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Re: [ox] Knappheit_und_andere_Einsprueche




Annette Schlemm (Fri, 18 May 2001) schrieb 

   "Stattdessen wird für den Markt produziert, was das Zeug hält - und
   zwar unabhängig von jeder realen Relation auf das Bedürfnis,
   sondern um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Schlagendes
   Fakt ist, daß zumindest gemessen am zahlungskräftigen Bedürfnis von
   allem und jedem ZUVIEL da ist - Milchseen, Butterberge,
   Fleischmassen. Für nicht zahlungsfähiges Bedürfnis ist das
   natürlich alles zu schade. Das ist doch die heutige, zeitgemäße
   Elementarerfahrung!"

   Für die Leute, die den real gewesenen Sozialismus erlebten,
   allerdings nicht! Hier erlebten wir, daß es auf zumindest einem
   nichtkapitalistischem Wege nicht klappt. ...

Plan statt Markt war also nicht die richtige Alternative. Und alle
Diskussionen über das, was man aus den Wirtschaftsmodellen des "real
gehabten" lernen könne, (wenigstens die Diskussionen, die ich kenne)
laufen heute darauf hinaus, dass NÖS, NEP, Ota Sik und Prager Frühling
etc., interessante Ansätze enthalten, deren Nichtverfolgung (auch) dem
System letztlich das Kreuz gebrochen hat.  Also scheinen
Marktmechanismen doch ein interessantes zivilisatorisches Element zu
enthalten, das bei der ganzen Debatte um die abstrakte Wertform des
Geldes, die letztlich zu den - europäischen - Milchseen, Butterberge,
Fleischmassen führt, noch herauszupräparieren ist, wenn das Kind nicht
mit dem Bade ausgeschüttet werden soll.

   Klar waren viele Bedürfnisse auch zu konsumistisch und zu sehr am
   Westen orientiert. Aber wir haben wirklich ganz stark das Gefühl,
   daß es nicht "einfach so läuft". Die Probleme lagen ja nicht nur an
   eventuell übertriebenen Bedürfnissen, sondern wir haben ganz stark
   überall ständig nur das Erlebnis des Mangels gehabt.  Gerade in der
   Produktion: nicht genug Werkzeug, Rohstoffmangel, Zulieferengpässe,
   ...

Eben. Und das kann man nicht erst jedesmal verhandeln (oder doch?
Vitamin B als klassische Metapher in der DDR?). 

Selbstentfaltung in Deinem Sinne (die freie Entwicklung des Einzelnen)
braucht einen Kontext (die freie Entwicklung aller). In den
"Emanzipationsthesen" steht das so:

   Emanzipation bildet eine Einheit aus Freiräumen und Kompetenz, aus
   Vertrauen und Verantwortlichkeit.

   In diesem Begriff verbindet sich damit sowohl individuell als auch
   gesellschaftsbezogen Anspruch und Herausforderung. Die
   hauptsächliche individuelle Herausforderung besteht in der
   Aneignung und Entwicklung von Kompetenz, um Freiräume
   verantwortlich zu gestalten. Die hauptsächliche gesellschaftliche
   Herausforderung besteht in der Schaffung und Sicherung von
   Freiräumen, in denen kompetente Individuen Verantwortung übernehmen
   können, sowie von Bedingungen, unter denen sich Kompetenz
   eigenverantwortlich reproduzieren und weiter entwickeln lässt.

Beides ist nur zusammen zu haben, im Sinne von Ko-Evolution.

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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