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Re: [ox] Lesetip: Ulrich Klotz



Hi nochmal!

Einige aus meiner Sicht hochinteressante Zitate aus den Artikeln.
Manchmal meine ich, er liest "heimlich" bei uns mit ;-) .

5 days ago Stefan Merten wrote:
Nach Rücksprache mit ihm weiß ich, das der Artikel aus der FAZ-Reihe
stammt, die unter

	http://www.igmetall.de/zukunft/klotz_serie.pdf

erhältlich ist. Wenn ich's richtig überblicke, dann ist der Artikel in
der FIFF-Kommunikation ein Amalgam aus der ganzen Reihe. Nach
flüchtigem Vergleich entspricht vielleicht der erste Artikel der Reihe
am ehesten dem, was ich gelesen hatte. Anyway, alle Artikel haben
zumindest sehr interessante Überschriften:

* Die Neue Ökonomie. Über die Herausforderungen und Konsequenzen einer
  zunehmend von immateriellen Werten geprägten Wirtschaft

  Ebenso wenig trifft es den Kern, wenn in diesem Zusammenhang vom Weg
  in eine "Dienstleistungsgesellschaft" gesprochen wird. Auch dieser
  Begriff ist wenig hilfreich, da er irreführende Assoziationen weckt
  und eher daran hindert, das Wesen des Strukturwandels zu verstehen.
  Tatsächlich haben Dienstleistungen traditioneller Art in den letzten
  fünfzig Jahren kaum mehr zusätzliche Beschäftigung gebracht. Das
  klassische Dreisektorenmodell - Agrar-, Industrie- und
  Dienstleistungssektor - und das traditionelle Instrumentarium der
  Volkswirtschaftslehre sind nicht geeignet, die derzeit ablaufenden
  Veränderungen im Umfeld der Informatisierung umfassend zu
  registrieren und zu bewerten. Es ist gerade ein Kennzeichen der
  Informatisierung, dass diese Unterscheidungen zunehmend sinnlos
  werden. Weiterführend ist hingegen der Vorschlag von Marc Porat,
  Erwerbstätigkeiten mit Informationsaufgaben - also die "Kopfarbeit"
  - gesondert zu betrachten. (S. 4)

  Bereits heute lebt in den hoch entwickelten Ländern mehr als jeder
  zweite Erwerbstätige von Tätigkeiten, deren Rohstoff, deren
  Werkzeuge und deren Resultate überwiegend Informationen sind.
  Treffen aktuelle Prognosen zu, werden schon im nächsten Jahrzehnt
  sogar vier Fünftel aller menschlichen Arbeiten aus dem Umgang mit
  Information bestehen: beraten, informieren, forschen, entwickeln,
  organisieren, vernetzen, managen, recherchieren, gestalten und
  präsentieren - das alles sind typische Formen zukünftiger Arbeit.
  Kurz: Die Arbeit von immer mehr Menschen wird es sein, Daten in
  Bedeutung und in Wissen zu verwandeln. (S.4f.)

  Die Hauptform, in der heutzutage Wissen in Produkte aller Art
  einfließt, ist Software. Da Herstellungsverfahren immer
  softwareintensiver werden, nehmen auch materielle Produkte immer
  mehr einige der Eigenschaften von Software an. Wo Prozesse
  weitgehend durch Computer gesteuert werden, tendieren die Kosten von
  Vielfalt gegen null. Damit werden Regeln der Massenproduktion auf
  den Kopf gestellt. In der Ära der Mechanisierung führten steigende
  Seriengrößen zu sinkenden Stückkosten. Bei informatisierter
  Produktion hingegen kostet ein maßgefertigtes Unikat kaum mehr als
  das massenhaft hergestellte Pendant, nicht selten ist eine
  kundenindividuelle Produktion sogar günstiger. Der Service BoD
  (Books on Demand) zeigt den Trend: Statt große Auflagen auf Vorrat
  zu produzieren, werden mit computer-gesteuerten Maschinen Bücher als
  Einzelexemplare erst nach Bestellung gedruckt. Auch existieren
  bereits erste Fertigläden, in denen computer-gesteuerte Geräte nach
  Kundenwunsch Kosmetika mixen, Kleidung passgenau schneidern oder
  Möbel nach individuellen Vorgaben schreinern. Statt Fertigprodukte
  über oft große Entfernungen zu transportieren, wird am Ort des
  Bedarfs in dezentralen "Technofakturen" produziert; in der "Fabrik"
  werden keine Gegenstände mehr hergestellt, sondern nur noch
  Herstellungsprogramme, die elektronisch verteilt werden.

