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Re: [ox] WOS2 -- Wohlstand



Hi Gregor und alle,

Gregor Zeitlinger wrote:

>>Effizienz ist ein Leerwort. Effizienz wird gerade in Afghanistan
>>praktiziert. Effizienz wofür und worin? Ökonomische Effizienz ist
>>tödlich, irgendwann. Effiziente Produktion kann sinnvoll sein - in
>>einer GPL-Gesellschaft z.B.
>>
> Effizient ist Wertfrei. Da hast du natürlich recht. Ich habe ja
> deshalb auch effizient mit bestimmten Vorgaben (Contraints) erwähnt.

Wenn Effzienz wertfrei wäre, dann wäre schon alles ok, dann hätten wir
die GPL-Gesellschaft ohne GPL. Effizienz ist aber unter unseren
Bedingungen in der Regel gerade bezogen auf den Wert, er ist das Mass der (ökonomischen) Effizienz. Das ist doch das Problem.

>>Nach meinem Eindruck ist eher das Gegenteil der Fall: Es ist ein weit
>>verbreitetes Vorurteil, dass ökonomisch ein neutraler Begriff sei im
>>Sinne einer "Aufwands-Ergebnis-Betrachtung".
>>
>>In Wahrheit ist es ein hochgradig ideologischer Begriff, der
>>verschleiert, dass "Ökonomie" eine aus der Lebenssphäre herausgelöste
>>Sondersphäre der selbstzweckhaften Vermehrung von Wert ist. Diese
>>erscheint uns so "normal", ist uns so sehr zur "zweiten Natur"
>>geworden, dass Ideologen ohne grosse Anstrengung behaupten können:
>>Ökonomie, guckt euch doch um, ist etwas Normales, nein, mehr noch: Es
>>ist etwas Natürliches.
>>
> Das ist aber schon geradezu bösartig, mir zu unterstellen, daß ich den
> Begriff ideologisch verdreht benuzte, nur weil das viel zu häufig
> getan wird. Gerade weil mich das stört, studiere ich ja VWL, um
> inhaltlich fundierte Kritik üben zu können.

Ich habe extra nicht von dir gesprochen, ich unterstelle dir gar nichts.
Was ich sagen will ist: Es gibt nicht den Begriff und seine
ideologische Verdrehung - wie du meinst -, sondern der Begriff selbst
_ist_ ideologisch. Meine Illustration zeigt doch nur, wie mit dem
Begriff operiert wird - nicht mit seiner Verdrehung, sondern mit dem
Begriff selbst. Wenn du VWL studierst, dann steht der Ökonomiebegriff
vermutlich nicht zur Disposition, er wird vermutlich eher die Grundlage
der VWL sein.

> Der blinde glauben an Ökonomen kann natürlich ideologisch fragwürdig
> sein. Das gilt für die Naturwissenschaften übrigens auch. Würdest du
> deshalb sagen, Naturwissenschaften sind humbug? Das gilt desweiteren
> auch für sämliche analytische Betrachtungen.

Es geht nicht um den blinden Glauben an Ökonomen, sondern um den blinden
Glauben an die Ökonomie. Willst du mit dem Verweis auf die
Naturwissenschaft sagen, Ökonomie sei sowas wie Naturwissenschaft? Das
meine ich, das ist Ideologie: erste Natur und zweite Natur.

>>Gibt es eine unreine ökonomische Betrachtung?
>>
> Ja, wenn man Ideologien unter dem Deckmantel der Ökonomie verkaufen
> will, was auch häufig geschiet.

Eine Ideologie unter dem Deckmantel einer Ideologie verkaufen? Na ja,
das mag es geben, richtig.

>>Wie sehr herausgelöst und verselbstständigt Ökonomie und derartiges
>>Denken ist, zeigst du in diesem Absatz. Die Ökonomie ist gegenüber dem
>>Menschen "neutral", sie hat mit ihm eigentlich nichts zu tun, denn in
>>der Ökonomie handelt und leidet der Mensch nicht als Mensch, sondern
>>nur als ein Aggregatzustand von Wert (aka Kostenfaktor).
>>
> Deine Kritik auf mein Beispiel angewandt, heißt doch in anderen
> Worten: Du würdest aus moralischen Gründen alle Resourcen verwenden,
> um einen Menschen zu retten, während deshalb (ja, auf lange sicht ist
> das so) evtl. viele Menschen mehr nicht gerettet wenden können, weil
> die Behandlung bei ihnen weniger Aufwand verursacht. Das halte ich für
> sehr unmoralisch. D.h. also daß eine ökonomische Betrachtungsweise mit
> moralisch einwandfreien Vorgaben sehr viel humanere Resultate
> produziert als die gleiche moralische Sichtweise mit einer
> "intuitiveren" herangehensweise.

