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Re: Wertabspaltung (war: Re: [ox] Re: Kooperation und den "Keimformen" auf der Spur)



Hallo Ulrich,

"Nur ein Drittel der Arbeit auf der Welt wird von Männern gemacht. Sie
erhalten dafür 90 Prozent aller Einkommen und besitzen 99 Prozent aller
Produktionsmittel...
was diesen Kapitalismus vor allen anderen Produktionsweisen in der
Geschichte ja angeblich so kennzeichnet, ist die Lohnarbeit...
Entweder leben wir gar nicht im Kapitalismus... oder der Kapitalismus ist
anders, als wir bisher geglaubt haben." (Claudia v. Werlhof, S. 194)

Ein gewagtes Unterfangen, daß nun ausgerechnet ich als wertförmig
geprägtes
Mannsbild und heiliger Mann der Arbeit, zudem mehr ahnend als theoretisch
analysierend durch die Warenwelt gehend, dir dieses Problem besser
erklären
können soll, als diejenigen, die sich sehr eingehend und über Jahre hinweg

Manche Leute haben auch theoretische Bretter vorm Kopf. Die Jahre machens
schon gar nicht...
Ich hab nur selbst den Anspruch, etwas auch jemandem so erklären zu können,
daß sie/er eine erste Vorstellung davon bekommt und das dann so gut findet,
daß sie/er  von selber dann auch mehr theoretische Sachen erarbeitet. Ich
kann nicht sagen: Studier erst Hegel und seine Kritiker, dann die Politische
Ökonomie und dann ihre Wertkritik und dann kannst Du, quasi als
Sahnehäubchen, vielleicht auch die Wert-Abspaltung verstehen. Nein, die
Wert-Abspaltung muß in ihren Wert dadurch beweisen, daß ich durch sie eine
neue Sichtweise bekomme, mit der ich die Welt besser erklären kann. Und das
wenigstens andeutungsweise schon mal auf der nicht-perfekt-theoretischen
Ebene. Viele Theorie-Gurus mögen das nicht, aber dann bleiben sie halt auch
ewig unverstanden.

Ich finde das "Mausebär" auf seiner homepage
"http://homepages.compuserve.de/mbaer12/Wert.html";
die Sache in kurzer und dafür aber guter Weise zu erkären versucht.

Ich hab erst mal eine Weile gebraucht, daß man über die sinkenden Schiffe
als Link weiter kommt...

Sie besagt kurzgefasst folgendes: Mit der Entstehung des
warenproduzierenden
Patriarchats der Moderne, zu dem Zeitpunkt als abstrakte Arbeit und
Verwertung
des Werts das Gesellschaftsregime übernahmen, wurde Frauen ein Komplex von
Tätigkeiten zugewiesen, der ausserhalb (aber nicht unbeeinflusst von!) der
Tätigkeit in der wertschaffenden Sphäre der abstrakten Arbeit war:

