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Re: [ox] zur Zukunft der Einzelinteressen



Hallo,

"nur folgen, dass es eben gar keine allgemeinen Interessen gibt oder nur
sehr
wenige und abstrakt formulierte, alle praktisch relevanten Probleme und
Konflikte aber damit in keiner Weise gelöst wären."

Wer mal wieder eine Idee von Konkretheit bekommen möchte, der oder dem kann
ich die Buchtrilogie "Roter Mars", "Grüner Mars" und "Blauer Mars" von Kim
Stanley Robinson sehr empfehlen.(ausführl. Rezension der beiden ersten
unter: http://www.thur.de/philo/rez/rotermars.htm und
http://www.thur.de/philo/rez/gruenermars.htm .)  Zwar kennt er Oekonux noch
nicht  ;-) , aber er durchdenkt viele Möglichkeiten und Tendenzen einer
künftigen Revolution (die bei ihm vom Mars ausgeht, das Wichtigste läßt sich
aber auch für die Erde direkt übertragen). Dabei passiert auch so was: Vor
der Revolution gibt es im Untergrund verschiedene Praktiken und
Erfahrungen - danach sieht es schon ziemlich anders aus. Ich hab beim Lesen
immer mal dran gedacht: "Und was heißt das, wenn ich die Oekonux-Gedanken
noch hinzunehme?". Viele Probleme wären auch dann nicht automatisch gelöst -
aber Oekonux hilft, eine etwas andere Perspektive einzunehmen. (und "unser"
Marsbuch muß erst noch jemand schreiben - eine Alternative zu diesen drei
Marsen gibts ja schon mit "Weißer Mars").

A.S.
 Für die Aushandelung der verschiedenen Interessen sollten meiner Meinung
 nach auch hier die Bestimmungen aus Christophs Konzept beachtet werden:
 1. es gibt keine allgemeinen Regeln, wie sie das aushandeln (die können
wir
 auch auch weder vorab festlegen, noch dann ein für allemal festlegen).
R.K.:
"Das ist sehr abstrakt. Jedenfalls wäre eine Vorstellung einer Gesellschaft,
die nicht auf ganz vielen zunächst fraglos vorausgesetzten und sozusagen
schon "mit der Muttermilch eingesogenen" Regeln beruht, m.E. absurd. ...
können, sondern die sozusagen sozial vererbt werden und die sich zumeist
gesellschaftlich auch nur sehr langsam, im Verlaufe von Generationen,
verändern. "

Das Prinzip von Christoph geht ja nicht von nicht vorhandenen Regeln aus.
Aber es gibt die Orientierung: Alle Regeln sind aufhebbar! Was wirklich
sinnvoll ist, werden die Leute auch in Freien Verhandlungen aushandeln. Wir
erleben so einen Umbruch ja auch jetzt schon. Noch zu meiner Kindheit war es
in meinem Umfeld selbstverständlich, daß "man die Wohnung jeden Samstag
putzt". Und wenn man zu Besuch ging, hatten die Kinder schön ordentlich
auszusehen und die Sonntagskleidung vorzuführen. Das regelt sich doch  heute
weitgehend ganz anders, nämlich von selbst, von Fall zu Fall und nicht aus
einem Prinzip, das "mit der Muttermilch eingesogen" wurde. Unsre Tochter
bekam da eher mit, daß und wie wir in der Familie unsere Regeln ständig
thematisieren und auch ständig mal was ändern. Dadurch ändern sich bei uns
Regeln eben nicht "nur sehr langsam, im Verlaufe von Generationen".
Es mag andere Regeln geben, die sich noch so langsam ändern (z.B. haben wir
auch der Tradition gefröhnt und geheiratet, obwohl wir von diesem Zauber
nicht viel halten). Die sollten wir uns so schnell wie möglich bewußt machen
und dann von Fall zu Fall entscheiden, wie wir damit umgehen. Wenn wir sie
gut finden, werden wir sie auch weiter führen. Wenn nicht, dann weg damit.
Wenn vieles so ist, wie Ralf beschreibt, also "sozial vererbt", dann sollten
wir das nicht als unhintergehbares Urteil anschauen, sondern umso mehr
darauf Wert legen, jede dieser bewußtlosen kulturellen Vererbungen möglichst
bewußt zu machen.

