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Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation



Huhu!

On Sun, Oct 07, 2001 at 10:54:44PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Jetzt werde ich wohl einzeln antworten müssen... Aber don't worry,
Montag bis Mittwoch werde ich aus beruflichen Gründen wohl kaum zu
viel kommen ;-) .

Na, ich sehe schon, die grosse vereinheitlichte Theorie wird nicht mehr bis
zur WOS fertig. So ein Pech aber auch.

Was soll es eigentlich bringen, die ganze Reichhaltigkeit menschlicher
Interaktion in den Begriff "Verhandlung" zu pressen? Was wird dadurch
gewonnen - außer das dann alles so prima ins Stereotyp paßt?

Na, bei der Wertkritik hast Du damit ja auch keine Probleme. Da ist auch
alles Wertverwurstung.

Nein. Da wird z.B. bei der Ware sauber rausoperiert, was Gebrauchs-
und was Tauschwert ist. Diese Begriffe werden auch sauber
unterschieden und wo es keinen Tauschwert gibt, da hat die Wertkritik
auch kein Terrain.

Andererseits hat "der Kapitalismus" nun mal totalitäre Eigenschaften
und versucht alles in "seine" Welt zu holen - d.h. Tauschwert dringt
bis in die letzten Poren vor. Dann wird auch die Wertkritik da
wichtig.

"Hat nun mal" ist genau etwas, was es bei FK nicht mehr gibt. Und mit "hat
nun mal" lockst Du auch niemandem hinterm Ofen vor. Ansonsten bin ich ja ein
Freund von Wertkritik, wenn sie nur nicht so marxistisch wäre ;-)

Nein, eigentlich hab ich immer noch viel zu wenig Ahnung davon um mir
wirklich ein Urteil zu erlauben, obwohl ich inzwischen einiges gelesen habe,
aber die ganze Zeit, immer wenn ich mich damit beschäftige, bleibt bei mir
ein ungutes Gefühl. Dieser Zwang alles auf eine Ursache zurückzuführen geht
mir gegen den Strich, das ist so vereinfachend und linear und "modern".

Also mein Ziel wäre halt ein ganz ähnliches wie das von Stefan Mz., nämlich
Wertkritik und FK miteinander ins Gespräch zu bringen. Ich sitz´ jetzt auch
schon seit zwei Tagen an einem Text dazu, aber hänge etwas fest, weil
eigentlich bräuchte ich die Antwort auf die eine oder andere Mail hier, um
weiterzukommen :-)

Also ich denke halt, wir wollen ja eine Theorie der Befreiung betreiben und
da geht es nunmal um Macht und Herrschaft. Wovon willst Du Dich denn sonst
befreien?

*Das* ist mir im Verlaufe dieser Debatte klar geworden: Von Macht an
sich - zumindest tendenziell. 

Na, ich glaube wir kommen nicht drum rum unsere Macht- und
Herrschaftsbegriffe mal festzuklopfen.

Weil es, wenn ich mir die Frage stelle, wie kann ich mich befreien, darum
geht. Ich kann auch ganz andere Fragen an menschliche Beziehungen stellen,
natürlich. Im Rahmen einer emanzipatorischen Theorie muß man wohl aber auch
die Machtfrage stellen, oder?

Nein, genau die ist da nicht hilfreich - verstehe ich seit einiger
Zeit. Die Geschichte der (nicht-anarchistischen) Arbeiterbewegung mag
als umfangreiche Illustration dienen, wohin die Eroberung der Macht
bestenfalls führt.

Im Rahmen einer emanzipatorischen Theorie muß die Frage gestellt
werden, wie ich meine / Menschen ihre Beziehungen gestalten können, so
daß Macht - also die Möglichkeit etwas gegen Widerstände durchzusetzen
- - (tendenziell) kontraproduktiv wird, denn nur dann schaffst du sie
*wirklich* ab und damit Unterdrückung gleich mit. Nur wenn
Machtausübung nicht mehr im Interesse der Einzelnen liegt, ist sie
obsolet.

Aha, da liegt vielleicht der Haase im Pfeffer. Das was Du da oben als Macht
definierst - etwas gegen Widerstände durchzusetzen - ist nach meinem Begriff
schon Herrschaft oder zumindestens zwischendrin. Macht, wie es Christoph (im
Alienbuch) definiert, ist "Verfügen können über Arbeit und Natur von sich
selbst und anderen". Da ist noch nix von gegen Widerstände durchsetzen drin.
Denn: Wenn da Widerstände entstehen, muss ja verhandelt werden und nur wenn
die Verhandlung positiv für _alle_ Beteiligten ausgehen, kann _gemeinsam_
in der Kooperation gehandelt werden. Sprich: Die Bedingung meiner Macht ist
die Macht der Anderen. Da ist Macht schon fast sowas wie Selbstentfaltung.

Herrschaft hingegen ist dauerhaft asymmetrisch verteilte Macht. Also wie
andernmails schon von Christoph zitiert: Herrschaft ist Dominanz (=
dauerhaft) plus Ausbeutung (= asymmetrisch).

Bis dahin befreist du dich niemals aus dem Spiel von Macht und
Gegenmacht, sondern erreichst bestenfalls einen Machtgleichgewicht, in
dem erst Verhandlung überhaupt gedeihen kann. Denn - hab ich's hier
auf der Liste gelesen? - Verhandlung ist der Modus zwischen Parteien,
die sich wegen Machtgleichgewicht nicht einfach berauben können.

Ja und tatsächlich geht es um das strukturelle Gewärleisten eines
Machtgleichgewichts. Menschen haben immer Macht, Macht über Natur, Macht
über andere Menschen (schon mit dieser Mail hab ich Macht über Dich, weil
ich Dich vielleicht ein bisschen zum Nachdenken bringe!). Herrschaft aber
nimmt den Menschen diese Macht, die sie zu Menschen macht weg und FK gibt
sie ihnen zurück. To be someone, wie es Christoph nennt.

Daß da Macht *auch* drin vorkommt und je entfremdeter desto mehr will
ich nicht bestreiten. Daß sie da auch noch reingestopft werden muß,
wie die Freie Kooperation es fordert, das halte ich für
kontraproduktiv. 

Wer stopft denn wo Macht rein, wo keine drin ist? 

Siehe oben. Dadurch, daß Freie Kooperation die Erpressung in alle
Kooperationen reinzwingt, die das Label "Frei" banspruchen wollen -
egal, ob diese Kooperationen auch ohne Macht auskämen oder nicht.

Nein, FK als Verfahren ist explizit gedacht für erzwungene Kooperationen. In
Freien ist es nicht nötig. Nur dadurch, das die Möglichkeit besteht zu
gleichen Bedingungen zu verhandeln, brauch ich es schon garnicht mehr zu
tun.

Wir scheinen uns immerhin anzunähern :-) . Na ja, vielleicht wird's ja
jetzt wieder ein Stück deutlicher.

Ja, scheinbar liegt da wirklich im Begriffsverständnis von "Macht" ein
Missverständnis.

Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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