Re: [ox] Lesetip: Ulrich Klotz
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Thu, 08 Mar 2001 19:40:06 +0100
Hi nochmal!
Einige aus meiner Sicht hochinteressante Zitate aus den Artikeln.
Manchmal meine ich, er liest "heimlich" bei uns mit ;-) .
5 days ago Stefan Merten wrote:
Nach Rücksprache mit ihm weiß ich, das der Artikel aus der FAZ-Reihe
stammt, die unter
http://www.igmetall.de/zukunft/klotz_serie.pdf
erhältlich ist. Wenn ich's richtig überblicke, dann ist der Artikel in
der FIFF-Kommunikation ein Amalgam aus der ganzen Reihe. Nach
flüchtigem Vergleich entspricht vielleicht der erste Artikel der Reihe
am ehesten dem, was ich gelesen hatte. Anyway, alle Artikel haben
zumindest sehr interessante Überschriften:
* Die Neue Ökonomie. Über die Herausforderungen und Konsequenzen einer
zunehmend von immateriellen Werten geprägten Wirtschaft
Ebenso wenig trifft es den Kern, wenn in diesem Zusammenhang vom Weg
in eine "Dienstleistungsgesellschaft" gesprochen wird. Auch dieser
Begriff ist wenig hilfreich, da er irreführende Assoziationen weckt
und eher daran hindert, das Wesen des Strukturwandels zu verstehen.
Tatsächlich haben Dienstleistungen traditioneller Art in den letzten
fünfzig Jahren kaum mehr zusätzliche Beschäftigung gebracht. Das
klassische Dreisektorenmodell - Agrar-, Industrie- und
Dienstleistungssektor - und das traditionelle Instrumentarium der
Volkswirtschaftslehre sind nicht geeignet, die derzeit ablaufenden
Veränderungen im Umfeld der Informatisierung umfassend zu
registrieren und zu bewerten. Es ist gerade ein Kennzeichen der
Informatisierung, dass diese Unterscheidungen zunehmend sinnlos
werden. Weiterführend ist hingegen der Vorschlag von Marc Porat,
Erwerbstätigkeiten mit Informationsaufgaben - also die "Kopfarbeit"
- gesondert zu betrachten. (S. 4)
Bereits heute lebt in den hoch entwickelten Ländern mehr als jeder
zweite Erwerbstätige von Tätigkeiten, deren Rohstoff, deren
Werkzeuge und deren Resultate überwiegend Informationen sind.
Treffen aktuelle Prognosen zu, werden schon im nächsten Jahrzehnt
sogar vier Fünftel aller menschlichen Arbeiten aus dem Umgang mit
Information bestehen: beraten, informieren, forschen, entwickeln,
organisieren, vernetzen, managen, recherchieren, gestalten und
präsentieren - das alles sind typische Formen zukünftiger Arbeit.
Kurz: Die Arbeit von immer mehr Menschen wird es sein, Daten in
Bedeutung und in Wissen zu verwandeln. (S.4f.)
Die Hauptform, in der heutzutage Wissen in Produkte aller Art
einfließt, ist Software. Da Herstellungsverfahren immer
softwareintensiver werden, nehmen auch materielle Produkte immer
mehr einige der Eigenschaften von Software an. Wo Prozesse
weitgehend durch Computer gesteuert werden, tendieren die Kosten von
Vielfalt gegen null. Damit werden Regeln der Massenproduktion auf
den Kopf gestellt. In der Ära der Mechanisierung führten steigende
Seriengrößen zu sinkenden Stückkosten. Bei informatisierter
Produktion hingegen kostet ein maßgefertigtes Unikat kaum mehr als
das massenhaft hergestellte Pendant, nicht selten ist eine
kundenindividuelle Produktion sogar günstiger. Der Service BoD
(Books on Demand) zeigt den Trend: Statt große Auflagen auf Vorrat
zu produzieren, werden mit computer-gesteuerten Maschinen Bücher als
Einzelexemplare erst nach Bestellung gedruckt. Auch existieren
bereits erste Fertigläden, in denen computer-gesteuerte Geräte nach
Kundenwunsch Kosmetika mixen, Kleidung passgenau schneidern oder
Möbel nach individuellen Vorgaben schreinern. Statt Fertigprodukte
über oft große Entfernungen zu transportieren, wird am Ort des
Bedarfs in dezentralen "Technofakturen" produziert; in der "Fabrik"
werden keine Gegenstände mehr hergestellt, sondern nur noch
Herstellungsprogramme, die elektronisch verteilt werden.