"Und in Bezug auf formalisierte Regeln, konkret v.a. Gesetze, kann man auch
nicht alles ständig in Frage stellen, sondern kann es immer nur darum gehen
kann, bestimmte sich als problematisch erweisende Regeln zu kritisieren und
zu ändern."

Kann sein - aber das werde ich jetzt auch nicht als unhintergehbare Regel
des Umgangs mit Regeln vorher festlegen. Das wird dann schon so erfolgen,
wie es den Beteiligten am sinnvollsten erscheint. Das ist ja der Gag: Es
kann nicht gehen, vorher festzulegen, wie wir/sie mit unseren/ihren
Regelungen umgehen. Wir wissen nur: Wir/Sie werden es immer konkret selber
machen. Insofern ist das Konzept eben nicht abstrakt.

"Wenn aber diese Gruppe der Auffassung ist, Atomkraft würde die Sicherheit
nicht wesentlich beeinträchtigen (wenn eine Gruppe z.B. die Fähigkeit hätte,
einen zu bauen und zu betreiben und aufgrund irgendwelcher Bedingungen aus
ihrer Sicht keine akzeptablen anderen Möglichkeiten der Energiegewinnung, "

Ein Patentrezept habe ich dafür nicht (auf dem oben erwähnten Mars gibts
dafür einen Umweltrat). Ein wenig beruhigt mich aber die Tatsache,daß eine
Gruppe aus ihren eigenen Ressourcen eh kein AKW basteln könnte und dazu auf
Kooperation mit anderen angewiesen wäre, die diese dann aber verweigern
würden.

"Treibhauseffekt etc. könnte man ähnliches Diktum wie hier gegen AKW
prinzipiell auch gegen jegliche Art von fossiler Energieerzeugung
formulieren. Dann kämen wir aber fast alle in große Schwierigkeiten, bzw.
das
geht nicht von heute auf morgen. "

Das werden die dann Beteiligten aber auch wissen und dementsprechende
Verhandlungen untereinander, in verschiedenen Ebenen (lokal, regional,
global)...Das verbietet das Konzept doch nicht.
Aber für alle sollte - aus meiner Sicht - als "regulative Idee" (nicht
"Norm") gelten, daß Lösungen nie so aussehen können, daß eine Gruppe "auf
Kosten" einer anderen agiert.

"Konkret wird es unumgänglich sein, gewisse Umweltinteressen zu
beeinträchtigen auf absehbare Zeit, um den gesellschaftlichen Lebensprozess
am Laufen zu halten. Fragt sich dann welche und in welchem Umfang und welche
Prioritäten werden gesetzt etc. Abwägungsprozesse sind unumgänglich. "

Das bestreite ich doch überhaupt gar nicht. Aber diese Abwägungsverhältnisse
müssen sich an der regulativen Idee ausrichten, daß "niemand über andere
verfügen" kann. Und es werden die betroffenen Leute selber sein, die dann
entscheiden - nicht ich jetzt für sie. Mehr will ich jetzt gar nicht
festlegen.

"Die
Interessen und Meinungen der Individuen dazu wären auch ohne Kapitalismus
und
auch ohne Wertvergesellschaftung sehr unterschiedlich. Noch spezieller: Wer
z.B. in der Pampa ohne die realistische Möglichkeit eines ÖPNV-Anschlusses
wohnt, wird zur Autonutzung wahrscheinlich andere Position entwickeln als
eine InnenstadtbewohnerIn, Alte oder gar Behinderte andere als gut
trainierte
RadfahrerInnen etc. Ab welchem Maß von Einschränkung der körperlichen
Leistungsfähigkeit oder von abgelegener Lage soll PKW-Nutzung und wie lange
noch zulässig sein? Dazu sollen alle einer Meinung sein? "

Hat das irgend jemand in Bezug auf unsere Konzepte behauptet????
Das wäre doch totaler Quatsch. Die einzigste gemeinsame Meinung muß sein,
daß niemand über jemand anders verfügen können darf! (genauso, wie heute
common sense ist, daß man keinen Menschen tötet).

 Wie das strukturell gesichert werden kann, darüber sollten wir ruhig
 diskutieren.

