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Re: Re: [ox] Re: Arbeit, Produktion, Wert?



Hallo Ingo,

Ich denke, dass du Marx' hier überinterpretierst. Wo steht bei ihm, dass er "Planbarkeit" und "Berechnebarkeit" so eng wie du als Arbeitskriterium begreift? M.E. gibt es dafür keinen Beleg.

Nein, ich überinterpretiere ihn da nicht. Ich versuche hier einen
Anschluß von Marx an das heutige Wissen herzustellen.
Das, was ich zur Berechenbarkeit geschrieben habe, sind
wissenschaftliche Auffassungen, die erst im letzten Jahrhundert, also
nach Marx, entwickelt wurden. Marx hat weder etwas von Poincare noch von
Prigogine gewußt. Es geht daher nicht um Interpretation, sondern um
Anschluß.

Wieso meinst du dann, dass er deiner Auffassung gewesen wäre, dass der Arbeitsbegriff in Bezug auf nichtintegrable dynamische Systeme nicht anwendbar sei. Ich bestreite das und bleibe dabei, das für einen zu engen Arbeitsbegriff zu halten.

Es geht m.E. nur darum, dass Menschen vorher eine bewusste Vorstellung von dem angestrebten Resultat ihrer Arbeit haben, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn dies deine Auffassung ist, dann ist dies dir unbenommen. Das will
dir niemand wegnehmen. Der Diskurs hat sich aber darum gedreht, wie Marx
das sieht. Und Marx sagt ganz deutlich, dass es nicht nur um das
angestrebte Ziel geht, sondern dass der ganze Weg dorthin (Plan) schon
im Kopf vorhanden sein muß. Wenn ich das falsch gelesen habe, sage mir
bitte Bescheid.

Da wie du selber sagst, Marx dein spezifisches Problem, s.o., noch gar nicht kennen konnte, ist es deine freie Interpretation, dass sein Begriff von Planbarkeit so eng gewesen sei wie deiner.

Das trifft völlig auch auf die vielfältigen Arbeitsarten zu, die sich auf nicht vollständig vorhersagbare Systeme beziehen.

Was sind für dich _nicht vollständig vorhersagbare Systeme_ ? Ich habe
eine grobe Klassifikation in einer meiner mails angegeben. Falls du hier
eine Präzisierung willst, kann ich diese nachliefern. Aber ich erwarte
auch von dir, was du unter 'nicht vollständig vorhersagbaren Systemen_
verstehst.

Meinetwegen nichtintegrable dynamische Systeme. Deren Chaotik in dem Sinne, dass kein planmäßiges Einwirken auf sie möglich sei, überziehst du m.E. auch. Dass ihr Verhalten nicht im Einzelnen und präzise steuerbar ist, heißt doch nicht, dass nicht bei Inkaufnahme von Unschärfe des erzielten Resultats und Mißerfolgsrisiko planmäßiges Einwirken auf sie möglich sei, sowohl z.B. aufs Wetter (in umgrenzten Gebieten) wie auch auf menschliche Psyche.
 
 >Es darf selbstverständlich nicht so sein, dass überhaupt kein und sei
es auch nur statistischer Zusammenang zwischen dem Arbeitseinsatz und
dem Resulat besteht, aber darum geht es ja auch nicht. Aber sowohl bei
der Arbeit z.B. eines Bauern oder Gärtners oder eines Lehrers besteht
bei aller Unberechenbarkeit im Einzelnen und im Detail ein hinreichend
stabiler Zusammenhang zwischen Arbeit und Resultat.

Das würde ich zumindest für den Lehrer abstreiten.
Da ich dies hier nicht in Kürze ausführen kann, will ich hier ein paar
Literaturquellen angeben.

1. Zur Rechenschwäche: http://home.t-online.de/home/fred.steeg/resi.htm
2. Zur Kritik der Didaktik:
	Freerk Huisken, Zur Kritik bürgerlicher Didaktik und Bildungsökonomie,
List 	Taschenbücher der Wissenschaft, Erziehungswissenschaft,Band 1663,
List Verlag München, 	1973

M.E. überziehst du auch hier die Bedeutung der Kritik. Trotz allem ist es so, dass die Kinder in der Schule zumindest z.T. und unter anderem auch etwas von dem lernen, was die LehrerInnen ihnen beibringen wollten. Und das reicht m.E., um Lehrtätigkeit als Arbeit anzuerkennen.

Wenn ein Lehrer Schülern Rechnen unterrichtet und alle oder fast alle seiner SchülerInnen anschließend das kleine Einmaleins können, aber selbst wenn es nur ein kleiner Teil wäre, der das Lernziel erreicht, ist die Defintion von Arbeit in Bezug auf die Lehrtätigkeit völlig hinreichend erfüllt.

Das ist doch gerade das Problem, dass diese das nicht können. Das macht
uns Lehrern doch gerade das Leben so schwer. Siehe nochmals die obige
URL zur Rechenschwäche.

S.o. Ich kenne sehr viele Menschen, die in der Schule zumindest halbwegs Rechnen gelernt haben, und zumeist klappt das auch heutzutage noch.

Nur ist dann m.E. dein Begriff der gesellschaftlichen Gesamtarbeit zu eng. 

Warum?

Zu der gehört nämlich auch z.B. die zur Reproduktion der Arbeitenden notwendige Arbeit, u.a. auch die Lehrtätigkeit,

Hier machst du ja gerade das zur Voraussetzung, über das wir uns uneinig
sind! Das mußt du ja mir gerade beweisen. Ich sehe dies doch anders.

Ich betreite ja nicht, dass du das anders siehst. Behaupte nur, dass es sinnvoll ist, das so zu sehen, weil das eben notwendige Teile der zur Reproduktion der Gesellschaft und damit des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur zu leistenden Arbeit sind. Und ich behaupte, dass Marx das auch so sah.

In MEW 23, 531 sagt Marx sogar ausdrücklich: "so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er ... Kinderköpfe bearbeitet" als Lohnarbeiter des Kapitals (hier einer Privatschule). 

Aber dies ist doch gerade der Punkt, an welchem ich Marx kritisiere. Ich
habe doch nicht bestritten, dass er das dort sagt. Aber ich bin an
diesem Punkt nicht mit ihm einig.

Da hab ich ja auch kein Problem mit, dass du da mit ihm nicht einig bist. Aber du behauptest, Marx widerspreche da seinem eigenem Arbeitsbegriff, und das stimmt nicht, weil er eben nicht deinen, den du ihm unterschieben willst, hatte, sondern einen weiteren, der mit dieser Äußerung völlig kompatibel ist. Und aus dem Zusammenhang wird m.E. auch deutlich, dass Marx diese Tätigkeit als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit betrachtet.

Der Arbeitsgegenstand sind hier also ausdrücklich die "Kinderköpfe", und zwar nicht zum Haareschneiden, sondern gemeint ist die Psyche der Kinder, die sicherlich ein sehr chaotisches System ist, aber eben auch nicht nur chaotisch.

Ja. Und hier bin ich der Auffassung, dass die Tätigkeit, da was in diese
Köpfe reinzukriegen, nicht Arbeit ist, sondern eine davon _verschiedene_
produktive Tätigkeit ist. 
 
Kannst du ja dieser Auffassung sein, ich bin anderer. Wir werden uns da wohl nicht einig werden und können es wohl dabei belassen.

Freundliche Grüße

Ralf Krämer
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