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[ox] Kein Anschluss unter dieser Nummer



UlrichLeicht t-online.de

Zur Info ein Artikel aus "Jungle World" 11/2001  - 07. März -

Ron Sommer sieht es bekanntlich so ähnlich wie unsere linken Realpolitiker - 
von Krise kann keine Rede sein.

Die Beiträge von Friedrich Geiger sind im übrigen immer sehr interessant und 
lesenswert. Wer Lust hat, kann einiges im Archiv von Jungle World finden.

Gruß 
Uli

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Kein Anschluss unter dieser Nummer

Die Telekom hat sich durch ihre hohen Ausgaben für die UMTS-Lizenzen und eine 
falsche Marktpositionierung selbst in die Krise gebracht. 

von friedrich geiger 



Per Handy im Internet surfen und Filme anschauen - die Versprechungen
er neuen UMTS-Technik sind groß. Die Nachfrage dagegen weniger: Im               
September vergangenen Jahres etwa gaben bei einer Umfrage nur 22 Prozent der 
Deutschen an, dass sie sich vielleicht ein UMTS-Gerät zulegen möchten. Die 
Deutsche Telekom aber hat voll auf die neuen Lizenzen gesetzt - und ist damit 
kräftig in die roten Zahlen gerutscht. 

Neben den weniger bedeutenden Märkten in den Niederlanden und
Österreich hatte sie im vergangenen Jahr ausgerechnet in jenen beiden Ländern 
UMTS-Lizenzen ersteigert, die diese am teuersten verkauften:                  
Deutschland und Großbritannien. Bei den Versteigerungen in Frankreich, Italien 
und Spanien hingegen war ihr das Geld ausgegangen - obwohl die Lizenzen dort 
viel billiger waren. Denn direkt nach der Auktion in Deutschland sank die 
UMTS-Euphorie bei den Anlegern drastisch. Das machte die Lizenzen bei den 
nachfolgenden Auktionen billiger, erschwerte aber den Unternehmen auch die 
Aufnahme der nötigen finanziellen Mittel. Zusätzlich zu den Lizenzgebühren 
fallen für den Netzaufbau mehrere Milliarden Mark an, außerdem muss jedes Handy 
mit einigen Hundert Mark subventioniert werden, damit sich die Nutzer überhaupt 
für einenVertragsabschluss entscheiden. 

Die Telekom steht daher auf dem europäischen UMTS-Markt schlechter da als 
beispielsweise Vodafone, die über die meisten Lizenzen in Europa verfügt: Mit 
seinem ausgedehnten Netz ist der britische Konzern vor allem für internationale 
Kunden attraktiver. 

Mit 118 Milliarden Mark steht die Deutsche Telekom inzwischen in der Kreide, 
und ihr Chef Ron Sommer scheint sich allmählich zu fragen, ob er diesen 
Schuldenberg jemals abbauen kann. Das Vertrauen in den Vorstand schwindet; 
eine Gruppe von Kleinaktionären hat deshalb in der vergangenen Woche 
Strafanzeige wegen des Verdachts auf falsche Bilanzierung gestellt. Hinzu 
kommt, dass auch die Internet-Tochter T-Online rote Zahlen schreibt und die 
Festnetz-Anteile des ehemaligen Monopolisten bei Ferngesprächen stetig sinken. 
Außerdem verliert der Konzern bald auch noch das Monopol bei Ortsgesprächen. 

Nach dem Kurssturz der T-Aktie werden nun zunehmend Rücktrittsforderungen laut. 
Doch Sommer will davon nichts wissen. »Ich laufe nicht davon«, sagte er dem 
Focus. Vielmehr sei die von Halbwahrheiten« geprägte »Medienberichterstattung« 
für den schlechten Kurs der T-Aktie verantwortlich, behauptete er vergangene 
Woche. Richtig eng werden für den Telekom-Chef dürfte es aber, falls die 
gesamte Expansionsstrategie des Konzerns scheitern sollte. Denn derzeit ist 
die Entwicklung beim Wunschpartner Voicestream völlig ungewiss. Mitte
vergangenen Jahres, als die Deutsche Telekom noch große Hoffnungen in sich 
und den Mobilfunk setzte, unterbreitete sie den Aktionären des                  
US-amerikanischen Mobilfunkbetreibers ein Übernahmeangebot, über das bis heute 
nicht entschieden ist. Immer mehr Analysten fragen außerdem, ob Voicestream 
nicht ein bisschen zu groß für die Telekom sei und ob das Unternehmen sich 
nicht besser nach Südeuropa ausdehnen sollte. 