  Die Produktionsweisen "on-demand" und "mass customizing" werden in
  einigen Bereichen zu einer Renaissance handwerklicher Strukturen und
  regionaler Netzwerke sowie zu einem neuen Verhältnis zwischen Kunden
  und Anbietern führen. Ähnlich wie heute beispielsweise der Bauherr
  beim Hausbau, so spielt der Kunde künftig auch bei Bekleidung,
  Fahrzeugen, Einrichtungsgegenständen, Unterhaltung, Software oder
  bei Sofortdiensten aller Art eine neue Rolle als mitgestaltender
  "Prosument" (Produzent/Konsument).

  Verstärkt wird dieser Trend durch die Tatsache, dass Computernetze
  weltweite Markttransparenz in nie gekanntem Ausmaß ermöglichen.
  Dadurch wird reiner Preiswettbewerb auf Dauer ruinös. Wertschöpfung
  kann dann kaum noch durch Masse, sondern nur noch durch
  Differenzierung gesteigert werden.

  Kurzum: Die Mechanisierung führte zur Massenproduktion, die
  Informatisierung läutet in vielen (nicht allen) Wirtschaftszweigen
  deren Ende ein. (S. 6f.)

  Da inzwischen auch in den "alten" Industrien, wie der Autoindustrie,
  Software in allen Stadien der Wertschöpfung die Schlüsselrolle
  spielt oder, wie der ABB-Chef Percy Barnevik es formulierte, "alle
  Unternehmen heute Informationstechnologie-Unternehmen sind", wird
  auch hier immer häufiger rund um die Uhr und rund um den Globus
  entwickelt. (S. 9)

* Netzwerkeffekte und die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Das
  Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen verändert
  sich / Stärkere Ausrichtung nach den Mitarbeiterinteressen

Interessant an diesem Artikel ist die andere Interpretation des
Begriffs Aufmerksamkeitsökonomie:

  Weil aber Information, die keine Beachtung findet, keinen
  ökonomischen Wert hat, bestimmt sich ihr Wert nicht aus sich selbst,
  sondern aus der Ressource, die sie in Anspruch nimmt: Information
  verbraucht die Aufmerksamkeit ihrer Empfänger. Wenn infolge der IT
  zunehmend mehr Informationen angeboten werden (können), als wir je
  aufzunehmen in der Lage sind, dann wird Aufmerksamkeit zum knappsten
  aller Faktoren in der Informationsgesellschaft, denn sie ist - wie
  die Zeit - nicht vermehrbar. Je größer die Informationsflut, desto
  höher wird Aufmerksamkeit bewertet und honoriert. Einschaltquoten,
  Auflagenhöhen, Besucher-, Zugriffs- und Zitatzahlen sind Maße für die
  Einkünfte an Aufmerksamkeit, die sich durchaus in bare Münze
  verwandeln lassen. (S. 12)

Er bezieht sich hier nicht - wie sonst üblich - auf die Leute, sondern
primär auf die Informationen!

  Business Week und Financial Times gingen sogar noch weiter mit ihren
  Einschätzungen, dass das Internet unsere Welt stärker verändern wird
  als Druckmaschine und Dampfmaschine zusammengenommen. Nun gut, so
  etwas wird man, wenn überhaupt, erst in der Rückschau überprüfen
  können - eines ist jedenfalls schon heute klar, nämlich dass diese
  Umwälzungen sich weitaus schneller vollziehen als alles, was wir
  vorher kannten. Und spätestens mit dem AOL/Time-Warner-Deal wird
  offenkundig, dass die durch digitalisierte Informationen geprägte
  "Wirtschaft des Unsichtbaren" alle anderen Bereiche zu dominieren
  beginnt. Zumindest die Kapitalanleger bestätigen also, was der
  Zukunftsforscher Alvin Toffler schon vor Jahren konstatierte: "Das
  zentrale Ereignis des 20. Jahrhunderts ist der Sturz der Materie."
  (S. 16)

* Neue Unternehmensmodelle führen zu einer anderen Definition von
  Arbeit. Netzwerke über alle Wertschöpfungsstufen hinweg verdrängen
  mehr und mehr die althergebrachten Hierarchien

Das wäre m.E. ein weiteres Argument dafür, daß die Prinzipien Freier
Software den kapitalistischen strukturell überlegen sind:

