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Re: [ox] Re: Arbeit, Produktion, Wert?



Hallo Ralf,

Ralf Krämer schrieb:

Hallo Ingo,

Zusammenfassend meine ich: Was Marx Planbarkeit genannt hat, ist für
mich die Integrabilität dynamischer Systeme nach Prigogine.
      http://www.gerling-academy-press.com/books/stengers.htm
      http://order.ph.utexas.edu/people/Prigogine.htm

Berechenbarkeit als Kriterium für Arbeit:
Ich zitiere nochmals Marx:
--- Zitat Anfang ---
Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn
desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell
vorhanden war.
--- Zitat Ende --- (MEW, Bd. 23, S. 192/193)

Ich denke, dass du Marx' hier überinterpretierst. Wo steht bei ihm, dass er "Planbarkeit" und "Berechnebarkeit" so eng wie du als Arbeitskriterium begreift? M.E. gibt es dafür keinen Beleg.

Nein, ich überinterpretiere ihn da nicht. Ich versuche hier einen
Anschluß von Marx an das heutige Wissen herzustellen.
Das, was ich zur Berechenbarkeit geschrieben habe, sind
wissenschaftliche Auffassungen, die erst im letzten Jahrhundert, also
nach Marx, entwickelt wurden. Marx hat weder etwas von Poincare noch von
Prigogine gewußt. Es geht daher nicht um Interpretation, sondern um
Anschluß.


Es geht m.E. nur darum, dass Menschen vorher eine bewusste Vorstellung von dem angestrebten Resultat ihrer Arbeit haben, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn dies deine Auffassung ist, dann ist dies dir unbenommen. Das will
dir niemand wegnehmen. Der Diskurs hat sich aber darum gedreht, wie Marx
das sieht. Und Marx sagt ganz deutlich, dass es nicht nur um das
angestrebte Ziel geht, sondern dass der ganze Weg dorthin (Plan) schon
im Kopf vorhanden sein muß. Wenn ich das falsch gelesen habe, sage mir
bitte Bescheid.

Das trifft völlig auch auf die vielfältigen Arbeitsarten zu, die sich auf nicht vollständig vorhersagbare Systeme beziehen.

Was sind für dich _nicht vollständig vorhersagbare Systeme_ ? Ich habe
eine grobe Klassifikation in einer meiner mails angegeben. Falls du hier
eine Präzisierung willst, kann ich diese nachliefern. Aber ich erwarte
auch von dir, was du unter 'nicht vollständig vorhersagbaren Systemen_
verstehst.

Es darf selbstverständlich nicht so sein, dass überhaupt kein und sei
es auch nur statistischer Zusammenang zwischen dem Arbeitseinsatz und
dem Resulat besteht, aber darum geht es ja auch nicht. Aber sowohl bei
der Arbeit z.B. eines Bauern oder Gärtners oder eines Lehrers besteht
bei aller Unberechenbarkeit im Einzelnen und im Detail ein hinreichend
stabiler Zusammenhang zwischen Arbeit und Resultat.

Das würde ich zumindest für den Lehrer abstreiten.
Da ich dies hier nicht in Kürze ausführen kann, will ich hier ein paar
Literaturquellen angeben.

1. Zur Rechenschwäche: http://home.t-online.de/home/fred.steeg/resi.htm
2. Zur Kritik der Didaktik:
	Freerk Huisken, Zur Kritik bürgerlicher Didaktik und Bildungsökonomie,
List 	Taschenbücher der Wissenschaft, Erziehungswissenschaft,Band 1663,
List Verlag München, 	1973


Wenn ein Lehrer Schülern Rechnen unterrichtet und alle oder fast alle seiner SchülerInnen anschließend das kleine Einmaleins können, aber selbst wenn es nur ein kleiner Teil wäre, der das Lernziel erreicht, ist die Defintion von Arbeit in Bezug auf die Lehrtätigkeit völlig hinreichend erfüllt.

Das ist doch gerade das Problem, dass diese das nicht können. Das macht
uns Lehrern doch gerade das Leben so schwer. Siehe nochmals die obige
URL zur Rechenschwäche.

 
Die Struktur der Lerninhalte hat mit der Struktur der Psyche der
Lernenden primär nichts zu tun.

Ich meinte, dass Kenntnis der Struktur der Lerninhalte für die LehrerIn nötig ist, um didaktisch sinnvoll vorzugehen, und das hat schon Bedeutung für das zu erwartende Lernresultat.

OK.

Warum denn nicht? Er sagt ganz klar, dass er jeden Teil der
gesellschaftlichen Arbeit als Arbeit betrachte. Also zum Biespiel die
Tätigkeit des Ingenieurs, der den Konstruktionsplan erstellt. Dies ist
Arbeit im Marxschen Sinne, auch wenn der Ingenieur weder Hammer noch
Sichel noch Pflug in die Hand nimmt.
Aber er sagt auch,

--- Zitat Anfang ---
Die obige ursprüngliche Bestimmung der produktiven Arbeit, aus der Natur
der materiellen Produk- <532> tion selbst abgeleitet, bleibt immer wahr
für den Gesamtarbeiter, als Gesamtheit
betrachtet. Aber sie gilt nicht mehr für jedes seiner Glieder, einzeln
genommen.
--- Zitat Ende ---

Es muß also nicht jeder Arbeiter einen Hammer in die Hand nehmen und
nicht jeder Arbeiter einen Plan erstellen (d. h. Ingenieur sein).

Völlig klar, dann sind wir uns da ja einig.

Finde ich gut.

Nur ist dann m.E. dein Begriff der gesellschaftlichen Gesamtarbeit zu eng. 

Warum?

Zu der gehört nämlich auch z.B. die zur Reproduktion der Arbeitenden notwendige Arbeit, u.a. auch die Lehrtätigkeit,

Hier machst du ja gerade das zur Voraussetzung, über das wir uns uneinig
sind! Das mußt du ja mir gerade beweisen. Ich sehe dies doch anders.

oder z.B. auch die zur Verteilung der Produkte und die zur Verwaltung dieser Prozesse 

Ob Verwaltung Arbeit ist, weiß ich nicht. Darüber habe ich mir jetzt
noch keine Gedanken gemacht. Aber der Anstoß dafür ist da!
notwendige Arbeit.

In MEW 23, 531 sagt Marx sogar ausdrücklich: "so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er ... Kinderköpfe bearbeitet" als Lohnarbeiter des Kapitals (hier einer Privatschule). 

Aber dies ist doch gerade der Punkt, an welchem ich Marx kritisiere. Ich
habe doch nicht bestritten, dass er das dort sagt. Aber ich bin an
diesem Punkt nicht mit ihm einig.

Der Arbeitsgegenstand sind hier also ausdrücklich die "Kinderköpfe", und zwar nicht zum Haareschneiden, sondern gemeint ist die Psyche der Kinder, die sicherlich ein sehr chaotisches System ist, aber eben auch nicht nur chaotisch.


Ja. Und hier bin ich der Auffassung, dass die Tätigkeit, da was in diese
Köpfe reinzukriegen, nicht Arbeit ist, sondern eine davon _verschiedene_
produktive Tätigkeit ist. 
 
Freundliche Grüße

Ralf Krämer

Gruß Ingo.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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