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[ox] Fundamentalismen



Progressive sollten sich für pluralistische Vielfalt einsetzen -- ohne
religiös/ökonomischen Fundamentalismus auf _beiden_ Seiten! --, nicht für
globale Gleichschaltung unter ein fragwürdiges und (öko-sozial) schädliches
System.  "One size fits all" passt einfach nicht.  Sag' das ruhig mal bei
Deiner nächsten Sitzung in Brüssel. ;-)

Die EU arbeitet seit dem Maastricht-Vertrag tatsächlich nur noch auf der
Basis der "Harmonisierung des Binnenmarktes", wobei "Harmonisierung" ein
Euphemismus für Gleichschaltung ist.  Auf dieser gedanklich dünnen Basis
kommen dann allerlei extreme Richtlinien von Direktionen wie "Binnenmarkt"
oder "Wettbewerb" heraus, die jeweils nur eine Ideologie im Kopf haben und
zugleich marktfundamentalistisches Wunschdenken einiger einflussreicher
Kreise in juristischen Pfusch umsetzen.  In Berlin und anderen
Hauptstädten hat sich dem gegenüber wiederum eine Ja-Sager-Mentalität
durchgesetzt.  Selbst das BVerfG enthält sich einer Prüfung an Maßstäben
unserer Verfassung und verweist dabei auf die fragwürdige Behauptung, die
EU hätte ein ähnliches verfassungsstaatliches Niveau erreicht.  Wir haben
diesen Gesamtkontext letztes mal in Brüssel durchaus angedeutet und
gewarnt, dass das nicht mehr lange so weiter geht und wir die Mittel
haben, die Softwarepatentrichtlinie zu einem besonderen Fiasko für Brüssel
werden zu lassen.  Viel mehr können wir aufgrund unserer Legitimation
nicht sagen, und es ist auch mehr eine Nebenbemerkung.

Bei aller Kritik an Gleichschaltungs-Bestrebungen muss man natürlich auch
berücksichtigen, dass Verschiedenheit Spannungen verursacht, die sich
nicht durch die Rationalität (oder gar Gutmenschenpose) von ein paar
Intellektuellen wegreden lassen.  Volle Akzeptanz der islamisch-geprägten
Kultur bedeutet Verneinung des Menschenrechtskatalogs als eines
kulturimperialistischen "One-size-fits-all".  Vielleicht gehen dabei dann
auch Prinzipien über Bord, die ein interkulturelles rationales Miteinander
überhaupt ermöglichen könnten.  Zu dem Miteinander gehört also ein
gewisses Maß an Willen zum Durchsetzen eigener Vorstellungen.  Man kann
dann hoffen, dass man sich irgendwo treffen und zu einem stabilen Zustand
finden kann.  Vielleicht gelingt das, vielleicht auch nicht.  In
Israel/Palästina ist es nicht gelungen, und selbst bei viel einfacheren
Spannungslagen wie Nordirland ist es nicht etwa nur deshalb schwierig,
weil an den Spitzen beider Seiten irgendwelche bösen oder dummen Menschen
stehen.  Viele Leute verstehen die objektive Schwierigkeit nicht oder
haben kein Gespür für die Dynamik politischer Organisationen.

Beim Projekt Ökonux habe ich den Eindruck, dass das Organisationsprinzip
hier irgendwie anarchisch verneint oder aufgehoben werden soll.  Solche
Bestreben haben oftmals damit zu tun, dass Leute nicht genug vom Phänomen
der Organisation verstehen und dieses deshalb nur als negativen Gegenpol
ihrer Wunschvorstellungen des emanzipierten Menschen bekämpfen --- wobei
man dann am Verhalten eben dieser Leute wiederum die Allmacht der Gesetze
der gesellschaftlichen Organisation beobachten kann.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/
90000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/





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Organisation: projekt oekonux.de


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