In einem ideologischen Denksystem kann ich nur die Ideologie denkend
reproduzieren. Ich kann nicht ökonomisch gegen deine Argumente angehen,
ich gehe gegen die Ökonomie an in Ideologie und Praxis. Wenn es um die
Rettung von Menschen geht, dann kann ich dir nur sagen: Die allermeisten
Menschen würden gerettet, würde endlich die Ökonomie als
verselbstständigtes, gegen die Lebensinteressen der Menschen tobendes
System beendet würde. Begründung und Ineffizienznachweis: Es sterben
jeden Tag 100000 Menschen an Unterernährung (FAO-Weltbericht 2001), also
an der Ökonomie weltweit (andere ökonomische Folgen nicht eingerechnet).

Was du versuchst, ist die Quadratur des Kreises: Du versuchst ökonomisch
produziert "Effekte" ökonomisch zu bekämpfen - was soll da anderes raus
kommen als eben diese "Effekte"? Das ist wie WindowsNT-Sicherheitslöcher
mit WindowsXP zu bekämpfen.

Was wir brauchen, ist eine andere Form unser Leben zu produzieren als
die ökonomische. Eigentlich sehr simpel. Ein Kriterium, dass StefanMn auf der WOS genannt hat, habe ich vehement unterstützt: kein Tausch. Eine Art Lackmustest.

>>Hier wird übrigens auch wunderbar deutlich, warum "Moral" für die
>>Wertvergesellschaftung konstitutiv ist: Würde man der Ökonomie nicht
>>reinpfuschen, würde sie sich zu schnell selbst umbringen. Siehe unser
>>früherer Moralthread - da müsstest du ins Archiv gucken.
>>
> vielleicht geht aus meinem letzten Absatz hervor, wieso das nicht
> zutrifft.

Aus deinem Absatz geht die Bestätigung meiner Beobachtung hervor. Du
argumentierst moralisch, ich nicht.

>>Es ist eine kategoriale Kritik.
>>
> Mit dieser Verantwortung stielst du dich aus der Verantwortung dein
> anliegen in ökonomischen Zusammenhängen zu erläutern, womit du#
> jegliche inhaltliche Auseinandersetzung unmöglich machst.

Ich begründe ja gerade, dass ich mein Anliegen in ökonomischen
Zusamenhängen nicht erläutern kann. Das geht in der Logik einfach nicht.
Innerhalb des ideologischen Kontextes der Ökonomie wird mir die
Auseinandersetzung verunmöglicht. Ich kann mein Anliegen genauso wenig in anderen ideologischen Fetischsystemen erläutern.

> Man muß ein System schon
> kennen, um es kritisieren zu können ohne oberflächlich zu bleiben.

Das ist wie bei Hilbert: Ein mathematisches System kannst du mit den
Mitteln des Systems nicht beweisen oder kritisieren. Du brauchst
Axiome, die nicht aus dem System abgeleitet werden können (sonst wären
es ja keine). So ist das mit der Ökonomie: Sie basiert auf Kategorien,
die du immanent nicht kritisieren kannst. Um das System zu kritisieren
musst du aber die Kategorien kritisieren, und das geht nur, wenn du dich
gedanklich aus dem System begibst. Und du musst das System in seiner
immanenten Logik natürlich kennen, da stimme ich dir zu.

> Es wäre natürlich auch logisch, bestimmte Vorraussetzungen in Frage
> zu stellen und damit alle Schlußfolgerungen die darauf beruhen. Das
> tue ich ja auch.

Das konnte ich nicht finden.

> Aber trotzdem bleiben immer noch logische Zusammenhänge, die nicht auf
> diesen Vorraussetzungen beruhen.

Welche?

> Ich fürchte wir können diese Diskussion nur
> effektiv weiterführen, wenn du etwas genauer sagst, was du nun meinst.

Ich bemühe mich - wo habe ich mich unklar ausgedrückt?

Ciao,
Stefan

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