Re: [ox] Artikel zur Debatte um Urheberrecht
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Tue, 20 Feb 2001 08:58:23 +0100
On Mon, 19 Feb 2001, Stefan Meretz wrote:
Hi,
Thomas Uwe Gruettmueller schrieb:
Ich habe in den Entwurf gerade reingeguckt, d.h. paragraphenweise
mit dem heutigen Gesetz verglichen und möchte nun mein Zögern
zurücknehmen: Der Entwurf ist tatsächlich totale Scheiße!!! Mit
diesem Gesetz, so es denn durchkommt, wird es in der BRD
zukünftig nicht mehr möglich sein, freie Software zu schreiben.
Kannst Du dazu genaueres schreiben? Oder weiss wer anderes was?
Ich hatte dazu bereits etwas geschrieben:
http://www.oekonux.de/liste/archive/msg01895.html
Am problematischsten ist, daß der Urheber ein durch ihn eingeräumtes
Nutzungsrecht (egal, ob einfach oder ausschließlich) nach 30 Jahren
wieder kündigen darf (s. §32.3). Hierdurch hat er die Möglichkeit,
o sein eigenes Werk wieder unfrei zu machen,
o ein fremdes Werk unfrei zu machen, an dem er mitgewirkt hat, sowie
o auf sein Werk aufbauende Werke unfrei zu machen.
Etwas derartiges ist übrigens heute schon möglich, und zwar als
"Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung"(s. §42).
Ein weiterer Punkt ist die Ausweitung des Vergütungszwangs auf
*jegliche* Nutzung (s. §32.1). Da ein unter der GPL stehendes
Programm an alle Menschen lizensiert ist, müßten alle Menschen dafür
bezahlen. Selbst, wenn sich der einzelne Nutzer da noch herausziehen
kann, indem er die GPL nicht anerkennt, so kann dies nicht der
Entwickler, der Patches entgegennimmt.
Derzeit gibt es Zwangsvergütungen für
o Kabelweitersendung und
o Vermieten und Verleihen von Vervielfältigungsstücken
In diesen beiden Fällen werden Vergütungen fällig, unabhängig vom
Lizenzvertrag. Der Urheber kann auf diese Ansprüche nicht verzichten.
In diese Kategorie fällt auch die neueinzuführende Vergütung.
Problematisch ist ferner eine Regelung zur Beteiligung an
Einnahmen(s. §36). Auch hier ist ein Verzicht nicht möglich.
Desweiteren ist Vergütung für
o Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch (s. §46),
o Schulfunksendung (s. §47),
o Vervielfältigung von Zeitungsartikeln o.ä. (s. §48),
o öffentliche Wiedergabe (s. §52),
o Funksendung (s. §76),
o öffentliche Wiedergabe (s. §77),
o Rechtsverletzung (s. §98)
vorgesehen, jedoch handelt es sich bei diesen Vergütungen um solche
auf Anwendungen, die das Gesetz ohne Lizenz zubilligt, was also für
freie Software uninteressant ist.
Eine Sonderrolle nimmt die Kopiergeräte- und Medienvergütung (s. §54)
ein. Hier steht nicht, daß der Urheber nicht verzichten könne, mir
ist aber nicht klar, wie das praktisch ablaufen sollte: Können
Urheber, bzw. deren Lizenznehmer sich beim Kauf von Kopiergeräten und
Medien sich die Vergütung erstatten lassen?
Warum kleben VG-Wort-Kuckuke an manchen Kopierern? Ich lese aus dem
Gesetz keine Abgabepflicht auf die Benutzung solcher heraus, oder
überles ich da was?
Irgendwie scheint mir, als reicht eine Lizenz nicht aus, um freie
Informationsgüter zu realisieren. Was hermuß ist ein
Open-Source-Gesetz, das freie Information als Rechtsform garantiert.
Tschüß,
Thomas
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