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Re: [ox] Gedanken von einem Vortrag (Freiheit)



Hi Stefans und alle,

Stefan JXger schrieb:
Der "Freiheitsbegriff" hat ja ne ziemlich grosse Spannbreite.
Fänd ich mal ganz interessant den ein bisschen für unseren Zusammenhang zu
schärfen.

Ja, ich versuch mal was.

Freiheit ist immer ja ein schwer zu fassender Begriff, irgendwas zwischen
der totalen Schrankenlosigkeit und einer positiven Abhängigkeit.

Freiheit "als solche" gibt es nicht, IMHO. Freiheit ist doch immer
"Freiheit von", und dieses "von" gilt es zu explizieren. Wenn man das
tut, dann ist es nicht mehr so schwer.

Z.B. Free Software: Software, die nicht proprietär ist, über die kein
Proprietär (Eigentümer) exklusiv (andere auschliessend) verfügen kann.

Z.B. Freie Menschen: Menschen in Verhältnissen, in denen sich Menschen
nicht (mehr) auf Kosten anderer durchsetzen.

Klar ist immer - auch wenn es nicht explizit genannt wird - welche
"Unfreiheit" jeweils mit der "Freiheit" gemeint ist, jedenfalls so
ungefähr.

Ganz interessant finde ich die Betrachtung wie das deutsche "Freiheit" im
Englischen heisst. Da haste nämlich zwei Begriffe, das eher persönlich
motivierte "Freedom" und das politischere "Liberty". Wobei Freedom eher
persönliche Freiheiten meint und oftmals auch mit einer Schrankenlosigkeit
assoziiert wird oder auch a la Janis Joplin: "Freedom is just another word
for nothing left to loose." .

Freiheit als Freiheit von der Unfreiheit? Das wäre das einzige
"Freiheitsabstraktum", also "Freiheit als solche", die ich mir
vorstellen kann.

Liberty vom Lateinischen Liberi (Die Kinder) meint eher was ganz anderes
nämlich eine "positive" Abhänigigkeit, die Abhängigkeit der Kinder von
Eltern, die jene als Freiheit empfinden, also die Freiheit auch die
angeblich ein Staat seinen Bürgern garantiert: Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeitsmäßig.

Zu dieser Art bürgerlicher Freiheit gibt es viel von Marx: Die Freiheit
der einzelnen (gleichen) Warenbesitzer. Das ist besonders spannend, weil
Marx klar zeigt, das das "von" sich auf die Befreiung aus personalen
Abhängigkeitsstrukturen bedeutet, gleichzeitig aber auch die "Befreiung"
aus naturalen Subsistenzstrukturen. Personale Freiheit bedeutet nun
totale Abhängigkeit von der kybernetischen Wertmaschine, durch deren
Betrieb alleine die individuelle Reproduktion gesichert werden kann
(unter unseren Bedingungen).

"Freiheit von" heute zu denken kann nicht heissen, "Freiheit von"
personaler Abhängigkeit zu denken, denn personale wie nichtpersonale
Abhängigkeiten sind überlagert von der allgemeinen Abhängigkeit von der
kybernetischen Wertverwurstung - genauer von der Notwendigkeit, vom
Zwang, daran mitzuwirken.

"Freiheit von" heute zu denken, kann nur bedeuten, Verhältnisse zu
denken, in denen die Bedienung der Wertverwertung aufhört Bedingung zu
sein für die individuelle Existenz. Das sind dann auch Verhältnisse, in
denen niemand personal die Möglichkeit hat, andere von sich abhängig zu
machen. Die personale Freiheit ist also in der Freiheit von der
Wertverwertung als gesellschaftlichem Überlebensprinzip aufgehoben.

Ciao,
Stefan

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