Re: [ox] Artikel zur Debatte um Urheberrecht
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Thu, 08 Mar 2001 17:50:21 +0100
Hi alle!
2 weeks (20 days) ago Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
Man müßte sich mal den genauen Wortlaut des Gesetzesentwurfs zu
Gemüte führen. Vermutlich ist dieser gemeint:
Vorschlag für einen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern
http://www.bmj.bund.de/ggv/ggv_i.htm
Ich habe da unter
http://www.bmj.bund.de/ggv/entwurh1.pdf
ein PDF gefunden. Da ist auch eine Begründung des Entwurfs (S. 15ff.)
drin, die ich mir mal zu Gemüte geführt habe. Hier mal ein paar m.E.
interessante Auszüge mit Kommentaren von mir.
"Der Gesetzentwurf soll deshalb dazu beitragen zu verhindern, dass
eine wirtschaftliche Machtstellung der Verwerterseite dazu
missbraucht wird, unausgewogene Verträge durchzusetzen." (S. 16)
"Derzeit steht jedoch das durchschnittliche Jahreseinkommen
freischaffender Urheber und ausübender Künstler aus schöpferischer
Tätigkeit (nach dem IFO-Gutachten durchschnittlich kaum 20.000 DM)
in auffälligem Missverhältnis zu der volkswirtschaftlichen Bedeutung
ihrer Arbeit. Die Gründe dafür liegen, selbst wenn man gewisse
statistische Verzerrungen berücksichtigt, zu einem Teil in der
häufig unangemessenen Vergütung ihrer Leistungen auf der Grundlage
ihrer Verträge mit den Verwertern." (S. 18)
Der Gesetzentwurf scheint also von seinem Ansatz her wirklich dieses
"Gerechtigkeits"anliegen zu haben und die betroffenen Personengruppen
"angemessen" entlohnen zu wollen. Im kapitalistischen Markt frage ich
mich allerdings, wie künstlerische Arbeit überhaupt "angemessen"
entlohnt werden kann. Mit Arbeitszeitäquivalent x Marktangebot ist da
ja wohl nix - oder? Aber das nur am Rande.
Anyway, wenn das die Stoßrichtung des Gesetzesvorhabens ist, dann wäre
ja u.U. darzustellen, daß Freie Software auf keinen Fall in den
Regelungsbereich fällt. Darauf scheint mir auch dieses Zitat
hinzuweisen:
"Entsprechend seiner Zielsetzung beschränkt sich der Entwurf auf
Regelungen für Verträge zwischen Urhebern und sonstigen Kreativen
auf der einen und Verwertern auf der anderen Seite. Es geht demnach
nicht um Verträge zwischen Verwertern untereinander (namentlich über
die Erteilung von Unterlizenzen) oder um Verträge, die Urheber und
ausübende Künstler mit den für sie treuhänderisch tätigen
Verwertungsgesellschaften zu schließen pflegen."
Die GPL wäre ja kein Vertrag mit einem Verwerter im o.g. Sinne.
Vielmehr wäre das ein Vertrag quasi mit der Allgemeinheit. Das wäre
auf jeden Fall zu klären.
Es könnte aber sein, daß das Gesetzesvorhaben die UrheberInnen quasi
zwangsschützen will - d.h. auch wenn sie ihre Ergebnisse eigentlich
beFreien wollen, sie es nicht dürfen.
Mir scheinen sich diese Zwangsmaßnahmen aber auf sogenannte
Gesamtverträge zu beschränken:
"Gesamtverträge im Sinn dieser Vorschrift können Tarifverträge,
Betriebsvereinbarungen in Form kollektiv ausgehandelter allgemeiner
Geschäftsbedingungen oder verbindlich ausgehandelte Normverträge
sein. All diesen Vertragstypen soll zukünftig die bindende
Festlegung von urheberrechtlichen Mindestvergütungen und sonstigen
Mindestbedingungen gemeinsam sein." (S. 33)
Immerhin:
"Mit der umfassenden und ausschließlichen gesetzlichen Zuweisung
sämtlicher Verwertungsmöglichkeiten an den Werkschöpfer als
konstituierendem Merkmal des Urheberrechts geht es aus
verfassungsrechtlicher Sicht nicht etwa um einen unverdienten
Vermögenszuwachs, sondern um die eigentumsrechtliche Zuordnung des
Ergebnisses der geistigen und persönlichen Leistung des Urhebers..."
