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Re: [ox] Wieder ausgegraben




Hallo Ingo,

Ingo Heer (16 Jun 2001) schrieb 
Aber die Strukturen dessen, was er dabei "zwischen sich und die
Natur schiebt", bestimmen immer stärker sein Sein als
Gesellschaftswesen.
Wenn Du _bedingen_ sagen würdest, würde ich sofort zustimmen. Die
Mittel, welche der Mensch zwischen sich und die Natur schiebt, sind
ja Maschinen. Und diese bestimmen nicht das Sein der Menschen, sie
bilden nur die Voraussetzungen, unter welchen sich diese Menschen
reproduzieren.

Ich gehe davon aus, dass dieser "Maschinenpark", seine Existenz und
seine Struktur, auch sehr stark die Art und Weise und die Formen
(mit)bestimmt, in denen sich der Mensch als Gesellschaftswesen
organisiert. Also doch eher _bestimmt_ als _bedingt_. Allerdings
liegen wir da wohl wirklich nicht weit auseinander, wie Deine weitere
Mail zeigt. Die Komplexität dieser Wechselwirkung kann man
wahrscheinlich nicht in einem Wort festmachen. Ich hatte hier schon
mehrfach auf Fortiers Aufsatz und seine "Discourse of Machines and
Machines of Discourse" hingewiesen. So etwa wie dort gefordert stelle
ich mir einen ordentlichen Ansatz vor.

Der Ansatz aus dem Zitat aus der Dt. Ideologie reicht mir da
allerdings nicht aus

Die Weise, in der die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, hängt
zunächst von der Beschaffenheit der vorgefundenen und zu
produzierenden Lebensmittel selbst ab. Diese Weise der Produktion
ist nicht bloß nach der Seite hin zu betrachten, daß sie die
Reproduktion der physischen Existenz der Individuen ist. Sie ist
vielmehr schon eine bestimmte Art der Tätigkeit dieser Individuen,
eine bestimmte Art, ihr Leben zu äußern, eine bestimmte Lebensweise
derselben. Wie die Individuen ihr Leben äußern, so sind sie. Was sie
sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was
sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die
Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen
ihrer Produktion.
-----------------------------------------
Zitat Ende

Es geht auch darum, dass die "Maschinerie" selbst einerseits
menschengeschaffen ist, andererseits aber als Teil der "materiellen
Bedingungen ihrer Produktion" nicht nur werkzeugförmig auf der
Mittel-Seite, sondern auch als scheinbar unabänderliche
Rahmenbedingung auf der Naturseite des Arbeitsprozesses auftaucht. Das
weitere Stichwort wäre für mich "Kulturlandschaft" als die durch
menschliche Tätigkeit veränderte "Naturlandschaft", die ihren
Kulturcharakter (positiv wie negativ) nur durch die weitere Tätigkeit
des Menschen erhalten (reproduzieren) kann. Sonst "verwildert" sie und
wird wieder reine "Naturlandschaft". Wenn wir Elemente dieser
Kulturlandschaft abschaffen oder umbauen wollen, dann hat das auch
große Auswirkungen auf den Menschen als Gesellschaftswesen. Selbst
wenn wir dieses (kap) System reformieren/abschaffen/überwinden wollen.
Das muss mE mitgedacht werden, also wie sich einerseits diese
Kulturlandschaft durch menschliche Tätigkeit verändert und
andererseits menschliche Tätigkeit in dieser Kulturlandschaft
stattfindet. 

PS.: Ich habe mal die Marx-Werke, welche ich digital auf Scheibe
habe, mal nach Wissenschaft durchsucht. Ich konnte keine Stelle
finden, in welcher Marx dezidiert von Produktivkraft Wissenschaft
schreibt. Das ist meines Wissens nach eine Erfindung der Apologeten.

Mit dem Wort 'Apologeten' bin ich in dem Zusammenhang vorsichtig, denn
das Thema "Produktivkraft Wissenschaft" kommt mE stark aus den
Überlegungen der 60er Jahre, den Marx unter modernen Gesichtspunkten
weiter zu entwickeln. Jedenfalls habe ich das so verstanden. Das
zentrale Problem des Begriffs "Wissenschaft als Produktivkraft" sehe
ich in der dabei vorgenommenen Verkürzung des Wissensbegriffs auf
"nützliches Wissen". Bei Fuchs-Kittowski wird klar herausgearbeitet,
dass das für die Menschheit wirklich relevante Wissen im Zeitpunkt
seiner Kreation gerade _nicht_ in diese Kategorie fällt.  Und was das
Thema "nützliches Wissen" betrifft, da sind wir ja wohl hier und heute
(in diesem System) auch nicht viel weiter. 

Ich habe zu dem Thema vor einigen Jahren mal einige Stichpunkte aus
dem Philosophischen Wörterbuch (DDR) von 1974 synoptisch
aufgearbeitet, die die Ansätze dieser 'Apologeten', glaube ich, recht
gut wiedergeben.  Steht als "Informationsgesellschaft und
Arbeitsgesellschaft" auf
http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/moderne/Texte

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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