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Re: [ox] Natur und Kultur



Hi Franz!

Last week (7 days ago) Franz J Nahrada wrote:
Stefan Mn schreibt am 15. April um 22.30:
Unterstreichen möchte ich:
Wenn Menschen einfach so Natur sind, dann brauchst du den Begriff
nicht mehr, weil dann alles Natur ist und der Begriff nichts mehr
unterscheidet. Insbesondere würde es keinen Sinn mehr machen, von
einer nicht-natürlichen Wirtschaftsordnung auch nur zu sprechen und
also auch nicht von einer natürlichen.

Wenn du dennoch an dem nach eigener Argumentation sinnleeren Begriff
festhälst, entlarvst du dich damit so en passant. Genau genommen setzt
du den Begriff Natur nämlich nur ein, weil dir die Argumente fehlen.
Viele Ideologien zeichnen sich dadurch aus, daß sie einen Rekurs auf
die Natur bemühen, wenn sie in Erklärungsnotstand kommen.

Hier dürfte allerdings nun wirklich common sense sein, daß es einen
maßgeblichen Unterschied zwischen Natur und Kultur gibt und das
letztere Menschenwerk ist.

Ich würde mich freuen wenn es uns einmal gelänge, eine zeitlang
absichtlich gutwillig zu bleiben.

Hupps, war ich böse? Aber nicht richtig - oder?

Die Unterscheidung von Natur und Kultur ist sehr wichtig,

Und ein Fehlen dieser Unterscheidung sich zu allem Überfluß selbst ad
absurdum führt.

Wolen wir also "natürlich" in diesem Sinn verstehen, dann ist das
erste, was wir den Vertretern einer "natürlichen" Wirtschaftsweise
entgegenhalten können, daß die Natur eine unglaubliche Variabilität
aufweist.

Wie ich andernmails schon anmerkte, ist der Rekurs auf Natur oder auch
vormoderne Gesellschaften in aller Regel auch noch mit einem extrem
verengten Blick verbunden. Die Natur bietet in ihren Phänomenen
eine so große Vielfalt, daß du vermutlich alles Beliebige aus
irgendeinem Naturphänomen ableiten kannst. Welche Phänomene dann ins
Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden, verrät allerdings viel über
die, die das tun ;-) .

Die Popularität des sogenannten Darwinismus - der BTW eigentlich
Spencerismus heißen müßte, Darwin selbst hat ganz klar zwischen Natur
und Kultur unterschieden - in einer auf Konkurrenz basierenden
Gesellschaft ist ja kein Zufall. Daß es in der Natur aber auch ganz
viel Kooperation gibt, daß es Nischen gibt, in denen das
"Survival-of-the-fittest" eben nicht so streng gilt, das sind wenn
überhaupt eher neue Erkenntnisse.

Das nächste wäre wohl, daß es in der ganzen Natur kein Geld gibt!

Und keinen abstrakten Tausch - wenn überhaupt Tausch! Kann eigentlich
gar keinen Tausch geben, da zu diesem eine gemeinsame Größe gehört,
die es nur abstrakt geben kann und die der Natur daher so nicht zur
Verfügung steht.

Immerhin
war der einzig wirklich erfolgreiche Tauschkreis in Deutschland
auf der Münchner Tauschkreistagung 1998 auch ziemlich undogmatisch:
Tausch als Mittel der Restitution von Gemeinschaften, als Weg aus der
monadischen Existenz heraus wurde da zumindest als wichtiger erachtet
als die Konstruktion eines neuen Geldsystems.

Ja, diesen Doppelcharakter von Tauschringen finde ich auch immer mal
wieder spannend. Daß Tauschringe überhaupt funktionieren, bedeutet ja,
daß sie auf ein gesellschaftliches Bedürfnis treffen. Ich würde mal
sagen, daß es sich um das Bedürfnis nach konkreter
Gesellschaftlichkeit handelt, daß die Geldmonaden sich aber einfach
nicht anders als leicht veränderten Tausch vorstellen können. Die
Tragik besteht halt darin, daß sie sich zu Ende gedacht den Ast
absägen, auf dem sie gerne sitzen würden.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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