Re: [ox] WOS2 -- automatisch?
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Sat, 20 Oct 2001 00:00:37 +0200
Hi, Gregor, Bernd und alle!
On Wednesday, 17. October 2001 18:18, Gregor Zeitlinger wrote:
On Wed, 17 Oct 2001, Bernd Binder wrote:
Die Überlegung an dieser Stelle ist immer (ungefähr)
folgende: Der algorithmische Anteil (d.h.
Informationsanteil) an den Waren, die das
Bruttosozialprodukt (Mehrprodukt) bilden, steigt von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt unaufhöhrlich an - im Verglich zum
materiellen Anteil dieser Waren. So, wie heute mehr und mehr
Dienstleistungsarbeit (zumindest in Europa) das
verarbeitende Gewerbe verdrängt, so wird historisch darauf
aufbauend eine weitere Modernisierung "Information"
zunehmend wichtiger. Neben einigen anden Aspekten bedeutet
das, dass Freie Informationsverarbeitung bzw. Weitergabe
potentiell einen höheren Anteil an den
Tätikeiten/Gebrauchtswerten erlangen sollte als
Lohnarbeit/Tauschwerte.
War das zu abstrakt? :-)
Ne, ist völlig plausibel. Aber freie Informationsweitergabe
impliziert nicht automatisch keine Lohnarbeit kein Tauschwert.
Wie kommst du daruaf?
Gar nicht. (Formale Anmerkung: Ich schließe mich Bernd
inhaltlich an und antworte aus meiner Sicht.)
Freie Software als rechtliche Konstruktion, sowie die
technischen Möglichkeiten über das Internet zusammenzuarbeiten,
führen das Ende von Lohnarbeit und Tausch nicht automatisch
herbei. Wohl schaffen sie aber IMHO unaufhaltsam wichtige
Voraussetzungen dazu:
o Die rechtliche Konstruktion "freie Software" ermöglicht, daß
das Rad ständig neu erfunden werden muß und verhindert die
Abhängigkeit von Monopolherstellern geistiger Produkte.
o Freie Software mit Copyleft erzwingt ausserdem, daß
veröffentlichte veränderte Versionen wiederum frei sein
müssen. Exemplare der *besten* Version können somit von jedem
hergestellt werden und unterliegen den Bedingungen des
Marktes. In der materiellen Produktion sind daher
Preisverfall, Qualitätssteigerung und Rationalisierung zu
erwarten, was z.B. zu mehr Freizeit bei gleichbleibendem oder
sich erhöhendem materiellen Wohlstand führen könnte.
o Durch die Kommunikationsmöglichkeiten des Internet wird es
möglich, Gleichgesinnte zu finden und mit ihnen auf geistigem
Gebiet zusammenzuarbeiten, selbst dann, wenn sie am anderen
Ende der Welt sitzen. Auch bei praktischen Vorhaben ist in
Teilbereichen eine Zusammenarbeit im Netz möglich, z.B. in
Form eines Erfahrungsaustauschs.
Diese Vorgänge haben erstmal noch nicht viel mit einer Welt ohne
Lohnarbeit und Tausch zu tun. Im Gegenteil: Sie schaffen den
Tausch nicht ab; vor allem nicht, was die materiellen Exemplare
angeht. Ich könnte mir daher vorstellen, daß du sie, bzw. ihre
Übertragung auf andere Bereiche, für eine sinnvolle Sache
hältst, obwohl du, wie du sagst, das Ende von Lohnarbeit und
Tausch in den nächsten 50--100 Jahren nicht angehen möchtest.
Es gibt aber auch Leute, die das Ende von Lohnarbeit und
Tauschwert gern noch selbst erleben möchten. Auch ich bin von
dieser Idee begeistert. Die oben genannten Entwicklungen kommen
einem solchen System entgegen, d.h. es einzurichten wird IMHO
zunehmend einfacher und vielversprechender werden; es wird sich
aber nicht von selbst einrichten:
o Das neue Wirtschaftssystem könnte, in sofern für die
Produktion nur freie Software zum Einsatz kommt, im alten
entstehen, da weder Lizenzen eingekauft werden müßten, was
dem Ziel des neuen Systems zuwider liefe, noch ein
abgegrenzter geographischer Bereich ohne "geistiges Eigentum"
erkämpft werden müßte.
o Die Erleichterungen bei der täglichen Lohnarbeit, die freie
Software herbeiführt, könnten eine Chance bieten, sich
politisch oder anderweitig selbstentfalterisch zu betätigen.
Durch den zukünftigen hohen Automatisierungsgrad wäre es
übrigens nicht erforderlich, daß jeder an dem neuen System
mitbaut. Ein paar Enthusiasten sollten genügen.
o Durch die neuen Möglichkeiten zu kommunizieren wird es
möglich, selbst zu entscheiden, mit wem und an welchem
Projekt man zusammenarbeiten möchte. Das neue System käme
also ohne hierarchische Machtstrukturen aus.
Man sieht übrigens, daß alle drei Punkte in den sozialistischen
Versuchen nicht erfüllt waren. Daher wäre ein solcher Vergleich
unangemessen.
Tschüß,
Thomas
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