Die Produktionsweisen "on-demand" und "mass customizing" werden in
einigen Bereichen zu einer Renaissance handwerklicher Strukturen und
regionaler Netzwerke sowie zu einem neuen Verhältnis zwischen Kunden
und Anbietern führen. Ähnlich wie heute beispielsweise der Bauherr
beim Hausbau, so spielt der Kunde künftig auch bei Bekleidung,
Fahrzeugen, Einrichtungsgegenständen, Unterhaltung, Software oder
bei Sofortdiensten aller Art eine neue Rolle als mitgestaltender
"Prosument" (Produzent/Konsument).
Verstärkt wird dieser Trend durch die Tatsache, dass Computernetze
weltweite Markttransparenz in nie gekanntem Ausmaß ermöglichen.
Dadurch wird reiner Preiswettbewerb auf Dauer ruinös. Wertschöpfung
kann dann kaum noch durch Masse, sondern nur noch durch
Differenzierung gesteigert werden.
Kurzum: Die Mechanisierung führte zur Massenproduktion, die
Informatisierung läutet in vielen (nicht allen) Wirtschaftszweigen
deren Ende ein. (S. 6f.)
Da inzwischen auch in den "alten" Industrien, wie der Autoindustrie,
Software in allen Stadien der Wertschöpfung die Schlüsselrolle
spielt oder, wie der ABB-Chef Percy Barnevik es formulierte, "alle
Unternehmen heute Informationstechnologie-Unternehmen sind", wird
auch hier immer häufiger rund um die Uhr und rund um den Globus
entwickelt. (S. 9)
* Netzwerkeffekte und die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Das
Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen verändert
sich / Stärkere Ausrichtung nach den Mitarbeiterinteressen
Interessant an diesem Artikel ist die andere Interpretation des
Begriffs Aufmerksamkeitsökonomie:
Weil aber Information, die keine Beachtung findet, keinen
ökonomischen Wert hat, bestimmt sich ihr Wert nicht aus sich selbst,
sondern aus der Ressource, die sie in Anspruch nimmt: Information
verbraucht die Aufmerksamkeit ihrer Empfänger. Wenn infolge der IT
zunehmend mehr Informationen angeboten werden (können), als wir je
aufzunehmen in der Lage sind, dann wird Aufmerksamkeit zum knappsten
aller Faktoren in der Informationsgesellschaft, denn sie ist - wie
die Zeit - nicht vermehrbar. Je größer die Informationsflut, desto
höher wird Aufmerksamkeit bewertet und honoriert. Einschaltquoten,
Auflagenhöhen, Besucher-, Zugriffs- und Zitatzahlen sind Maße für die
Einkünfte an Aufmerksamkeit, die sich durchaus in bare Münze
verwandeln lassen. (S. 12)
Er bezieht sich hier nicht - wie sonst üblich - auf die Leute, sondern
primär auf die Informationen!
Business Week und Financial Times gingen sogar noch weiter mit ihren
Einschätzungen, dass das Internet unsere Welt stärker verändern wird
als Druckmaschine und Dampfmaschine zusammengenommen. Nun gut, so
etwas wird man, wenn überhaupt, erst in der Rückschau überprüfen
können - eines ist jedenfalls schon heute klar, nämlich dass diese
Umwälzungen sich weitaus schneller vollziehen als alles, was wir
vorher kannten. Und spätestens mit dem AOL/Time-Warner-Deal wird
offenkundig, dass die durch digitalisierte Informationen geprägte
"Wirtschaft des Unsichtbaren" alle anderen Bereiche zu dominieren
beginnt. Zumindest die Kapitalanleger bestätigen also, was der
Zukunftsforscher Alvin Toffler schon vor Jahren konstatierte: "Das
zentrale Ereignis des 20. Jahrhunderts ist der Sturz der Materie."
