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Re: [ox] WOS2 -- automatisch?



Hi, Gregor, Bernd und alle!

On Wednesday, 17. October 2001 18:18, Gregor Zeitlinger wrote:
On Wed, 17 Oct 2001, Bernd Binder wrote:
Die Überlegung an dieser Stelle ist immer (ungefähr)
folgende: Der algorithmische Anteil (d.h.
Informationsanteil) an den Waren, die das
Bruttosozialprodukt (Mehrprodukt) bilden, steigt von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt unaufhöhrlich an - im Verglich zum
materiellen Anteil dieser Waren. So, wie heute mehr und mehr
Dienstleistungsarbeit (zumindest in Europa) das
verarbeitende Gewerbe verdrängt, so wird historisch darauf
aufbauend eine weitere Modernisierung "Information"
zunehmend wichtiger. Neben einigen anden Aspekten bedeutet
das, dass Freie Informationsverarbeitung bzw. Weitergabe
potentiell einen höheren Anteil an den
Tätikeiten/Gebrauchtswerten erlangen sollte als
Lohnarbeit/Tauschwerte.
War das zu abstrakt? :-)

Ne, ist völlig plausibel. Aber freie Informationsweitergabe
impliziert nicht automatisch keine Lohnarbeit kein Tauschwert.
Wie kommst du daruaf?

Gar nicht. (Formale Anmerkung: Ich schließe mich Bernd 
inhaltlich an und antworte aus meiner Sicht.)

Freie Software als rechtliche Konstruktion, sowie die 
technischen Möglichkeiten über das Internet zusammenzuarbeiten, 
führen das Ende von Lohnarbeit und Tausch nicht automatisch 
herbei. Wohl schaffen sie aber IMHO unaufhaltsam wichtige 
Voraussetzungen dazu: 

 o Die rechtliche Konstruktion "freie Software" ermöglicht, daß
   das Rad ständig neu erfunden werden muß und verhindert die
   Abhängigkeit von Monopolherstellern geistiger Produkte. 

 o Freie Software mit Copyleft erzwingt ausserdem, daß
   veröffentlichte veränderte Versionen wiederum frei sein
   müssen. Exemplare der *besten* Version können somit von jedem
   hergestellt werden und unterliegen den Bedingungen des
   Marktes. In der materiellen Produktion sind daher
   Preisverfall, Qualitätssteigerung und Rationalisierung zu
   erwarten, was z.B. zu mehr Freizeit bei gleichbleibendem oder
   sich erhöhendem materiellen Wohlstand führen könnte.

 o Durch die Kommunikationsmöglichkeiten des Internet wird es
   möglich, Gleichgesinnte zu finden und mit ihnen auf geistigem
   Gebiet zusammenzuarbeiten, selbst dann, wenn sie am anderen
   Ende der Welt sitzen. Auch bei praktischen Vorhaben ist in
   Teilbereichen eine Zusammenarbeit im Netz möglich, z.B. in
   Form eines Erfahrungsaustauschs.

Diese Vorgänge haben erstmal noch nicht viel mit einer Welt ohne 
Lohnarbeit und Tausch zu tun. Im Gegenteil: Sie schaffen den 
Tausch nicht ab; vor allem nicht, was die materiellen Exemplare 
angeht. Ich könnte mir daher vorstellen, daß du sie, bzw. ihre 
Übertragung auf andere Bereiche, für eine sinnvolle Sache 
hältst, obwohl du, wie du sagst, das Ende von Lohnarbeit und 
Tausch in den nächsten 50--100 Jahren nicht angehen möchtest. 

Es gibt aber auch Leute, die das Ende von Lohnarbeit und 
Tauschwert gern noch selbst erleben möchten. Auch ich bin von 
dieser Idee begeistert. Die oben genannten Entwicklungen kommen 
einem solchen System entgegen, d.h. es einzurichten wird IMHO 
zunehmend einfacher und vielversprechender werden; es wird sich 
aber nicht von selbst einrichten:

 o Das neue Wirtschaftssystem könnte, in sofern für die
   Produktion nur freie Software zum Einsatz kommt, im alten
   entstehen, da weder Lizenzen eingekauft werden müßten, was
   dem Ziel des neuen Systems zuwider liefe, noch ein
   abgegrenzter geographischer Bereich ohne "geistiges Eigentum"
   erkämpft werden müßte.

 o Die Erleichterungen bei der täglichen Lohnarbeit, die freie
   Software herbeiführt, könnten eine Chance bieten, sich
   politisch oder anderweitig selbstentfalterisch zu betätigen.
   Durch den zukünftigen hohen Automatisierungsgrad wäre es
   übrigens nicht erforderlich, daß jeder an dem neuen System
   mitbaut. Ein paar Enthusiasten sollten genügen.

 o Durch die neuen Möglichkeiten zu kommunizieren wird es
   möglich, selbst zu entscheiden, mit wem und an welchem
   Projekt man zusammenarbeiten möchte. Das neue System käme
   also ohne hierarchische Machtstrukturen aus.

Man sieht übrigens, daß alle drei Punkte in den sozialistischen 
Versuchen nicht erfüllt waren. Daher wäre ein solcher Vergleich 
unangemessen. 

Tschüß,
Thomas
 }:o{#

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