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Re: [ox] Autorenverguetung



Hallo Stefan,

In einer eMail vom 04.02.01 01:52:29 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
smerten oekonux.de:

 Wenn die gesellschaftliche Nützlichkeit eine Rolle spielen würden,
 >>  dann würden Börsenmakler kein Geld kriegen für das was sie tun und
 >>  eine Putzkraft würde fürstlich bezahlt.
 >>  
 > Wieder das Problem, Gebrauchswert normativ aufzuladen und zu
 > bewerten.
 
 Momang! Das war dein Stiefel. Du hattest gefordert, daß
 gesellschaftlich nützliche Tätigkeit auch finanziell anerkannt wird.
 Wenn du jetzt sagst...
 
 > Beide Tätigkeiten produzieren für diese Gesellschaft Nützliches, sonst 
würden 
 sie nicht bezahlt.
 
 ...daß also jegliche bezahlte Tätigkeit qua ihrer Bezahlung schon als
 nützlich zu betrachten ist, dann ist das ja doch irgendwie eine
 Tautologie und deine ursprüngliche Forderung somit gegenstandslos.
 
 Ich denke, daß du sehr wohl auch eine Vorstellung davon hast, was
 gesellschaftlich notwendig ist und was weniger - zumindest in den
 Extremen (Rüstungsproduktion z.B.). Und das hat eben nichts mit der
 Bezahlung zu tun, sondern mit irgendwelchen (moralischen?) Maßstäben.
 
Das Probem ist aus meiner Sicht, dass Du immer wie selbstverständlich davon 
ausgehst, was DU als nützlich oder notwendig bzw. nicht nützlich oder 
notwendig ansiehst. Es ist aber so, dass andere Leute und in velen Fällen 
wohl auch die Mehrheit der Gesellschaft das jeweils anders sehen. Da gibt es 
nun idealtypisch drei Möglichkeiten: entweder wird 1. produziert, was die 
ProduzentInnen wollen, oder 2. es wird produziert, was die KonsumentInnen 
wollen, oder 3. es wird vorher definiert, was "die Gesellschaft" will und nur 
das produziert. 

Bei  3. wird sich kein naturwüchsiger Konsens herstellen, das müsste jeweils 
gegen Teile der Gesellschaft durchgesetzt werden. So sollte m.E. nur ein Teil 
der Produktion bestimmt werden, indem a) bestimte Produktionen verboten 
werden und b) bestimmte Produktionen von der Gesellschaft, konkret im 
Wesentlichen organisiert als Staat auf verschiedenen Ebenen, unmittelbar 
selbst organisiert oder bezahlt werden oder durch andere regulierende 
Eingriffe zuwege gebracht werden. Beides passiert bereits, b) sollte m.E. 
ausgedehnt werden, aber darum geht es dir wohl nicht. Es wäre m.E. auch kein 
Fortschritt, dies ohne Staat und damit scheinbar mit weniger Zwang 
durchzusetzen (soweit das funktionieren könnte), nämlich mit unmittelbarer 
sozialer Kontrolle in überschaubaren Gemeinschaften. Da ist mir ein 
Rechtsstaat allemal lieber und bietet mehr Freiheitsmöglichkeiten.

2. findet statt, allerdings im Rahmen der den KonsumentInnen (können auch 
Unternehmen sein, produktive Konsumtion) zur Verfügung stehenden Kaufkraft 
und mehr oder minder rücksichtslos.

3. findet auch statt, allerdings sind die hierbei relevanten ProduzentInnen 
in der Regel nicht die Individuen, sondern die Unternehmen, und bestimmte 
Produktionen werden nicht deshalb gewollt, weil die Individuen sie für 
sinnvoll halten oder sie ihnen Spaß machen, sondern weil sie profitabel sind.

Jede funktionierende Ökonomie muss 2. und 3. in gewisse Übereinstimmung 
bringen, und die "Leistung" der kapitalistischen Marktwirtschaft besteht 
darin, dies (unter den genannten Einschränkungen, sozial und ökologisch 
rücksichtslos, in entfremdetetn Formen und krisenhaft, aber dennoch) in 
ziemlich effizienter Weise herzustellen. Du gehst nun immer mehr oder minder 
davon aus, dass sich ohne Markt und Warenproduktion entweder diese 
Übereinstimmung weitgehend auf der Basis dessen, was die Individuen sinnvoll 
finden und was ihnen Spaß macht, von alleine herstellen wird (aus göttlicher 
Fügung oder wie auch immer) oder in unmittelbarer Verhandlung zwischen den 
KonsumentInnen und den ProduzentInnen hergestellt werden könne. 

Das halte ich beides für gänzlich unrealistisch. Ersteres ist auf 
gesellschaftlcher Ebene mindestens ebenso unrealistisch wie schon auf 
individueller, wo man - wie du ja auch zugibst - auch oft Tätigkeiten 
verrichten verrichten muss, die einem keinen Spaß machen, z.B. im Haushalt, 
aber auch wenn man selber seine Lebensmittel produziert. Auf 
gesellschaftlicher Ebene kommt hinzu, dass viele gerne etwas konsumieren 
möchten, was sie nicht selbst herstellen können, und was die potenziellen 
ProduzentInnen aber nicht notwendig finden, und erst recht nicht, dass nun 
gerade sie es nun tun sollen. Aber sollen diejenigen, die die 
Produktionsmöglichkeiten haben, den anderen vorschreiben, was sie zu 
konsumieren haben? Der Ausweg über die unmittelbare Vereinbarung, also 
Zweiteres, ist auf dem gegenwärtigen Stand der gesellschaftlichen und 
internationalen Arbeitsteilung ebenfalls geradezu absurde Vorstellung. Dazu 
in Reply auf deine andere Mail mehr.

Herzliche Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
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