[ox] Kein Anschluss unter dieser Nummer
- From: UlrichLeicht t-online.de (Ulrich Leicht)
- Date: Wed, 7 Mar 2001 22:32:44 +0100
UlrichLeicht t-online.de
Zur Info ein Artikel aus "Jungle World" 11/2001 - 07. März -
Ron Sommer sieht es bekanntlich so ähnlich wie unsere linken Realpolitiker -
von Krise kann keine Rede sein.
Die Beiträge von Friedrich Geiger sind im übrigen immer sehr interessant und
lesenswert. Wer Lust hat, kann einiges im Archiv von Jungle World finden.
Gruß
Uli
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Kein Anschluss unter dieser Nummer
Die Telekom hat sich durch ihre hohen Ausgaben für die UMTS-Lizenzen und eine
falsche Marktpositionierung selbst in die Krise gebracht.
von friedrich geiger
Per Handy im Internet surfen und Filme anschauen - die Versprechungen
er neuen UMTS-Technik sind groß. Die Nachfrage dagegen weniger: Im
September vergangenen Jahres etwa gaben bei einer Umfrage nur 22 Prozent der
Deutschen an, dass sie sich vielleicht ein UMTS-Gerät zulegen möchten. Die
Deutsche Telekom aber hat voll auf die neuen Lizenzen gesetzt - und ist damit
kräftig in die roten Zahlen gerutscht.
Neben den weniger bedeutenden Märkten in den Niederlanden und
Österreich hatte sie im vergangenen Jahr ausgerechnet in jenen beiden Ländern
UMTS-Lizenzen ersteigert, die diese am teuersten verkauften:
Deutschland und Großbritannien. Bei den Versteigerungen in Frankreich, Italien
und Spanien hingegen war ihr das Geld ausgegangen - obwohl die Lizenzen dort
viel billiger waren. Denn direkt nach der Auktion in Deutschland sank die
UMTS-Euphorie bei den Anlegern drastisch. Das machte die Lizenzen bei den
nachfolgenden Auktionen billiger, erschwerte aber den Unternehmen auch die
Aufnahme der nötigen finanziellen Mittel. Zusätzlich zu den Lizenzgebühren
fallen für den Netzaufbau mehrere Milliarden Mark an, außerdem muss jedes Handy
mit einigen Hundert Mark subventioniert werden, damit sich die Nutzer überhaupt
für einenVertragsabschluss entscheiden.
Die Telekom steht daher auf dem europäischen UMTS-Markt schlechter da als
beispielsweise Vodafone, die über die meisten Lizenzen in Europa verfügt: Mit
seinem ausgedehnten Netz ist der britische Konzern vor allem für internationale
Kunden attraktiver.
Mit 118 Milliarden Mark steht die Deutsche Telekom inzwischen in der Kreide,
und ihr Chef Ron Sommer scheint sich allmählich zu fragen, ob er diesen
Schuldenberg jemals abbauen kann. Das Vertrauen in den Vorstand schwindet;
eine Gruppe von Kleinaktionären hat deshalb in der vergangenen Woche
Strafanzeige wegen des Verdachts auf falsche Bilanzierung gestellt. Hinzu
kommt, dass auch die Internet-Tochter T-Online rote Zahlen schreibt und die
Festnetz-Anteile des ehemaligen Monopolisten bei Ferngesprächen stetig sinken.
Außerdem verliert der Konzern bald auch noch das Monopol bei Ortsgesprächen.
Nach dem Kurssturz der T-Aktie werden nun zunehmend Rücktrittsforderungen laut.
Doch Sommer will davon nichts wissen. »Ich laufe nicht davon«, sagte er dem
Focus. Vielmehr sei die von Halbwahrheiten« geprägte »Medienberichterstattung«
für den schlechten Kurs der T-Aktie verantwortlich, behauptete er vergangene
Woche. Richtig eng werden für den Telekom-Chef dürfte es aber, falls die
gesamte Expansionsstrategie des Konzerns scheitern sollte. Denn derzeit ist
die Entwicklung beim Wunschpartner Voicestream völlig ungewiss. Mitte
vergangenen Jahres, als die Deutsche Telekom noch große Hoffnungen in sich
und den Mobilfunk setzte, unterbreitete sie den Aktionären des
US-amerikanischen Mobilfunkbetreibers ein Übernahmeangebot, über das bis heute
nicht entschieden ist. Immer mehr Analysten fragen außerdem, ob Voicestream
nicht ein bisschen zu groß für die Telekom sei und ob das Unternehmen sich
nicht besser nach Südeuropa ausdehnen sollte.
