Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation
- From: Benni Bärmann <benni obda.de>
- Date: Tue, 2 Oct 2001 21:07:33 +0200
Hallo Ralf und Mitleser,
btw: Dein Quoting ist ziemlich eigenartig und unübersichtlich.
On Tue, Oct 02, 2001 at 11:21:12AM -0400, RalfKrae aol.com wrote:
Wenn das nur Auszüge sind, gibt es dann auch noch den Rest?
Wenn das Buch erschienen ist.
Wieviel mehr ist das denn noch? Gibt es da noch substantiell neues?
dass von bzw. auf Ebene der Gesellschaft materielle, soziale,
kulturelle, politische etc. Bedingungen gesetzt werden, die die
Handlungsmöglichkeiten der Einzelnen weitgehend bestimmen;
In genau diesem "weitgehend" liegt aber nunmal der Schlüssel zur
Emanzipation. Wenn dieses "weitgehend" ein "vollkommen" wäre, bräuchten wir
uns darüber keine Gedanken mehr machen. FK will nichts anderes, als dieses
"weitgehend" aufzuweichen und eben gerade Handlungsmöglichkeiten schaffen.
Siehe dazu auch die Mails zur kritischen Psychologie von Stefan Mz.
Was soll denn eine emanzipatorische Theorie machen, wenn nicht
Handlungsmöglichkeiten erweitern?"
Ja, aber nicht indem sie die Abhängigkeit der Handlungsmöglichkeiten von den
gesellschaftlich bestimmten Bedingungen reduziert, sondern indem sie diese
Bedingungen verändert.
Das will doch FK genau. die gesellschaftlichen Bedingungen (=Regeln) ändern.
Beziehungsweise die Änderungsmöglichkeit herbeiführen.
Und das kann alles nicht die Theorie allein, sondern
erfordert Praxis.
Eh klar.
Das bedeutet nichts anderes, als das dort verdeckte Kooperationen am Werk
sind. Diese gilt es aufzudecken und nach den Prinzipien FK zu organisieren.
Ich find es schräg, z.B. das Absaufen einer Insel aufgrund Anstiegs des
Merresspiegels aufgrund globalen CO2-Ausstoßes als "verdeckte Kooperation"
der CO2-freisetzenden Weltbevölkerung mit den InselbewohnerInnen zu
betrachten und dies "nach Prinzipien der FK organisieren" zu wollen.
Was ist daran schräg? Die Atmosphäre ist offensichtlich eine gemeinsame
Ressource der gesamten Menschheit und damit deren Schädigung auch ein
gemeinsames Problem der Menschheitskooperation. Natürlich greift hier
zusätzlich dann noch das Problem mit der "Ausnahmeregelung" bei
existentiellen Kooperationen.
Es gibt m.E. keine Gesellschaft ohne "abstrakte Mechanismen".
Na, was es in einer Gesellschaft gibt oder nicht gibt entscheiden letzten
Endes immer ihre Mitglieder. Wenn auch manchmal sehr vermittelt und
indirekt.
Du meinst vielleicht, dass es vorteilhaft für ihre Mitglieder ist
abstrakte Mechanismen zu haben, oder? Dann werden sich die Mitglieder dann
wohl auch darauf einigen können. Nur was Du machst ist ja, das Du sagst es
muss abstrakte Mechanismen geben, weil ich (oder wer auch immer) euch das
sage und das ist nicht akzeptabel.
Das ist jetzt ulkig. Du wirfst Christoph genau das vor, was Du in Deiner
Kritik selber an mehreren Stellen machst, nämlich das er die Kritik
totalisieren würde. Der Schlüssel liegt wie immer im "fast". Es ist eben nur
_fast_ alles erzwungene Kooperation.
Ich meine aber, dass sein Begriff der "erzwungenen Kooperation" viel zu weit
ist und alles mögliche erfasst, was zu kritisieren so global keinen Sinn
macht.
Warum darf man es nicht kritisieren? Du meinst also, es gibt erzwungene
Kooperation (im Spehrschen Sinne) die im Sinne der Gezwungenen ist. Oder
auch etwas zugespitzt, du heisst es gut, dass es Leute gibt, die anderen
sagen können, was gut ist und was nicht? Also gibt es doch gleichere Tiere
als andere?
Oder willst Du sagen, dass bestimmte Leute dann vielleicht nur Unsinn reden,
wenn sie Regeln für problematisch halten? Darf das nur die Mehrheit
entscheiden? Oder wer? Sind am Ende doch wieder einige Tiere gleicher als
andere?
Ich sage nur, dass es häufig sinnvoll und notwendig ist, dass Regeln auch
dann beachtet werden, wenn einzelne sie für problematisch halten, weil es
jedenfalls noch problematischer wäre, wenn es keine Regeln gäbe oder sie
nicht beachtet würden.
Es sagt doch niemand, dass es keine Regeln geben soll. FK heisst nur, dass
ich mich im Zweifel aus dem Gültigkeitsbereich der Regeln entfernen kann.
Mehrheitsentscheidung ist dann nicht die schlechteste
Variante in Fällen, wo kein Konsens herstellbar ist.
Auch Mehrheitsentscheidungen sind in FK denkbar, so lange alle zu gleichen
Bedingungen ihre Gültigkeit in Frage stellen können. Dennoch sind Verfahren
denkbar, in denen in den allermeisten Fällen Mehrheitsentscheide
durchgeführt werden und dann auch von allen akzeptiert werden.
in einigen Punkten geschönt ist), erhebt Spehr die Forderung:
`Entprivilegierung der formalen Arbeit'. Auf die Idee, dass es für die
Betroffenen vielleicht weitaus attraktiver sein könnte, diese
`Privilegien' auf möglichst alle Erwerbsarbeit auszudehnen, scheint er
nicht zu kommen -
In dem Abschnitt geht es nicht nur um "Erwerbsarbeit", sondern um jede
Arbeit. Wenn jetzt aber jede Arbeit, die gesellschaftlich verrichtet wird
mit den "Privilegien" der formalen Arbeit ausgerüstet würde, fände ich das
tatsächlich eine Horrorvorstellung. "Reich mir mal bitte die Butter - Erst
musst Du den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung abdrücken"
Mir geht es aber um die Erwerbsarbeit an dieser Stelle.
Dann redest Du aber einfach an Spehr vorbei.
Schon bisher ist
einfach falsch, wenn Spehr schreibt, "formale Arbeit" leiste nur eine
Minderheit.
Nein, das ist nicht falsch. Zähl alle Stunden die z.B. in Deutschland als
formale Arbeit geleistet werden zusammen und dividiere sie durch die
Lebensstunden. Dann kommst Du auf den Anteil, den formale Arbeit in
Deutschland ausmacht. Hm, ich schätz mal grob 10%.
Wenn alle Zugang zu formaler Erwerbsarbeit mit allen ihren
"Privilegien" haben, zerfällt Spehrs Kritik, dass darauf Herrschaft über
informelle Arbeit beruht.
Ja, das mag ja sein, nur ist das in weiterer Ferne als je. Der Absatz über
den wir reden fängt ja auch an: "Wir erleben heute dass sich Diskriminierung
(...) entformalisiert." Der Witz ist natürlich das "heute" und
"Entprivilegierung formaler Arbeit" ist keine Strategie für jede denkbare
Gesellschaft sondern nur für unsere postfordistische.
Grüße, Benni
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