhebbar,

Unter Weltmarktbedingungen / Geldvergesellschaftung kann das aber
ausschließlich als Ausstieg / Abkopplung gehen. Und wohin das beim
Stand der globalen Vergesellschaftung führt, kannst du z.B. in
Albanien beobachten, wo jahrzehntelang Autonomie geprobt wurde
(vielleicht nicht das beste Beispiel, aber von der Tendenz her stimmig
denke ich).

Ich denke, das ist gerade die Crux, daß sie nur zwischen Pest
(ökonomischem (oder neuerdings auch wieder militärischem) Zerbomben)
und Cholera (Abkopplung und Rückkehr zu agrarischer
Subsistenzwirtschaft) wählen können.

es sei denn diese alles
kopierenden "Universalmaschinen" werden genau so schnell genau so billig wie
Computer.

Zu "Freie Software - Chancen für Entwicklungsökonomien" habe ich unter
`http://www.merten-home.de/fsw_IIIwelt.html' mal für eine kleine
Veranstaltung ein paar - kapitalismusimmanente - Stichpunkte
gesammelt.

6 days ago Horibbeck wrote:
Die von Stefan erwähnte eventuelle Möglichkeit einer Universalmaschine
(analog zur verlustlosen Kopierbarkeit von Information in Software) als
sozusagen Hardware-Kopierer könnte meines Erachtens nur in einer wertfreien
Gesellschaft funktionieren, ohne automatisch alles andere nützliche Handeln
zum bloßen Hobby abzuwerten.

Wieso ist ein Hobby eigentlich eine Abwertung? Ist das nicht das
kapitalismusimmanente "Was nichts kostet ist nichts wert" hier bezogen
auf die unbezahlte Arbeitskraft in der Ausübung eines Hobbies?

Dagegen würde ich eben die Selbstentfaltung setzen, bei der das je
eigene Wertesystem die entscheidende Meßlatte ist. Und dann ist ein
Hobby eben individuell auf jeden Fall wertvoll.

Eine Abkopplungsbewegung, die von Anfang an den Anspruch behauptet, über den
Kapitalismus hinausweisen zu können, muß meiner Meinung nach nicht "nur" ganz
unbescheiden das höchstmögliche Rationalisierungs-Level (wie bei Gnu/Linux)
für sich reklamieren und verteidigen, sondern ganz unbescheiden ALLE (!!!)
Ratioalisierungs-Levels.

Interessanter Gedanke. Ich weiß nur nicht ob das geht. Das, was wir
nach meinem Gefühl als tragende Größe gefunden haben - digitale
Kopierbarkeit - läßt sich nicht ohne weiteres auf nicht-industrielle
Produktionsweisen runterbrechen - oder?

Na ja andererseits, wenn ich an den Biobauern denke, von dem ich mein
Food kriege, der hat auch oft betont, daß er so oft alles neu erfinden
mußte. Da wäre eine Informations-/Wissensvernetzung sicher auch
hilfreich.

Hmm... Das klingt mir so verdächtig nach dem, was seit längrerem Franz
sagt ;-) .

In seinen Thesen für "Freie Software und freie Gesellschaft" schlägt Stefan
Meretz unter Punkt 7 einige Kriterien für eine solche Bewegung vor:
Wertfreiheit im Binnenbereich, Geldbeziehungen nur nach außen und rigide,
klare, dauerhafte Trennung von äußerer Verwertungslogik und innerer
Nutzungslogik. (superwichtig!)

Ich bin da skeptisch. Hat jemensch ein Beispiel, wo das flächig und
längere Zeit funktioniert? Ich meine, die Idee ist ja nicht gerade
neu und wenn's funktionieren kann sollte es Beispiele geben.

Durch die unaufhebbare Verankerung dieser ständig zu beobachtenden
"Schnittstelle" zwischen einer oben beschriebenen "unbescheidenen" Bewegung
und der "alten" Gesellschaft könnten auch Produktions-Initiativen mit
niedrigeren Rationalisierungs-Leveln offensiven Charakter bekommen.
Wenn ich mich nicht irre, etwas übersehe,etc etc.

Die Debatte ist m.E. offen.

Hi Petra!

5 days ago RAUNHAAR wrote:
Wichtig erschien mir in diesem Zusammenhang, daß
Nützlichkeit/Vernunft nicht ausschließlich im Sinne unmittelbarer,
hochrationalisierter Grundbedüfnisse-Reproduktion verstanden wird, sondern
gerade auch die Bereiche der "Unbescheidenheit" in sensualer und emotionaler
Hinsicht (Stefans Spaß) - was ist eigentlich mit Trauer? - umfaßt.

Ja genau. Ich sehe die GPL-Gesellschaft auch als *die Chance* zur
allseitigen Entwicklung der Menschen. Da ist der produktive /
gesellschaftlich nützliche / notwendige Aspekt nur ein Teil davon. Und
ich bin fest davon überzeugt, daß unsere bisherigen (emotionalen /
Genuß)fähigkeiten weit hinter dem zurückbleiben, was möglich wäre.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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