[ox] Re(2): [ox] Konferenz über Gemeinschaften und Netzwerke
- From: "Franz J. Nahrada" <f.nahrada magnet.at>
- Date: Wed, 23 May 2001 20:06:54 +0200
liste oekonux.de (Bernd) schreibt:
Hi Franz!
dein Aufruf zu dieser Konferenz macht mir etwas Sorgen.
Leider kenne ich die Organisation ICSA nicht, aber dass sie bei der
ZEGG-Lebesgemeinschaft eine Konferenz abhaelt, kommt mir sehr spanisch
(ahm, ich meine esoterisch)vor. Ich lese ab und zu mal Berichte aus
politsch- bzw. antifaschistischen (ASTA FU) Kreisen zu dieser
ZEGG-Sekte
Hi Bernd,
nein ich will nicht die x-te ZEGG Debatte führen. Ist off-topic und
auf der Krisis Liste zum Erbrechen geschehen.
Das mit der "Sekte" ist halt so ein Etikett, mit dem man sehr rasch
unliebsame Meinungen abzustempeln pflegt.
Gerade die Öffnung zur Vernetzungsarbeit widerspricht meines Erachtens
dem landläufigen Bild von "Sekte".
"Sekten" sind Organisationen, die wie parasitäre Organismen agieren,
das heißt die Welt strikte in innen und außen teilen, Menschen mit
illusionären Heilsversprechungen funktionalisieren und zerstören.
All das kann ich beim ZEGG nicht entdecken. Ich sehe eher Menschen
mit gewissen Ansprüchen, die sie mit anderen gerne realisieren wollen.
Solange sie dabei anderen nicht schaden, habe ich da weniger Einwände
als gegen Organisationen, die sich gleich für die ganze Welt zuständig
erklären und Uranmunition verschießen. Aber wie gesagt, keine
Sektendebatte.
Eher schon ein Hinweis darauf: Wenn sich Menschen aus verschiedenen
Gemeinschaften heute vernetzen, weil sie über das Internet und andere
Technologien gemeinsame Arbeitsfelder entdecken, dann heißt das auch,
daß die verschiedenen Lebensformen transparent und schonungslos auf
den Prüfstand gestellt werden. Was wiederum nicht heißt, daß sie gerade
deswegen für die einen attraktiv und für die anderen unattraktiv sind.
Das Internet führt über die virtual Communities auch zum Community
Building: es regt an und macht Lust, Gemeinsamkeit auch örtlich-physich
zu leben. Und zwar auf sehr verschiedene Weise.
Das schöne an freier Software ist, daß sie als Gemeinschaftswerk auch
dann funktioniert, wenn die Menschen ihre unmittelbaren Lebens-
beziehungen nach sehr verschiedenen Kriterien gestalten. Ich kann mir
gut vorstellen, daß katholische oder buddhistische Klöster sich genauso
an FS - Projekten beteiligen wie israelische Kibbuzim oder ein Sufi-
Orden. So weit geht das mit der Allgemeinheit der geistigen Arbeit,
daß hier eine ganz unideologische praktische geistige Ebene entsteht,
wie die Straßen und Wege, auf denen wir alle gehen.
Und weil das Resultat dieser geistigen Arbeit eine gewisse Verfeinerung
der Automatisierungs- und Handlungsmöglichkeiten ist, werden die
Menschen weniger damit beschäftigt sein, anderen Menschen Lebensraum
streitig zu machen. McLuhan hat einmal einen schönen Gedanken geäußert:
er vertrat die Theorie, daß alle 400 Jahre in der westlichen Welt eine
Renaiscance stattgefunden hat, quasi eine "ganz lange Welle" wissenschaft-
lichen und technologischen Fortschritts. Er versuchte den Nachweis zu
führen, daß noch jede Renaiscance zu einer "großen Explosion" geführt
hat, zu einer kriegerischen Expansion der von ihr erfaßten Gesellschaften.
"Die erste globale Renaiscance" des Informations- und Automatisierungs-
zeitalters hingegen führe zur "großen Implosion", zur Diversifizierung,
Miniaturisierung und Dezentralisierung unserer Lebensverhältnisse.
Unter diesen Bedingungen ist die gleichmacherische Ausbreitung von
"-ismen", die industrielle und militärische Homogenisierung der
Menschheit obsolet geworden. Die menschliche Entwicklung nimmt
einen völlig neue Richtung, sie geht in Richtung evolutionärer Vielfalt
autonomer selbstbestimmter Lebensformen. Dies ist kein Widerspruch
zur globalen Vernetzung, sondern ihr direktes Resultat. Auf einer
Meta-Ebene arbeiten diese "globalen Dörfer" denn auch zusammen; sie alle
haben ein gemeinsames Interesse, daß die Werkzeuge ihrer lokalen
Handlungsfähigkeit und des nachhaltigen Gebrauchs dieses Planeten
ständig verbessert werden.
In diesem Sinn war mein Aufruf zu verstehen, mal nachzusehen, ob sich
die existierenden Gemeinschaften diesem neuen Gemeinschaftswerk
öffnen wollen - soll heißen, die Bemühung um die Erschließung ständig
neuer und besserer Projekte für freie Software, Hardware, Modelle,
Kulturgüter, Algorithmen, Wissensquellen, Techniken, Prozesse etc.
zu unterstützen anstatt Wissen esoterisch zu hüten oder zu vermarkten.
Hier habe ich eher die oekonux-infizierten als die "Missionare" gesehen
als
umgekehrt ;-), so sich denn welche einen gleichsam politischen Auftritt
zutrauen wollen. Was dann zurückkommt, das war eigentlich die intererssante
Frage. Stell Dir mal vor, in solchen Gemeinschaften könnten tatsächlich
Leute
ziemlich freigestellt werden für die Arbeit an sinnvollen Projekten. In
einem
anderen Thread wurde auf die Beschränkungen hingewiesen, denen heutzutage
die Produktion freier Software unterliegt: man muß Geld verdienen, sich
um alles mögliche sorgen etc. - Gemeinschaftliche Lebensformen können
hier vielleicht sehr viel rationellere Grundlagen liefern, aber auch sehr
viel rationellere technologische Möglichkeiten. Einen Gemeinschaft kann
tatsächlich eine Werkstätte aufbauen, in der ein Design in ein Produkt bis
hin zum Auto umgesetzt wird. Vielleicht sollten wir mal das ZEGG an
solchen
ganz praktischen Maßstäben messen.
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