Bisher expandierte die Telekom mit T-Mobil vor allem in Osteuropa. Hier ist      
sie der größte Telekommunikationsdienstleister mit Festnetzaktivitäten in        
Ungarn, Slowakei, Tschechien und Kroatien. In den meisten anderen Ländern 
Osteuropas hält sie Beteiligungen zwischen 16 und 60 Prozent an den dortigen 
Mobilfunkbetreibern. 

Im weitaus gewinnträchtigeren Westeuropa hat sie dagegen nur geringen Einfluss. 
Sogar hierzulande hat der frühere Staatsmonopolist im     Telefongeschäft 
scharfe Konkurrenz aus dem Ausland bekommen. So gehören die ehemals 
aussichtsreichsten deutschen Festnetz-Anbieter Arcor, Otelo und Viag 
mittlerweile Vodafone und British Telecom; Colt, Tele 2 und andere sind 
ebenfalls in ausländischer Hand. Beim Mobilfunk ist mit T-D1 sogar nur ein 
deutscher Anbieter geblieben: D2 gehört inzwischen der britischen Vodafone, 
E-Plus der niederländischen KPN, Viag Interkom der British Telecom. Das 
spanisch-finnische Konsortium Telefónica/Sonera und Mobilcom, an der France 
Télécom mit 28,5 Prozent beteiligt ist, haben ebenfalls deutsche UMTS-Lizenzen 
ersteigert. 

Dabei gibt es nicht viel Platz in der Branche: Die meisten Experten erwarten, 
dass es auf dem europäischen Mobilfunkmarkt bald zu Konzentrationen kommen 
wird, und in einigen Jahren nur noch vier oder fünf Unternehmen übrig sind, 
zu denen T-Mobil nicht unbedingt gehören wird. 

Eigentlich hatte die Bundesregierung die Liberalisierung der europäischen        
Märkte für Post, Strom und Telekommunikation in dem Glauben vorangetrieben, 
als größte europäische Wirtschaftsmacht eine gute Ausgangsposition zu haben. 
Sie hielt den einstigen Monopolisten für schlagkräftig genug, sich auch in 
anderen Ländern erfolgreich zu etablieren. Mit der Öffnung der eigenen Märkte 
wollte sie die anderen Regierungen animieren, ihre Märkte auch für deutsche 
Unternehmen zu öffnen. 

Doch das Konzept funktioniert nur bedingt. Neben den früheren Monopolisten 
haben sich keine weiteren Konzerne etabliert, die die deutsche 
Wirtschaftskraft in die Welt tragen könnten - während ausländische Unternehmen 
ihnen hier den Markt streitig machen. So sind etwa die vier bedeutenden 
Konkurrenten der Post bei Paketzustellung und Kurierdienst, Deutscher Paket 
Dienst (DPD), United Parcel Service (UPS), Federal Express (FedEx) und German 
Parcel (GP), allesamt ausländische Unternehmen. 

Im Unterschied zur Post hat die Telekom noch mit einem weiteren Problem          
zu kämpfen: Ständig neue Technologien verlangen große Investitionen, während 
die Nachfrage - nicht nur bei UMTS - nicht gesichert ist. Letztes Jahr 
erzielten die Betreiber lediglich zwei Prozent des Mobilfunkumsatzes mit dem 
GSM-Internet Wap. Rechnet man SMS hinzu, sind es immer noch lediglich zehn 
Prozent. Der neueste Hype aber sind so genannte location based services - 
Navigationssysteme, die es beispielsweise ermöglichen, einen Konsumartikel 
ins Handy einzutippen, das dann den Weg zu einem entsprechenden Geschäft in 
der Nähe weist. Die Erfolgsaussichten dieses Konzeptes sind allerdings ebenso 
zweifelhaft wie die von Mobile Commerce, dem Handel per Internet-Handy. 
Vergangenes Jahr betrug der Umsatz mit M-Commerce nicht einmal 500 Millionen 
Mark. Das entspricht einer Pizzabestellung pro Handybesitzer. 

Während der Mobilfunk-Euphorie wurden unzählige Konzepte für UMTS-Dienste 
erstellt, bei denen meistens unklar war, wie damit Geld verdient werden kann. 
Heute lautet der Slogan in den TMT-Unternehmen - Firmen aus der 
Telekommuniktions-, der Medien- und der Technologiebranche: »If you can't bill 
it, kill it!« Dumm nur, wenn - wie bei den Telekom-Milliarden für UMTS - die 
Ausgaben längst verbucht sind. 


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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