[ox] Oekonux kein marxistisches Projekt? (was: Oekonux kein linkes Projekt?)
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Mon, 7 May 2001 17:05:50 +0200
***********************************************************************
Diese Mail schicke ich zum zweiten mal, weil sie beim ersten mal nicht
wieder zu mir zurückgefunden hat, was heißt, daß sie GMX oder sonstwer
entweder beim Senden oder Empfangen verschusselt hat. Falls letzteres
der Fall sein sollte, und ihr sie schon kennt, einfach ignorieren...
***********************************************************************
Hi, Ralf!
On Sam, 05 Mai 2001, RalfKrae aol.com wrote:
sloyment gmx.net:
Zum Begriff "links" fallen mir spontan folgende Bedeutungen ein:
überspitzt ausgedrückt etwa im Sinne von
"links" sind biertrinkende Jugendliche mit grünen Haaren und
großem Schäferhund; "rechts" hingegen sind biertrinkende
Jugendliche mit abrasierten Haaren und großem Schäferhund.
Das finde ich auch überspitzt. So ungefähr hat das mal in irgendeiner
Fernsehsendung ein Sozialarbeiter formuliert.
oder sonst wie an bestimmten sich links nennenden Gruppen
festgemacht. Das ist m.E. verfehlt. Am ehesten kommt m.E. der Sache
noch nahe
"links": soziale und demokratische Werte vorrangig betrachtend,
im Gegensatz zu
"rechts": wirtschaftliche Aspekte vorrangig betrachtend;
So ungefähr hat das einst mein Gk-Lehrer formuliert, nachdem jemand
"links" mit "Fortschritt" und "rechts" mit "Rückschritt"
gleichgesetzt hatte.
Trifft es aber nicht richtig, weil "wirtschaftliche Aspekte" es
nicht trifft und also auch nicht der Einwand dazu, treffender wäre
m.E.:
links: auf den Abbau bzw. die Überwindung gesellschaftlich
bedingter Ungleichheit und Herrschaft gerichtet, von der Gleichheit
und Gleichberechtigung aller Menschen ausgehend.
rechts: solche Ungleichheit und Unterdrückung von Menschen
rechtfertigend und ihre Vergrößerung zumindest in Kauf nehmend,
wenn nicht aktiv vorantreibend.
Hmmm... Nach dieser Definition fällt alles unter "links", was die in
der Verfassung festgeschriebenen Grundrechte nicht anzweifelt. Halten
wir also fest, daß Oekonux ein verfassungstreues Projekt ist -- genau
wie die FSF ;o)
- - - - -
Wenn ich die Diskussion, ob Oekonux ein linkes Projekt ist, zu ihren
Anfängen zurückführe, fallen mir zwei Dinge ein:
1. Die Einleitung zum Interview mit Stefan Mn. beginnt so:
| Oekonux is a radical German mailinglist discussing free software
| from green-alternative and post-Marxist perspectives.
Dies ist einfach falsch:
1. Das Thema der Liste, direkt auf http://www.oekonux.de zu finden,
legt nichts von wegen "green-alternative" oder "post-Marxist"
fest.
2. Wenn diese Beschreibung nur die momentane Situation wiedergeben
soll, so ist sie doch reichlich ungenau. Wer auf der Liste kann
sich eigentlich in *diesen* Schubladen wiederfinden?
2. Kommentar zum Heise-Artikel:
| Wie ich sie liebe ...
| Phish gsemmer netsurf.de (30. April 2001 17:27)
|
| diese Trittbrettfahrer :( [...]
| Ist aber auch so einfach: einen Trend abpassend (hier Linux) und -
| schwupps - das eigene ideologische Mäntelchen übergestriffen [...]
| Ist jedenfalls ein Bärendienst, den die SED (Jau!!!!!!!!!!!!!!!!!)
| Linux macht!!!
Hier ist es noch schlimmer. Oekonux ist soetwas wie der verlängerte
Arm der SED, der Linux das eigene ideologische Mäntelchen
überstreifen will...
Daher möchte ich jetzt die Diskussion von der Frage, ob Oekonux nach
irgendeiner Definition "links" ist weglenken dahin, ob Oekonux ein
(post-)marxistisches oder grün-alternatives Projekt sei.
Meine Antwort kennt ihr ja...
- - - - -
Da der Kapitalismus auf Letzerem beruht und ich die Überwindung
dessen für ein Ziel der hier Diskutierenden gehalten habe
Ich denke, daß in der jetzigen Situation die Überwindung des
Kapitalismus noch kein erstrebenswertes Ziel sein kann.
Was wir im Moment haben, ist kein Kapitalismus mehr. Das Eigentum an
Maschinen oder Rohstoffen stellt heute kein Kapital mehr da. Ohne
Lizenzen steht die Produktion still.
Nun könnte man natürlich das geistige Eigentum der Lizenzgeber als
Kapital bezeichnen. Der Vergleich hinkt nur, zumal jenes teilweise
unveräusserlich ist, teilweise auch ein Leben lang nicht verfällt
oder abnutzt. Der Vergleich mit einem Herrschertitel paßt da eher.
Wissenshorter sind demnach sowas wie Feudalherren.
Freie Software überwindet diesen neuartigen Feudalismus durch ein
geistiges Gemeinschaftseigentum, das durch seine Qualität das
geistige Privateigentum überflüssig macht.
Im materiellen Bereich führt diese Entwicklung zu einem "normalen",
materiell produzierenden Kapitalismus zurück. Dies wirft Fragen auf:
o Wird dieser neue Kapitalismus vergleichbar schroff wie zu Zeiten
der Industrialisierung? Wie kann man soziale Probleme verhindern?
o Bricht der Kapitalismus dann zusammen und was kommt ggf. danach?
Wie kann man eine postkapitalistische Wirtschaftsform aufbauen?
Über diese Fragen sollte man vorher nachdenken, bevor es zu spät ist.
habe ich Oekonux immer für ein
linkes Projekt gehalten und hätte auch sonst kein Interesse daran.
Diese Fragen verlangen doch geradezu nach einer Antwort, die von
linken Werten ausgeht. Die Überwindung des Kapitalismus, falls
erforderlich, ist aber Schritt 2.
Schritt 1 ist die Überwindung geistigen Eigentums, und an der haben
auch Freunde des Kapitalismus ein legitimes Interesse.
Tschüß,
Thomas
}:o{#
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de