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Re: [ox] Konferenz-Beitrag: Warum Freie Software dem Kapitalismus nicht viel anhaben kann - aber vielleicht trotzdem etwas mit



Hi Sabine und alle!

Zunächst mal: Du hast dich sehr rar gemacht in letzter Zeit. Schön,
daß du noch da bist :-) .

2 days ago sabine nuss wrote:
Das ist ganz schön viel und sicher kann ich nicht in aller
Ausführlichkeit auf Deine Einwände eingehen. Bei einigen ist mir
aber daran gelegen. Ich leg mal los.

Na, da hast du mir aber mehrmals ganz schön den Wind aus den Segeln
genommen ;-) .

I. Freie Software als `Anomalie'
================================
...
Während Unternehmen versuchen, die traditionellen Intellectual
Property Rights (IPR) mittels technischer Sicherungsinstrumente
(Kopierschutz) auch im Cyberland durchzusetzen und damit eine Art
virtueller Enclosures[2] (Aneignung von Datenland) initiieren,

Nun, das ist zumindest ein wenig unscharf. Was m.E. zunehmend
stattfindet ist die technische Unterstützung von IPRs - genauer: von
Verwertungsinteressen. Das Copyright gibt es aber solange es
proprietäre Software gibt und wird seitdem eingesetzt.

Was ist jetzt genau der Unterschied zwischen meinem

 "traditionellen Intellectual Property Rights (IPR) mittels
technischer Sicherungsinstrumente
..durchzusetzen"

und Deinem:

" technische Unterstützung von IPRs -"

Das Wichtige hast du rausgekürzt: "auch im Cyberland". Das klingt so,
als ob das bisher ein rechtsfreier Raum gewesen wäre und das jetzt
momentan eingegliedert wird. Das ist m.E. ganz falsch. Auch Cyberland
war nie ein rechtsfreier Raum, nur daß es aus verschiedensten - nicht
nur technischen - Gründen offenbar schwierig ist, dort Gesetze
durchzusetzen und scheinbar auch nur geringfügiges Interesse seitens
staatlicher Stellen besteht.

Das wäre BTW auch mal einen Thread wert: Das Verhältnis von
Staatlichkeit, Gesetz zu Internet, Freier Software.

In diese Richtung geht auch meine Kritik an "virtueller Enclosures
initiieren". Nein, die Enclosures - auch für Software - hat es schon
immer gegeben. Nur die Zäune versuchen jetzt einige höher zu ziehen.

[Dazu paßt natürlich gut: "In a world without walls and fences, who
needs windows and gates?" ;-) ]

während
zugleich die Staaten Nutzer und Anbieter von frei zugänglichen
digitalen Inhalten illegalisieren, um auch das Cyberland der
herrschenden Rechtsordnung zu unterwerfen,

Wait a minute. Hier setzt ihr "frei zugänglich" mit "legal" gleich -
oder ich verstehe euren Punkt überhaupt nicht :-( . Es gab und gibt
frei zugängliche Inhalte, die illegal angeboten werden. Oder meint
ihr, daß jetzt daran gegangen wird, die Legalität auch durchzusetzen?
Davon ist m.E. wenig zu spüren - vor allem von staatlicher Seite her.

Wenn Napster-User frei zugänglich Musik laden oder
Programmierer einen Entschlüsselungscode frei zugänglich ins
Netz stellen, so war das noch eine Weile lang so, dass zumindest
mir nicht klar war, ob das nun legal ist oder nicht. Ich gehörte auch
(als begeisterte Napser-Userin) zu jenen, denen man ein
"mangelndes Unrechtsbewußtsein" vorwerfen kann und hatte das
Gefühl (wenn ich von Klagen und Hausdurchsuchungen, usw.
hörte), hier wird etwas "kriminalisiert", was doch eigentlich gar
nicht kriminell ist - nach meinem Empfinden.

Ja, dein Rechtsempfinden wird wohl von vielen geteilt. Aber leider
nicht vom Gesetzgeber und auch nicht von den VerwerterInnen. Aber
genau in diesem mangelnden Rechtsempfinden liegt m.E. ein
entscheidender Hinweis auf einen Paradigmenwechsel vor.

entstehen andererseits
Produkte und Produktionsformen, die sich diesen Enclosures und der
Verwertung (zu) entziehen (meinen?): Die Freie Software.

