Re: [ox] Freie Hardware und Abgang des Kapitalismus
- From: RAUNHAAR aol.com
- Date: Wed, 20 Dec 2000 16:34:50 EST
Hallo Thomas,
<< Freie Software ist nicht grundsätzlich wertlos. Wenn sie z.B. unter
der GPL steht, gibt immer noch viele Leute, die sie nicht einsetzen
können, es aber gern täten und dafür viel Geld zu zahlen bereit sind.
Für diese Leute können die ursprünglichen Programmierer gegen
Bezahlung auch anderslautende Lizenzen verwenden.
Beispiel: Jemand programmiert gegen Bezahlung Freie Software und
greift dabei auf eine GPLisierte Bibliothek zurück. Ein Kunde
verlangt nun die Verwendung eines bereits bestehenden proprietären
Algorithmus. Der Programmierer könnte nun auf eine proprietäre
Bibliothek zurückgreifen und das ganze Programm proprietär werden
lassen. Das wäre aber schädlicher für die Freie Softwaregemeinde, als
wenn etwa der verlangte Algorithmus als Plugin eingebaut würde, wie
es die LGPL gestatten würde. In solch einem Fall wäre es sicher
leicht möglich, von den ursprünglichen Programmierern gegen Bezahlung
eine Sonderlizenz zu erhalten. >>
Das ist aber ein anderer Fall. Soweit aber auch dann noch Freie Software
(also nicht die "Lesser" GPL) in der "bunten Mischung" enthalten ist, gibt es
trotzdem Probleme satt.
<<Richtig. (Aber hast du eine bessere Idee, wie man das sprachlich
unterscheiden sollte? "Unfrei"???)>>
Mein Einwand bezog sich auf die verkürzte Darstellung/Sichtweise des
Eigentumsbegriffs. Der Text war als Kopie ja auch für die Krisis-Liste
bestimmt. Dort ist man/frau an solchen Feinheiten vielleicht eher
interessiert (was jetzt aber ausdrücklich nicht irgendwie "abwertend" gemeint
ist, ehrlich).
<<Das ist, was ich mit "mit eigenen Waffen schlagen" meine. Es kann
sich keine Lobby gegen Copyleft bilden, denn das wäre eine Lobby
gegen die freie Gestaltung von Lizenzbedingungen, und das wiederum
würde proprietärer Software sehr schaden, wo doch bei der die
Lizenzbedingungen am willkürlichsten und blödsinnigsten gestaltet
sind.>>
Ich habe gar nichts gegen das Mimikri. Ist eine gute Idee. Meine Einwände
bitte ich Sinne von "cum grano salis" zu verstehen. Sollte, was du erwartest
und auch aus meiner Sicht zu hoffen wäre, der Idee Erfolg beschieden sein,
was ja impliziert, daß die bisherige Ordnung (ganz untechnisch gemeint)
gefährdet wäre, werden Gegenreaktionen erfolgen. Ich denke nicht, daß das
Argument "Man wird der GPL nichts tun, weil man damit das Rechtsinstitut als
Ganzes in Frage stellt" zieht. Das Urheberrecht ist eben nur ein Recht in der
Sphäre des Privatrechts und kann daher mit Hilfe "übergeordneten Rechts"
jederzeit - wenn nötig - außer Kurs gesetzt werden. So also die
Wirtschaftsordnung in Gefahr käme, würden die dafür vorgesehenen Organe die
"immanenten Grenzen" aller in Betracht kommenden subjektiv-öffentlichen
Rechte (landläufig Grund/Bürgerrechte) sehr schnell aufzeigen und
durchzusetzen versuchen. Es ist nicht schwer juristisch zu begründen, daß
kommerzielle Lizenzen letztendlich das Gemeinwohl (hier: "die Wirtschaft")
fördern und damit immanente Grundrechtsgrenzen beachten, Freie Software aber
eben nicht. Bisher (z.B. "Lauschangriff", wo ganz wesentlich um die Erhaltung
der Wirtschaftsordnung ging) jedenfalls ist noch immer so verfahren worden
und hat auch so "geklappt". In einem total(itär)en System sind alle
"Lösungen" zwingend systemkonform.
<<Auch dann, wenn Freie Software bereits wertlos ist, ist sie das nur
in dem Personenkreis, der sich an die GPL halten will, bzw. kann
(s.o.). Andere müssen fragen, ob sie dürfen und, wenn ja, bezahlen.
Es läßt sich immer irgendetwas finden, wie Freie Software und Geld in
Zusammenhang gebracht werden können.>>
Durch den Personenkreis, der sich daran halten will, werden keine Probleme in
"die Welt" kommen. Eher durch den Personenkreis, dem die Sache ein "Dorn im
Auge ist" und/oder sich das Ganze gern aneignen würde, um es sodann zu
verwerten. Das ist doch der Punkt. Und genau hier an der Schnittstelle wird
jetzt schon systemkonform herumoperiert. Da wird die auf "Dauer angelegte
entgeltliche (also blechen!) Überlassung Freier Software" in eine "gemischte
Schenkung" (enthält Elemente des Kaufs und der Schenkung) umgedeutet, und
ganz unabhängig von all den Haftungs- und AGB-Problemen auch das Urheberrecht
mittels des sogenannten "Erschöpfungsgrundsatzes" wenn nicht gleich kassiert
so doch erheblich geschwächt. Cave canem!
<<D.h. ich bekomme als Käufer eine Garantie, daß die CD nicht kaputt
ist. Das möchte ja wohl auch sein.>>
Gewährleistung bei Gattungskauf einer CD (Sache), also derem physischen
Körper möchte wohl sein. Find ich auch, kaufvertragliche Gewährleistung bei
Gattungskauf ist eh mickrig genug. Das ist aber nicht das Problem. Vielmehr
geht es um den Komplett-Haftungsauschluß in der GPL. Die Lizenz (das auf dem
Datenträger befindliche erworbene Recht) gilt in Deutschland vermittels des
"Inländerprinzips", d.h. sie wird gewährt in Art und Umfang wie sie auch
einem Inländer zu gewähren wäre. Ausschluß der Haftung geht aber nicht
nach deutschem Recht. Zumindest die deliktische Haftung (§§ 823 ff BGB) als
Auffang-Anspruchsgrundlage gilt immer. So wir es mit vertraglichen
Beziehungen zu tun haben - auch schlichte, völlig unentgeltliche Weitergabe
ist Vertrag, nämlich Handschenkung - kommen noch viel "härtere"
Haftungstatbestände in Betracht, von AGB und kaufmännischen Sonderproblemen
an dieser Stelle einmal ganz abgesehen.
Grüße, Petra
_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de