Re: [ox] Artikel: Anmerkungen zu Produktivkraftentwicklung und Aufhebung
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Mon, 8 Oct 2001 04:10:28 +0200
Hi, Christian!
Mir fällt an deiner Stellungnahme etwas auf:
On Saturday, 6. October 2001 14:11, Christian Fuchs wrote:
Eine Gefahr, die ich in der Diskussion um "Freie" Software
sehe, ist nun, wie ich beobachtet habe, dass von aktuellen
technischen und organisatorischen Entwicklungen haeufig auf
einen Automatismus der emanzipatorischen gesellschaftlichen
Veraenderung geschlossen wird.
Das hab ich noch nicht beobachtet.
1. Zum Begriff "freie Software"
Software ist erstmal unabhängig davon "freie Software", welche
technischen oder organisatorischen Besonderheiten bei ihrer
Entwicklung eingesetzt wurden. Ebenso sagt der Begriff nichts
darüber aus, ob die Entwickler dabei freiwillig
zusammengearbeitet haben oder ob sie in einem Sweatshop
ausgebeutet wurden. Der Begriff der "freien Software" ist rein
darüber definiert¹, welche Rechte der Anwender hat.
Genau diese Rechte aber ermöglichen jedermann, wenn auch nur auf
geistigem Gebiet, freiwillig zusammenzuarbeiten und dabei legal
auf dem bereits Erreichten anderer uneingeschränkt aufbauen zu
können, d.h. nicht von Punkt null anfangen zu müssen. Diese
Rechte führen aber nicht automatisch diese Form der
Zusammenarbeit herbei, sondern ermöglichen sie nur.
2. Internet
Ebenso sieht es mit den technischen und organisatorischen
Möglichkeiten des Internets aus: Auch diese führen nicht
automatisch zu freiwilliger Zusammenarbeit, sondern schaffen
lediglich wichtige Voraussetzungen.
Durch das Internet ist es möglich, daß Leute, die ein
gemeinsames Anliegen haben, trotz großer Entfernungen sich
kennenlernen und gemeinsame Vorhaben planen und (auf geistigem
Gebiet sogar ausführen) können.
Eine internetbasierte freiwillige Zusammenarbeit hat aber nicht
in jedem Fall freie Software zum Gegenstand. Es kann genausogut
dabei z.B. gemeinsam eine Pamela-Anderson-Fan-Page gestaltet
oder ein unterirdischer Campingurlaub organisiert werden.
3. Beides
Die rechtlichen Eigenschaften freier Software und die
technischen Möglichkeiten des Internet ergänzen sich
hervorragend und schaffen zusammen zusammen eine gute
Ausgangsbasis für freiwillige Zusammenarbeit.
Eine Wirtschaftsordnung der freiwilligen Zusammenarbeit ergibt
sich dadurch aber nicht automatisch, sondern höchstens eine
Wirtschaftsordnung mit der durchgängig anzutreffenden
Möglichkeit der freiwilligen Zusammenarbeit. Aber auch eine
solche Wirtschaftsordnung entwickelt sich sicher nicht ohne die
aktive Ausweitung oben genannter Prinzipien auf andere Bereiche
als nur Computerprogramme.
Tschüß,
Thomas
}:o{#
¹) o The Free Software Definition
http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html
o Die Debian-Richtlinien für freie Software (DFSG)
http://www.debian.org/social_contract#guidelines
PS:
Gesellschaft, in der "Jeder nicht einen ausschliesslichen
Kreis der Taetigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen
Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine
Produktion regelt und mir eben dadurch moeglich macht, heute
dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu
fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu
kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jaeger,
Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." (Marx/Engels 1845/46,
Das Zitat hab ich gesucht. Echt super! :o)
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