Dieser Punkt durchzieht euren ganzen Text: Die Freie-Software-Bewegung
meint das gar nicht.

Aber da steht doch auch gar nicht die "Freie Software Bewegung",
sondern die "Freie Software". Im ganzen Text (nur weil du sagst,
dieser Punkt zöge sich durch unseren Text durch) kommt das
Wort "Freie Software Bewegung" nur zweimal vor, beide mal aus
Zitaten von Dir und Stefan Mz. Das weiß ich schon, dass Oekonux
nicht für die Freie Software Bewegung spricht, daher habe ich ja
gerade von "Keinformtheoretikern" und nicht von der "Freien
Software Bewegung" gesprochen. Ist mir jetzt nicht ganz klar, wie
Du darauf kommst, dass sich gerade dieser Punkt durch unseren
Text zieht.

Aber dennoch ist der Satz grammatisch natürlich saublöd. Wenn
ich den umdrehe und zusammenziehe, heißt er ja: "Die Freie
Software meint, sie könne sich der Verwertung zu entziehen". Das
ist eigentlich Quatsch, weil die Freie Software kann gar nix
meinen, weil die nicht denkt. Peinlich. ;-)

Ja, aus dieser Unklarheit heraus habe ich dann wohl substituiert, daß
die Freie-Software-Bewegung gemeint sein muß...

Aber anyway: Wer meint sich denn jetzt zu entziehen? Momentan meinen
einige Spinner bei Oekonux, daß es die Freie-Software-Bewegung "an
sich" tut. Sonst niemensch nach meiner Wahrnehmung - schon gar nicht
"für sich" um mal in diesen netten Kategorien zu reden ;-) .

III. Entgegnungen
=================

BTW: Mir fiel auf, daß dieser Teil eures Artikels leider wesentlich
unsachlicher und polemischer und insgesamt argumentativ schwächer
gehalten war. Mich bringt das jedenfalls nicht vorwärts :-( und
irgendwie habe ich das Gefühl, daß solcher Tonfall eher dazu geeignet
ist, (Schützen)gräben auszuheben :-( .

Hm. "Polemik" ist eine Kritik, wogegen man  - argumentativ -
wegen ausrichten oder richtig stellen kann. Das ist glaub ich
Geschmackssache.

Ich mag sie nicht - das weiß ich.

Aber: Wenn ich Deiner Ansicht nach damit
(ich finds übrigens gar nicht so polemisch, aber egal) "Gräben
aushebe", dann wohl nur, weil da einer ist, und das stimmt ja auch,
inhaltlich gibt es Differenzen -

Ja, die werden jetzt auch klarer. Das ist ja das Schöne an einem
Diskurs - jedenfalls an so einem gepflegten wie wir ihn hier führen
:-) .

Bei aller Unterschiedlichkeit der genannten Konzepte gibt es einen
gemeinsamen Nenner: Der positive Bezug auf Freie Software. Sei es
Freie Software als Keim einer künftigen nicht-kapitalistischen
Gesellschaft, oder als Keim einer künftigen Wissensgesellschaft mit
kleinem Marktanteil oder freie Software als "sozialistisches
Prinzip" - in allen Überlegungen taucht sie als Hoffnungsträger für
eine irgendwie "bessere" Welt auf. Wie kommt es, dass der Freien
Software eine solch wichtige Vorreiterrolle zuerkannt wird? Erst mal
ist Freie Software nichts als ein Produkt mit spezifischen
Anwendungsprofilen zur Ausführung und Regulation von
Arbeitsprozessen (oder Spielen). Freie Software ist also als
fertiges Produkt, in seinen technischen Eigenschaften von
proprietärer Software in nichts zu unterscheiden.

Siehe oben. Klar, auf der Ebene von Byte-Strömen unterscheidet sich
Freie Software sicher nicht von proprietärer - aber jenseits dessen
ganz sicher.

Deshalb heißt es ja, "als fertiges Produkt". Ich als Laie schnall das
doch nicht, ob ein Programm "frei" ist oder nicht, wenn ich es
benutze. Das kann ich doch gar nicht beurteilen (außer es steht
irgendwo geschrieben). Selbst wenn die Qualität besser ist, weiß
ich - als Normaluser - nicht, ob das an der Herstellungsweise liegt
oder an was anderem.