Für mich ist das Ganze irgendwie gar nicht so neu. Ich las in:
"Was haben die Hühner mit dem Dollar zu tun?" (von Claudia von Werlhof,
1991, den "Bielefeldern" zuzuordnen, die i.a. in Richtung
Subsistenzperspektive tendieren, die R.Scholz ja auch berechtigt
kritisiert -im Analysteil sehe ich hier Gemeinsamkeit):
- die Produktion wird gar nicht einfach nur warenförmiger, sondern wird
gleichzeitig einer neuartigen, geschlechtlichen Arbeitsteilung unterworfen
(S. 53)
-"Hausfrauisierung": "Die Frauen werden zu "Hausfrauen" definiert, damit all
ihre Arbeit, sei sie zur Subsistenz, sei sie direkt für den Markt, gratis
bleiben kann, so als wären sie über den Lohn des Ehemannes "versorgte"
Nur-Hausfrauen." (S. 71), d.i.: trotz Warenproduktion als
Subsistenzproduzentin gelten (S. 73); anderer Schwerpunkt bei Scholz: sie
blickt auf das, was trotzdem keine Warenproduktion wird.
- Prozeß der Teilung und Neubestimmung von Subsistenz- und Warenproduktion:
"Die heutige ländliche Subsistenzproduktion in Venezuela ist kein "Relikt"
vorkapitalistischer oder vorkolonialer Zeiten, sondern selbst Produkt der
modernen Entwicklung" (S. 55) ; vgl. Scholz: heutige Geschlechter sind erst
in 18. Jahrhundert entstanden und nicht von vorher überkommen
- Waren- und Subsistenzproduktion sind voneinander getrennt, aber die
Warenproduktion herrscht über die Subsistenzproduktion und "tendenziell wird
die Subsistenz- zur Warenproduktion" (S. 62) - Differenz Scholz: sie betont
die bleibende Notwendigkeit des Nicht-Warenförmigen
- "Auf ihrer (des weiblichen Arbeitsvermögens) kostenlosen Produktion und
Aneignung beruht nicht nur die Lohnarbeit, sondern die gesamte Akkumulation.
Nicht die Verallgemeinerung der Lohnarbeit, sondern die Verallgemeinerung
der Hausarbeit ist daher der Traum aller Kapitalisten." (S. 127)
- These: es gibt keine abgeschlossene "ursprüngliche Akkumulation", sondern
diese wird ständig in verschiedenen Vormen fortgesetzt - was auch eine
Fortsetzung ihres Mittels, der direkten Gewalt neben allem wertvermittelten
Tausch, beinhaltet. (Kredit, neue Form von Sklaverei, Bindung an bestimmte
Produktionsmittel statt "Freisetzung", ..., S. 90).
- Besonderheit der Opfer der fortgesetzten Akkumulation: Bauern und Frauen:
ihre Produktionsmittel (Boden und Uterus) hängen noch von Naturkräften ab.
"Die Produktion in diesem Bereich mußte daher unter dem allgemeinen
Blickwinkel der Kapitalverwertung organisiert werden, aber in
unterschiedlicher Form und getrennt vom Rest der übrigen gesellschaftlichen
Produktion." (S. 95).
(Scholz zitiert ein anderes Buch von Werlhof, warum verwendet sie nicht auch
dieses?).
Die Idee der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation gibts übrigens auch
bei R. Luxemburg.
Der Vorteil bei Werlhof: alles ist konkret nachvollziehbar, weil anhand
ihrer Erfahrungen in Venezuela und anderer 1991 aktueller Prozesse belegt.
So eine Dimension fehlt mir bei Scholz.
Zusätzlich hier besser: die Kombination mit der Frage der
Globalität/Internationalismus etc. und auch Ökologie...
Der Nachteil: sie sieht zwar in der Aneignung von Frauen- und Naturkräften
eine wichtige Grundlage des Kapitalismus, nimmt sie aber selbst auch mit
hinein in den Wert-Begriff. "Solange Frauenarbeit als nicht nur außerhalb
der Wertbestimmung, sondern auch als außerhalb der Warenproduktion, ja sogar
als außerhalb der Warenökonomie gedacht wird, wird sie doch überhaupt
geleugnet und zur "Naturkonstante" degradiert!" (S. 192). Hier kennt sie nur
ein Entweder-Oder und leider keine Dialektik. (Ihr Waren- und Wert-Begriff
ist auch falsch). Für ein Verständnis dessen, was R. Scholz meint, sind aber
die Ausführungen von Werlhof echt gut.

Ich hab das trotz der Ausführlichkeit noch mal in diese Liste gepostet, um
der Kritik nach der Konferenz, Frauenspezifik und Ökologie sei zu gering
gewesen, etwas zu entsprechen. Schauen wir mal, ob wir einen Bezug dazu
finden, oder nicht... (Wer, wenn nicht wir...?).

Ahoi Annette





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