(S. 16)
* Neue Unternehmensmodelle führen zu einer anderen Definition von
Arbeit. Netzwerke über alle Wertschöpfungsstufen hinweg verdrängen
mehr und mehr die althergebrachten Hierarchien
Das wäre m.E. ein weiteres Argument dafür, daß die Prinzipien Freier
Software den kapitalistischen strukturell überlegen sind:
In den für die Industriegesellschaft typischen Hierarchien stoßen
innovative Ideen stets auf Hindernisse, weil in dieser
Organisationsform Macht ganz wesentlich über die Monopolisierung von
Information ausgeübt wird. Weil neue Ideen aber stets altes Wissen
und damit bestehende Machtverhältnisse gefährden, werden Neuerungen,
die zwar gut für das Unternehmen, aber schlecht für das Management
sind, meist unterdrückt oder zumindest behindert (S. 18)
Und sogar einen Bezug zu Linux hat er:
Netzwerke von elektronisch verbundenen Freelancern als Rückgrat
einer neuen Wirtschafts- und Arbeitsweise. Wie mächtig solche
Verbünde sein können, zeigt der Aufstieg des PC-Betriebssystems
Linux, das als Gemeinschaftswerk international verteilter
freischaffender Programmierer im Internet entstand und jetzt zu
einer ernsthaften Gefahr für das Microsoft-Monopol heranreift. Ein
hierarchisch organisiertes Großunternehmen wie IBM wäre hierzu
niemals in der Lage gewesen. (S. 21)
Obwohl der absolute Wert der industriellen Produktion weiter steigt,
sinkt die relative Bedeutung dieses Bereichs. Ähnlich wie zuvor die
Agrararbeit werden industriell geprägte Tätigkeiten langfristig zu
einer Restgröße schrumpfen. Der große Produktivitätsschub steht den
meisten Industriezweigen noch bevor, da man bislang das wahre
Potential der IT vielfach noch gar nicht erkannt hat. Die Situation
erinnert an die Einführung der Elektrizität. Anfäng-lich wurde diese
nur dazu genutzt, um in den Fabriken Dampfmaschinen durch
Elektromotoren zu ersetzen, die Produktivitätseffekte blieben
gering. Erst in den zwanziger Jahren erkannte man das wahre
Potential der neuen Technik und schuf völlig neu konzipierte
Fabriken, in denen die Produktivität geradezu explodierte. Ähnlich
verhält es sich mit dem Computer, der lange Zeit nur als eine
Maschine zur schnelleren Erledigung bereits existierender Abläufe
gesehen wurde. Vor allem während der durch zentralistische
Datenverarbeitung geprägten Ära beklagte man jahrelang das
"Produktivitäts-Paradox": Massiv steigende IT-Aufwendungen führten
sogar zu sinkender Produktivität insbesondere im Bürobereich. Erst
jetzt erkennen immer mehr Manager, dass sich mit Hilfe der IT
betriebliche Prozesse vollkommen neu strukturieren lassen, wenn man
den Computer nicht mehr als eine programmierbare Maschine
betrachtet, sondern als ein Medium, mit dessen Hilfe Menschen
zusammenwirken.
Die meisten Arbeiten, die routinemäßig genug sind, um gemessen zu
werden, kann man früher oder später auch an technische Systeme
übertragen. (S. 23f.)
* Investitionen in die Informationstechnologie stärken das Wachstum
Das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt, was zu tun ist
Andy Grove, Gründer und Chef des weltweit größten Chipherstellers
Intel, prognostiziert: "In fünf Jahren gibt es keine Internet-Firmen
mehr. Dann muss jedes Unternehmen eine Internet-Firma sein, um
überhaupt überleben zu können. Der Erfolg wird nicht mehr von der
Anzahl der Fabriken und Lagerhallen abhängen, sondern davon, wie ein
Unternehmen seinen Informationsfluss organisiert." (S. 30)
* Die Akteure des Korporatismus verhindern den Wandel Innovation ist
kein technischer, sondern ein komplexer sozialer Prozess /
Innovationsfähigkeit erfordert eine Abkehr von der alten
Industriepolitik
* Vom Arbeiterverein zur "Empowerment-Agentur" Im Strukturwandel
müssen Gewerkschaften ihre eigenen Strukturen und Arbeitsweisen
ändern
Ich habe jetzt nur zitiert, was auch in Richtung einer Überwindung der
Arbeitsgesellschaften zu deuten wäre. Ulrich Klotz bezieht sich in
seinen Folgerungen in erster Linie auf die bestehenden Gesellschaften.
Wen das interessiert, die sollte im Original nachlesen.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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