Gut, dann lasse ich es mal als meine These stehen, deren Verifikation
oder Falsifikation aussteht. Im Gegensatz zu euch...

Aber der Punkt
ist gar nicht so wichtig, finde ich, weil wir schrieben, in seinen
"technischen Eigenschaften ..nicht zu unterscheiden"...usw. um
quasi dramaturgisch dann im Text auf die eigentlichen
Unterschiede zu kommen.

...ist mir dieser Punkt aber sehr wichtig. Meine Argumentation geht ja
so, daß der *konkrete* Nutzen Freier Produkte auch für die NutzerInnen
höher ist. Dann muß das irgendwie auch bei dir ankommen, sonst stimmt
meine These einfach nicht.

Allerdings würde ich sagen, daß eine einzige nicht notwendige
Neuinstallation des Betriebssystems schon ausreicht, um wenigstens an
dieser Stelle einen niedrigeren Nutzen des M$-Ramschs zu belegen...

Ich denke schon, daß alleine wegen der höheren Qualität BenutzerInnen
anders mit Freier Software umgehen als mit proprietärer.

s.o. ---- Wenn ich von "BenutzerInnen" rede, habe ich eigentlich
automatisch immer die Leute im Kopf, die echt keine Ahnung
haben von Computer, aber zwangsläufig in ihrem Job damit
arbeiten müssen. Du gehst meistenteils von Dir selbst aus und da
glaube ich sicher, dass Du mit Deinem Wissen im fertigen Produkt
Unterschiede zwischen "Freier Software" und proprietärer Software
wahrnimmst (ich meine _hier_ immer Unterschiede in der
Funktionalität, nicht im Preis, nicht im Herstellungsverfahren,
usw.).

Ja, ja, genau die Funktionalität meine ich auch. Stabilität und
Zuverlässigkeit ist wie angeführt so ein einfacher Faktor, der m.E.
auch von LaiInnen wahrgenommen werden kann.

Aber auch solche Punkte wie einfach ein weniger gängelnder Umgang der
Software *mit dir*, der oft genug nur deinen Geldbeutel öffnen soll
(bei XP noch schlimmer als jetzt schon). Weiter vielleicht:
Einfachheit und Schlichtheit anstatt einem kaum überschaubaren
Durcheinander und einer irren Komplexität, die sich zum guten Teil
irgendwelcher dysfunktionaler Glanzeffekte verdankt.

Und da rede ich noch gar nicht von solchen Dingen wie
Konfigurierbarkeit oder Dokumentation, die die LaiIn vielleicht
wirklich nicht (sofort) entdeckt. Aber wer faul ist, wird sie
entdecken ;-) .

Today Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
On Saturday, 25. August 2001 11:30, sabine.nuss prokla.de wrote:
Ja eben. Am fertigen Programm, an der _rein technischen_
_Funktionalität_, kann ich es nicht sehen.

Stimmt. Wenn ein zuvor proprietäres Programm unter die GPL
gestellt wird, gibt es erstmal keine technischen Unterschiede,
obwohl es mitm Mal frei geworden ist.

Das ist natürlich richtig. Ich denke da auch mehr an Software, die
originär der Freien Welt entstammt. Die These wäre dann, daß das
Proprietäre sich bis in einzelne Programmzeilen verfolgen läßt -
vielleicht ein bißchen sehr metaphysisch ;-} -

Aber jetzt wieder zu deiner Antwort, wo ich jetzt auf das kürze, was
mir der Kern unserer Differenz zu sein scheint. Und so langsam glaube
ich zu sehen und zu verstehen, um was es dir geht.

Wenn Freie Software nicht unverträglich ist mit Kapitalismus (und
diese Ansicht teile ich durchaus), dann ist die Keimform also
etwas, was sich in den Kapitalismus eingliedert, oder? Aber dann
verstehe ich wiederum nicht, was die Keimform sein soll, weil es
soll ja dann doch "das Neue" in sich tragen und aus dem Alten
herauswachsen, wenn es aber in das Alte hineinwächst, ist das ein
dem "Herauswachsen" entgegengesetzter Prozess....unsäglich,
dieses "Keimform", das werde ich wohl nie verstehen, wie genau
ihr das meint. Das ist aber im Text extra hervorgehoben, dieser
Zweifel mit "wenn wir diese Debatten richtig verstanden haben".