Bisher expandierte die Telekom mit T-Mobil vor allem in Osteuropa. Hier ist
sie der größte Telekommunikationsdienstleister mit Festnetzaktivitäten in
Ungarn, Slowakei, Tschechien und Kroatien. In den meisten anderen Ländern
Osteuropas hält sie Beteiligungen zwischen 16 und 60 Prozent an den dortigen
Mobilfunkbetreibern.
Im weitaus gewinnträchtigeren Westeuropa hat sie dagegen nur geringen Einfluss.
Sogar hierzulande hat der frühere Staatsmonopolist im Telefongeschäft
scharfe Konkurrenz aus dem Ausland bekommen. So gehören die ehemals
aussichtsreichsten deutschen Festnetz-Anbieter Arcor, Otelo und Viag
mittlerweile Vodafone und British Telecom; Colt, Tele 2 und andere sind
ebenfalls in ausländischer Hand. Beim Mobilfunk ist mit T-D1 sogar nur ein
deutscher Anbieter geblieben: D2 gehört inzwischen der britischen Vodafone,
E-Plus der niederländischen KPN, Viag Interkom der British Telecom. Das
spanisch-finnische Konsortium Telefónica/Sonera und Mobilcom, an der France
Télécom mit 28,5 Prozent beteiligt ist, haben ebenfalls deutsche UMTS-Lizenzen
ersteigert.
Dabei gibt es nicht viel Platz in der Branche: Die meisten Experten erwarten,
dass es auf dem europäischen Mobilfunkmarkt bald zu Konzentrationen kommen
wird, und in einigen Jahren nur noch vier oder fünf Unternehmen übrig sind,
zu denen T-Mobil nicht unbedingt gehören wird.
Eigentlich hatte die Bundesregierung die Liberalisierung der europäischen
Märkte für Post, Strom und Telekommunikation in dem Glauben vorangetrieben,
als größte europäische Wirtschaftsmacht eine gute Ausgangsposition zu haben.
Sie hielt den einstigen Monopolisten für schlagkräftig genug, sich auch in
anderen Ländern erfolgreich zu etablieren. Mit der Öffnung der eigenen Märkte
wollte sie die anderen Regierungen animieren, ihre Märkte auch für deutsche
Unternehmen zu öffnen.
Doch das Konzept funktioniert nur bedingt. Neben den früheren Monopolisten
haben sich keine weiteren Konzerne etabliert, die die deutsche
Wirtschaftskraft in die Welt tragen könnten - während ausländische Unternehmen
ihnen hier den Markt streitig machen. So sind etwa die vier bedeutenden
Konkurrenten der Post bei Paketzustellung und Kurierdienst, Deutscher Paket
Dienst (DPD), United Parcel Service (UPS), Federal Express (FedEx) und German
Parcel (GP), allesamt ausländische Unternehmen.
Im Unterschied zur Post hat die Telekom noch mit einem weiteren Problem
zu kämpfen: Ständig neue Technologien verlangen große Investitionen, während
die Nachfrage - nicht nur bei UMTS - nicht gesichert ist. Letztes Jahr
erzielten die Betreiber lediglich zwei Prozent des Mobilfunkumsatzes mit dem
GSM-Internet Wap. Rechnet man SMS hinzu, sind es immer noch lediglich zehn
Prozent. Der neueste Hype aber sind so genannte location based services -
Navigationssysteme, die es beispielsweise ermöglichen, einen Konsumartikel
ins Handy einzutippen, das dann den Weg zu einem entsprechenden Geschäft in
der Nähe weist. Die Erfolgsaussichten dieses Konzeptes sind allerdings ebenso
zweifelhaft wie die von Mobile Commerce, dem Handel per Internet-Handy.
Vergangenes Jahr betrug der Umsatz mit M-Commerce nicht einmal 500 Millionen
Mark. Das entspricht einer Pizzabestellung pro Handybesitzer.
Während der Mobilfunk-Euphorie wurden unzählige Konzepte für UMTS-Dienste
erstellt, bei denen meistens unklar war, wie damit Geld verdient werden kann.
Heute lautet der Slogan in den TMT-Unternehmen - Firmen aus der
Telekommuniktions-, der Medien- und der Technologiebranche: »If you can't bill
it, kill it!« Dumm nur, wenn - wie bei den Telekom-Milliarden für UMTS - die
Ausgaben längst verbucht sind.
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