  In den für die Industriegesellschaft typischen Hierarchien stoßen
  innovative Ideen stets auf Hindernisse, weil in dieser
  Organisationsform Macht ganz wesentlich über die Monopolisierung von
  Information ausgeübt wird. Weil neue Ideen aber stets altes Wissen
  und damit bestehende Machtverhältnisse gefährden, werden Neuerungen,
  die zwar gut für das Unternehmen, aber schlecht für das Management
  sind, meist unterdrückt oder zumindest behindert (S. 18)

Und sogar einen Bezug zu Linux hat er:

  Netzwerke von elektronisch verbundenen Freelancern als Rückgrat
  einer neuen Wirtschafts- und Arbeitsweise. Wie mächtig solche
  Verbünde sein können, zeigt der Aufstieg des PC-Betriebssystems
  Linux, das als Gemeinschaftswerk international verteilter
  freischaffender Programmierer im Internet entstand und jetzt zu
  einer ernsthaften Gefahr für das Microsoft-Monopol heranreift. Ein
  hierarchisch organisiertes Großunternehmen wie IBM wäre hierzu
  niemals in der Lage gewesen. (S. 21)

  Obwohl der absolute Wert der industriellen Produktion weiter steigt,
  sinkt die relative Bedeutung dieses Bereichs. Ähnlich wie zuvor die
  Agrararbeit werden industriell geprägte Tätigkeiten langfristig zu
  einer Restgröße schrumpfen. Der große Produktivitätsschub steht den
  meisten Industriezweigen noch bevor, da man bislang das wahre
  Potential der IT vielfach noch gar nicht erkannt hat. Die Situation
  erinnert an die Einführung der Elektrizität. Anfäng-lich wurde diese
  nur dazu genutzt, um in den Fabriken Dampfmaschinen durch
  Elektromotoren zu ersetzen, die Produktivitätseffekte blieben
  gering. Erst in den zwanziger Jahren erkannte man das wahre
  Potential der neuen Technik und schuf völlig neu konzipierte
  Fabriken, in denen die Produktivität geradezu explodierte. Ähnlich
  verhält es sich mit dem Computer, der lange Zeit nur als eine
  Maschine zur schnelleren Erledigung bereits existierender Abläufe
  gesehen wurde. Vor allem während der durch zentralistische
  Datenverarbeitung geprägten Ära beklagte man jahrelang das
  "Produktivitäts-Paradox": Massiv steigende IT-Aufwendungen führten
  sogar zu sinkender Produktivität insbesondere im Bürobereich. Erst
  jetzt erkennen immer mehr Manager, dass sich mit Hilfe der IT
  betriebliche Prozesse vollkommen neu strukturieren lassen, wenn man
  den Computer nicht mehr als eine programmierbare Maschine
  betrachtet, sondern als ein Medium, mit dessen Hilfe Menschen
  zusammenwirken.

  Die meisten Arbeiten, die routinemäßig genug sind, um gemessen zu
  werden, kann man früher oder später auch an technische Systeme
  übertragen. (S. 23f.)

* Investitionen in die Informationstechnologie stärken das Wachstum
  Das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt, was zu tun ist

  Andy Grove, Gründer und Chef des weltweit größten Chipherstellers
  Intel, prognostiziert: "In fünf Jahren gibt es keine Internet-Firmen
  mehr. Dann muss jedes Unternehmen eine Internet-Firma sein, um
  überhaupt überleben zu können. Der Erfolg wird nicht mehr von der
  Anzahl der Fabriken und Lagerhallen abhängen, sondern davon, wie ein
  Unternehmen seinen Informationsfluss organisiert." (S. 30)

* Die Akteure des Korporatismus verhindern den Wandel Innovation ist
  kein technischer, sondern ein komplexer sozialer Prozess /
  Innovationsfähigkeit erfordert eine Abkehr von der alten
  Industriepolitik

* Vom Arbeiterverein zur "Empowerment-Agentur" Im Strukturwandel
  müssen Gewerkschaften ihre eigenen Strukturen und Arbeitsweisen
  ändern

Ich habe jetzt nur zitiert, was auch in Richtung einer Überwindung der
Arbeitsgesellschaften zu deuten wäre. Ulrich Klotz bezieht sich in
seinen Folgerungen in erster Linie auf die bestehenden Gesellschaften.
Wen das interessiert, die sollte im Original nachlesen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
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