Ich versuch's mal mit Bildern.

Stell dir die Keimform als Küken vor, daß sich aus der Eischale
befreit. Es ist in die Eischale eingegliedert und könnte bis zum
Schlüpfen ohne sie nicht überleben. Aber irgendwann durchstößt es die
immer störendere Schale und das Neue beginnt sich sichtbar (weiter) zu
entwickeln. Für einen Übergangszeitraum ist das schlüpfende Küken
sowohl in das Ei integriert als auch als vom Ei unabhängiges Wesen
präsent. Das wäre die Keimform.

Oder stell dir den Prozeß des Treppensteigens vor. Noch während du mit
einem Fuß auf der ersten Stufe stehst - ohne die du gar nicht dahin
gekommen wärst wo du bist - wendet sich dein anderer Fuß schon der
nächsten Stufe zu. Auch hier hast du es mit einem Übergangsprozeß zu
tun - einer Keimform des Standpunkts auf der nächsten (Treppen)stufe.
(Wer jetzt an eine Aufwärtsbewegung denkt, soll nochmal genau
nachlesen ;-) ).

Auf ähnliche Weise steckt die Freie Software als Keimform noch voll im
Alten, ja sie könnte ohne dessen Rahmenbedingungen nicht mal
existieren. Gleichzeitig glauben ich und einige andere hier, daß sie
mindestens schon begonnen hat, die Schale anzupicken.

...erationsformen - aber auch nicht
mehr. Weder kann sich dieses Beispiel dem kapitalistischen Zugriff
entziehen, noch stellt es eine `Keimform' dar.

Auch dieses Beispiel ist in den kapitalistischen Kontext integriert.

Nun, im luftleeren Raum *kann* sich nichts entwickeln - schon
deswegen, weil da keineR leben kann. Eine Keimform muß sich also immer
im Alten entwickeln - ihr das vorzuwerfen ist also wenig sinnvoll.

Die obigen Bilder haben das vielleicht noch ein bißchen klarer
gemacht.

Aber mal eine Gegenfrage: Wie muß denn eine Keimform aussehen? Welche
Kriterien müßte sie denn erfüllen? Es ist ja nicht gerade fair, alles
abzuqualifizieren, aber die Kriterien nicht anzugeben, nach denen ihr
qualifiziert.

Diese Gegenfrage würde mich zwingen, einer Denkkategorie eine
Definition zu verpassen (die dann irgendwie anders oder besser
sein soll), die ich grundsätzlich in Frage stelle. Ich kann
"Keimform" nicht einfach anders besetzen, weil ich "Keimform" als
Gedankenkonstrukt wenig gehaltvoll finde.

*Da* liegt der Hase im Pfeffer!

"Keimform" beinhaltet
so viele vorweggenommene Annahmen - speziell auf die Zukunft
bezogen - das ist eine Denkweise, die ich nicht teile, egal, worauf
das nun bezogen ist. Was werden wird, kann niemand mit
Gewissheit sagen, im Umkehrschluss kann man auch keine
Keimform behaupten, weil die schon beinhaltet, was werden wird.

Das heißt aber dann zu Ende gedacht, daß du über Zukunft gar nichts
mehr sagen kannst und in deinem Fall auch nicht mehr sagen willst.
Damit ist politisches *Handeln* aber nicht mehr drin, weil sich
politisches Handeln letztlich immer auf die Zukunft bezieht.

Wenn man sich dann aber zurückzieht auf: Na, genau wissen wir
das auch nicht, ob es eine Keimform sein kann oder nicht, dann
kann man den Begriff der Keimform nicht mehr benutzen, oder?

Wenn du Gewißheit brauchst, dann kannst du nur noch historische
Forschung betreiben - und selbst da hast du sie genaugenommen nicht.

Auch wenn Gewißheiten etwas sehr nützliches sind, ist für mich
Gewißheit kein Wert an sich. Sie kann eineR nämlich im Zweifelsfall
auch ganz schön im Weg stehen - gerade wenn mensch auf der Suche nach
einer neuen Gesellschaft ist. Ich würde daher meinen, daß du auf dem
Weg in eine neue Gesellschaft ohne Ungewißheit prinzipiell nicht
auskommst. Ja du brauchst sie geradezu um die Möglichkeitsräume zu
öffnen, um den Bifurkationspunkt sichtbar und nutzbar zu machen.