"Hab ich klare Position zu: demokratische Mechanismen der Willensbildung und
Entscheidung und der Durchsetzung der getroffenen Entscheidungen sollten
dominieren."

Da werden wir uns noch lange im Kreis drehen, denn wirklich "demokratische
Mechanismen" müßtest du auch erst mal erfinden.
Oder willst Du uns wirklich den bürgerlichen Demokratiemüll empfehlen? (Ja,
ja, ich weiß schon, manches ist da auch besser als im real gewesenen
Sozialismus, "zivilisatorische Errungenschaft" und so weiter. Aber das
reicht auf gar keinen Fall aus und würde die Aufrechterhaltung von
Herrschaftsstrukturen von vornherein voraussetzen, denn die bürgerliche
Demokratie klärt ja nur, wie es unter Herrschaftsverhältnissen möglichst
demokratisch zugehen kann. Sie bemüht sich ja gar nicht erst, was zu
herrschaftsfreien Zuständen zu sagen. Und unter dem mach ichs nun mal
nicht.)

"Ich sehe immer noch nicht, wieso es dann keine unterschiedlichen und z.T.
auch widersprüchlichen Interessen verschiedener Individuen mehr geben soll
oder gar kann, aus den mehrfach von mir genannten Gründen. "

Ich hab doch gar nicht gegen Unterschiedlichkeit und Widersprüchlichkeit.
Auf die Art und Weise der Aushandlung kommt es aber an.
Ich denke, so wie heute kulturell durchgesetzt ist, daß das Töten des
Widersachers keine Lösungsmöglichkeit ist, so wird es dann kulturell gang
und gäbe sein (mit der Muttermilch aufgesogen), daß etwas gegen die
Interessen eines anderen durchzusetzen, keine akzeptable Lösungsmöglichkeit
ist.

"Wenn es konkret
wird, erweist sich diese behauptete quasi automatische Übereinstimmung
individueller und allgemeiner Interessen als frommer Wunsch.."

"quasi automatische Übereinstimmung" hat nie jemand behauptet. Es geht aber
um einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise der Aushandlung. Und die hat
nicht nur subjektive Hintergründe, sondern vor allem gesellschaftlich
strukturelle (heut kann ich meine Interessen weitgehend nur gegen die
anderer durchsetzen...). Wenn diese gesellschaftlich strukturellen
Behinderungen der Möglichkeit der freien Aushandlung beseitigt sind, können
wir weiter gehen. Das wird kulturell nicht selbstverständlich sein, sondern
wir werden das dann nur in der konkreten Arbeit machen können. Aber als
regulative Idee im Hinterkopf werden wir dann das Prinzip haben: "Nie gegen
die Interessen anderer..., nie über andere verfügen..." Das ist doch schon
wesentlich  mehr als wir vorher hatten.

"und das liegt
nicht nur am Kapitalismus oder der Wertvergesellschaftung. Der bringt
allerdings besondere notwendige Widersprüche hervor, aber ohne die gibt es
immer noch welche."

Glücklicherweise, sonst gäbs keine Entwicklung und die wünsch ich mir schon.
Ich will z.B. irgendwann mal Raumschiffe im Weltall haben.... und werde dann
lange aushandeln müssen.
Aber es gibt doch einen grundlegenden qualitativen Unterschied zwischen der
kapitalistischen Gesellschaftsstruktur, in der strukturell angelegt ist, daß
ich heute meine Interessen letztlich nur gegen andere durchsetzen kann, oder
wenn diese Struktur wenigstens erst mal wegfällt. Können wir uns darauf
einigen?

Und weiter gedacht hat eben Christoph Spehr: Er definiert Herrschaft
allgemeiner und berücksichtigt deshalb auch allgemeinere Gefahren, die sich
aus Widersprüchen ergeben können (nicht müssen).

" Was ist denn das für ein Bild von Gesellschaft, im
Endeffekt zu meinen, durch ein paar Zauberwörter wie
"Wertvergesellschaftung", "Fetischismus", "Entfremdung", "Abstraktion" u.ä.
wäre alles erklärt, ..."

Jetzt weiß ich nicht, über wen Du schreibst. Über uns sicher nicht... Oder
Deine Wahrnehmung dessen, was wir tun, ist wirklich sehr begrenzt. Das ist
aber dann nicht unser Problem.

Ahoi Annette


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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