Re: [ox] Gedanken von einem Vortrag (Freiheit)
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Thu, 23 Aug 2001 13:23:44 +0200 (MET DST)
Stefan Meretz schrieb
Freiheit ist immer ja ein schwer zu fassender Begriff, irgendwas zwischen
der totalen Schrankenlosigkeit und einer positiven Abhängigkeit.
Freiheit "als solche" gibt es nicht, IMHO. Freiheit ist doch immer
"Freiheit von", und dieses "von" gilt es zu explizieren. Wenn man das
tut, dann ist es nicht mehr so schwer.
Es gibt Freiheit jenseits des "Freiheit von". "Freiheit von" ist ein
äußerlicher Freiheitsbegriff, eine _Re_aktion auf äußere Zwänge. Dem
Emanzipationsbegriff steht der innere Freiheitsbegriff (Engels'
"Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeiten und die Fähigkeit,
entsprechend zu handeln...") deutlich näher, der Freiheit(en) als
Entfaltungsmöglichkeit(en) versteht.
Solche Freiheiten sind aber hochgradig gesellschaftlich eingebunden.
In unseren Emanzipationsthesen heißt es da (Freiheit von der Seite der
Emanzipation aufgerollt):
4. In diesem Sinne verstandene Emanzipation bildet eine Einheit
aus Freiräumen und Kompetenz, aus Vertrauen und
Verantwortlichkeit.
In diesem Begriff verbindet sich damit sowohl individuell als auch
gesellschaftsbezogen Anspruch und Herausforderung. Die hauptsächliche
individuelle Herausforderung besteht in der Aneignung und Entwicklung
von Kompetenz, um Freiräume verantwortlich zu gestalten. Die
hauptsächliche gesellschaftliche Herausforderung besteht in der
Schaffung von Freiräumen, in denen kompetente Individuen Verantwortung
übernehmen können, sowie von Bedingungen, unter denen sich Kompetenz
eigenverantwortlich reproduzieren und weiter entwickeln lässt.
In diesem Sinne verstandene Emanzipation ist eine reflexive, keine
relationale Kategorie. Emanzipation ist zuerst Selbstverwirklichung,
nicht Abgrenzung. Individuelle Emanzipation auf Kosten und zu Lasten
anderer ist nachhaltig nicht möglich. Eigene Emanzipation schließt die
Berücksichtigung des begründeten Emanzipationsanspruchs anderer und
die Ablösung hierarchisch geprägter Kommandostrukturen durch sachlich
geprägte Kommunikations- und Vernetzungsstrukturen ein.
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Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
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