Deine Position ist aber BTW nicht untypisch für eine ganze Reihe von
Linken in diesem Land. Und um noch kurz - im doppelten Sinne ;-) ? -
zur Polemik zurückzukommen: Für eine Polemik - oder auch eine
Schlammschlacht - sind Gewißheiten natürlich unabdingbar. Gleichzeitig
zerstören diese Mittel aber die Ungewißheiten, um die es m.E. ja
eigentlich gerade gehen müßte :-( .

Mir wäre ein Diskurs wie unserer hier BTW auch wichtig, um neue
Gewißheiten zu schaffen - und da hat sich zumindest bei mir schon eine
ganze Menge bewegt. Du könntest es auch als Lernen bezeichnen. Lernen
ist immer mit Ungewißheiten verbunden.

So. Soweit zu meinen Einwänden. Etwas ganz Grundsätzliches
möchte ich hier nochmal kurz zu der Auseinandersetzung sagen:

Ich bin da wirklich in einer blöden Rolle, ausgerechnet gegen jene
immer wieder anzureden, denen im Grunde meine politische
Sympathie natürlich mehr gilt, als den Verteidigern des
Kapitalismus.

Immer noch. Wie schön :-) .

Aber dennoch denke ich, sollte die Kritik auf einem
analytisch festen Sattel sitzen und nicht auf Moral, Verklärung,
Wunschdenken, usw.

Gegen irgendwelche Wolkenschlösser bin ich auch - siehe meine teils
recht harsche Kritik an Joytopia, PanokratInnen, Demokratica, etc.

Allerdings verletzt es mich schon ein wenig, wenn du unser nun
wirklich nicht unanalytisches Bemühen mit diesen doch sehr windigen
und meist steinalten Konzepten praktisch in einen Topf wirfst - was du
letztlich ja nicht tust, sonst wärest du wohl kaum noch hier.

Und dann bin ich noch der Ansicht, dass
Kritik (im Sinne von Dekonstruktion der Verhältnisse und nicht
Konstruktion neuer Verhältnisse, die an der Realität vorbeigehen)
der erste und wichtigste Schritt ist, der zweite kann sich nur aus
der Kritik ergeben und wie der aussieht kann ich solange nicht
genau sagen, solange die Kritik nicht durch exerziert ist und in
weiten Teilen Verbreitung gefunden hat.

Da widerspreche ich dir vollständig. Gerade seit Oekonux habe ich wie
nie zuvor gelernt, wie eine neue Sichtweise auf die Dinge eine doch
erheblich veränderte Weltsicht hervorbringt. Insbesondere der Fokus
richtet sich plötzlich auf Phänomene, die ich vorher gar nicht
wahrgenommen habe.

Z.B. die ganze Kritik an der kapitalistischen Technologie. Warum
fordern *die Gewerkschaften* als ArbeitnehmerInnenvertreterInnen
eigentlich keine Maschinen, an denen *Selbstentfaltung* möglich ist?
Nicht nur keine giftigen Dämpfe oder so, nein: richtiggehende
Selbstentfaltung.

Und noch dazu ist die Kritik am Alten ja eigentlich nie abgeschlossen
- wann dann also anfangen mit dem Neuen?

Für mich muß - und seit Oekonux: kann - Analyse und Kritik zum Behufe
einer neuen Gesellschaft nur Hand in Hand gehen mit der Vorstellung
von etwas Neuem, denn die Vorstellung von etwas Neuem, die Utopie muß
letztlich das Erkenntnisinteresse leiten. Wenn du dieses Neue nicht
hast, dann bleibst du dem Alten verhaftet. Und das muß ja letztlich
auch so sein, denn woher soll das Neue denn kommen wenn nicht von uns?

Ich rede hier, wenn ich
Kritik sage, nicht von irgendeinem diffusen "ich find das schlecht,
was hier läuft", sondern von einem richtigen Begriff (im Sinne von
begreifen) des Kapitalismus, in seiner ganzen Totalität und
Auswirkung. Ich rede hier so stark gegen die Argumentation von
Keimform, Freie Welt und Freie Software, usw. an, weil sie meines
Erachtens auf einen nicht richtigen Begriff verweist. Das ist jetzt
pauschal -  aber einige Argumente trifft es.

Das fände ich interessant, das nochmal näher auszuarbeiten.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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