(S. 26)
Wenn ich das ernstnehme, dann kann ich die Verwertungsrechte ja auch
im Sinne der GPL gestalten - oder?
Andererseits:
"Diese beiden singulären Vorschriften, die massenhafte, individuell
unkontrollierbare Nutzungsvorgänge betreffen, verweisen die
Geltendmachung des Anspruchs auf angemessene Vergütung in den
Bereich der kollektiven Wahrnehmung. Dort verpflichtet § 7 des
Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWG) die
Verwertungsgesellschaften zur Verteilung der eingenommenen
Vergütungen nach festen Regeln, welche den Urhebern und ausübenden
Künstlern nach dem Grundsatz des Vorranges des Verteilungsplans
einen angemessenen Vergütungsanteil zu gewährleisten haben, d.h.
ungeachtet individual-vertraglicher Absprachen mit ihren Verwertern"
(S. 27)
Heißt das, daß wir quasi eine Freie Verwertungsgesellschaft gründen
müßten, die die nicht entstehenden Einnahmen - dann aber total gerecht
;-) - an die ProgrammiererInnen verteilt? In der Tat könnte hier ein
Pferdefuß liegen.
Allerdings ist dann noch von einem "individuellen
Urhebervertragsrecht" die Rede. Ich kann nicht beurteilen, ob das
jetzt was anderes meint.
"Durch die Stärkung der Rechtsstellung der Urheber und ausübenden
Künstler im geschäftlichen Verkehr mit ihren Vertragspartnern
verfolgt der Gesetzesvorschlag zwei wesentliche Ziele:
- zum einen leistet er einen nach dem
Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) weiteren Beitrag zu
der aus sozialstaatlicher Sicht gebotenen Verbesserung der
wirtschaftlichen und sozialen Stellung der kreativ Schaffenden in
der Gesellschaft;
- zum anderen trägt er der Verantwortung des Staates gegenüber der
Kultur, einschließlich der in einem demokratischen Gemeinwesen
unverzichtbaren Meinungsvielfalt, und den sie tragenden
Werkschöpfern und Interpreten Rechnung, weil ein reichhaltiges
kulturelles Angebot nur dort erwartet werden kann, wo sich
Kreativität lohnt." (S. 20)
Als UrheberInnen hat der Entwurf aber scheinbar mehr oder weniger
ausschließlich "anerkannte" KünstlerInnen im Sinn. Ob
ProgrammiererInnen da überhaupt drunter fallen? Bis vor nicht allzu
langer Zeit waren Computer-Programme in Deutschland ja überhaupt nur
in Ausnahmefällen durch das Copyright schützbar.
Für uns besonders wichtig erscheint mir:
"Der Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 32 in seiner
vorgeschlagenen Fassung ist dogmatisch als gesetzlicher
Vergütungsanspruch in Form eines Korrekturanspruchs ausgestaltet,
der aufgrund der Werknutzung zur Entstehung gelangt, unabhängig
neben den vertraglichen Vergütungsansprüchen besteht und sich der
Höhe nach um den Teil verringert, der nach der vertraglichen
Vereinbarung bezahlt wird. Der Intention der Vorschrift
entsprechend, dem Urheber auch tatsächlich die ihm gebührende
angemessene Vergütung zukommen zu lassen, soll er unverzichtbar und,
obwohl er sich aufgrund seiner Rechtsnatur nicht für die kollektive
Wahrnehmung im Sinn des § 1 UrhWG eignet, im voraus nur an eine
Verwertungsgesellschaft abtretbar sein. Was als angemessen zu gelten
hat, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, wie im
einzelnen in den Erläuterungen der Vorschrift dargelegt ist." (S.
31)
Insbesondere die vom Einzelfall abhängende Angemessenheit scheint mir
eine Tür zu Freien Kreativwerken aller Art zu bilden. Zusammen mit
einer - dann hauptsächlich als formale Einrichtung zu betrachtenden -
Freien Verwertungsgesellschaft (ein Widerspruch in sich ;-) ) scheint
mir hier also eine Möglichkeit zu sein, mit diesem Entwurf sogar die
Stellung Freier Kreativwerke zu stärken, da sie dann auf einer
unabweisbaren gesetzlichen Grundlage stünden. Quasi eine GPL für
deutsche Verhältnisse.
Well, insgesamt scheint mir das Ganze nicht so kritisch wie Thomas es
sieht. Allerdings habe ich mir auch nicht die Gesetzestexte im
Einzelnen angesehen.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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