Re: [ox] 7 Thesen zum "Krieg gegen Amerika"
- From: cr iac-research.ch (Christoph Reuss)
- Date: Sun, 21 Oct 2001 19:13:44 +0200
Hartmut Pilch schrieb heute:
Jedenfalls rassistisch. Was war mit der
hochstehenden arabischen Kultur, als Europa noch im tiefsten Mittelalter
steckte? Schonmal was von arabischen Zahlen gehört (die den römischen
klar überlegen sind... probier mal mit römischen Zahlen zu rechnen...) ?
Die Verhaeltnisse koennen sich ja im Laufe der Geschichte ja umkehren.
Wenn die arabische Kultur dem "tiefen Mittelalter" so weit voraus war,
kann ja heute das umgekehrte gelten.
Was wiederum zeigt, dass "die Verhältnisse" von _anderen_ Faktoren abhängen
(z.B. Umweltfaktoren, Position im Aufkommen/Blüte/Dekadenz-Zyklus einer
Zivilisation, etc.).
Es gibt demnach also so etwas wie
Stufen, deren Hoehe man bei aller methodologischen Vorsicht vergleichen
kann. Der kultureller Relativismus, der grundsaetzlich eine Gleichheit
postuliert, ist eine opportunistische Heuchelei: er ist politisch
opportun aber nicht wahr.
Die monolithische Gleichsetzung von intern sehr inhomogenen Kulturen
ist problematisch, und das skalare Vergleichen vieldimensionaler Kulturen
ist noch problematischer, besonders wenn es an den Kriterien einer Kultur
gemessen wird. Vor allem sollte man bei solchen Vergleichen auch den
Einfluss der angeblich höheren Kultur genau betrachten: Sind es nicht
gerade die westlichen Länder, die an der Zerstörung anderer Kulturen (auch
der arabischen) und der Einsetzung despotischer Regimes und dem Aufbau
von Terroristen-Organisationen dort aktiv beteiligt waren? Darüber
hinwegzusehen (ebenso wie über eigene Genozide und Demokratiedefizite)
und nun die "grossen Zivilisierten" zu spielen, DAS ist Heuchelei.
Betr. Berlusconi sage ich mit dem Guardian: "Mit 'Zivilisierten' wie ihm,
wer braucht da Barbaren ?"
Moeglicherweise besteht die Zivilisiertheit des Guardian nur in groesserer
politischer Korrektheit und somit Heuchelei.
Moeglicherweise heuchelt der Mediendespot und Mussolini-Partei-Koalitions-
partner Berlusconi noch viel mehr, wenn er von Demokratie und Zivilisation
redet.
Am wahrscheinlichsten erscheint mir allerdings zur Zeit, dass all solche
Unterschiede im Rahmen eines neuen global einheitlichen
Wirtschaftskreislaufs verschwinden. Es bleibt dann nur die Frage, auf
welcher Stufe jene globale Zivilisation dann stehen wird --- und
vielleicht noch was im Vergleich dazu die Bewohner des tomistischen
Planeten erreichen werden.
Progressive sollten sich für pluralistische Vielfalt einsetzen -- ohne
religiös/ökonomischen Fundamentalismus auf _beiden_ Seiten! --, nicht für
globale Gleichschaltung unter ein fragwürdiges und (öko-sozial) schädliches
System. "One size fits all" passt einfach nicht. Sag' das ruhig mal bei
Deiner nächsten Sitzung in Brüssel. ;-)
Christoph Reuss
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