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Re(2): Re(2): [ox] WOS2 -- automatisch?



Also gleich Antwort drauf. Franz Nah. schrieb vorher:

Eine solche Entkoppelungsperspektive, da gebe ich Dir recht,
ist auch (und nur) als Strategie innerhalb der bestehenden
Wirtschaft denkbar. Aber die Strategie heißt dennoch
Entkopplung von Wirtschaft und Leben/Reproduktion/Kultur. Mit
diesem Gegenpol kann die Wirtschaft Geschäfte machen, sie muß
ihn aber (übrigens bei Strafe des Verfalls des Gesamtsystems) 
als eigenständigen respektieren. Das funktioniert derzeit so
einigermaßen bei der OS-Community, aber auch hier nur prekär
und provisorisch. Wie solche Gegenpole anderso aussehen
könnten, darüber müßten wir uns unterhalten.

und Thomas entgegnet


Mist. Ich kann dir nicht folgen :o(

Glaub ich nicht - siehe gleich


Wirtschaft und Freizeit sind IMHO momentan dahingehend 
gekoppelt, daß die Freizeit als Markt für "Freizeitangebote" 
mißbraucht wird, d.h. für Artikel und Dienstleistungen, die die 
Freizeit zumüllen, z.B. Barbie-Puppen, Computerspiele, 
Fernsehen, Pauschalurlaub... Dies zu entkoppeln, wäre IMHO 
sinnvoll.

Also die Wirtschaft macht heute Geschäfte mit Menschen, von denen
sie annimmt, daß sie genug Geld haben um Freizeitangebote
zu konsumieren. Auf der anderen Seite gibt es auch "Do it
yourself", eine ganze Branche deren Ziel darin besteht, 
Eigenarbeit zu unterstützen. Diese Unterstützung und die 
dabei verwendeten Werkzeuge leben aber von relativer 
Ineffizienz, sie sind selbst noch Konsummüll. Das könnten
wir bei Gelegenheit diskutieren.

Der Gag ist daß ja der Pers. Computer ursprünglich als Produktions-
instrument diskutiert wurde, auch im Haushalt, ihm mußten 
auch erst die Zähne gezogen werden als Fun machine.


Eine völlige Entkopplung halte ich jedoch nicht für sinnvoll, 
denn auch selbstentfalterische Tätigkeiten benötigen industriell 
hergestellte Artikel, z.B. Tuschkasten, CD-Rohlinge, Gitarre, 
Computer... Diese Dinge selbst herzustellen, hätte zwar auch 
selbstentfalterisches Potenzial, sie aber selbst herstellen zu 
müssen, wäre bereits eine unnötige Beschränkung der 
Selbstentfaltung.

Das ist ganz meine Meinung. Industrielle Artikel zur 
Selbstentfaltung dürfen aber heute nicht ernsthafte
Konkurrenz zur Wirtschaft sein, d.h. sie dürfen z.B. nicht
zur kollektiven Selbstversorgung taugen. Das ist nicht
vorgesehen. Und das ist der Skandal. Siehe PC.

Rationelle Technologie läge genau in der Mitte zwischen
industriellen Produktionsstraßen und dem Haushalts-
kinderspielzeug der do it yourself Industrie. Sie würde
Arbeit sparen, weil sie Software direkt in Produktion
(z.B. von Kleidung, Möbeln, Fahrzeugen etc) umsetzen würde.
Es wäre eine Art Super - Napsterismus der "Schnittmuster".

Natürlich würde da eine Art Modulsystem Platz greifen, 
allgemeine Muster, die immer wieder spezifiziert werden können
etc. - also das genaue Gegenteil der Produktions-KAsuistik wie
wir sie heute kennen.

Und wir würden die Technologie auch nicht ins Wohnzimmer
stellen, sondern um die Ecke eine Werkstatt sharen.


Zuletzt fällt auf, daß Wirtschaft und Freizeit momentan an 
anderer Stelle gerade nicht gekoppelt sind: Dinge, die außerhalb 
der Lohnarbeit geschehen, haben normalerweise keinen Einfluß auf 
die Wirtschaft. Gerade dies ist bei solcher freien Software, die 
im Internet entsteht, anders. Hierbei werden Teile der 
Wirtschaft gleichsam von einer neuen Wirtschaftsform übernommen, 
die nicht mehr durch Tausch, sondern durch Bedürfnisse gesteuert 
wird. 

Es wäre also klasse, wenn du die Sache mit der Entkopplung 
nochmal genauer erklären könntest.


Genau so soll sie passieren: Indem Leute, die sich ernsthaft
außerhaft der Wirtschaft stellen und mit industriellen
Artikeln Elemente einer tauschfreien Gesellschaft herstellen,
indem sie z.B. durch *diese* lokale Produktion ihre Abhängigkeit
von Konsumgütern und damit ihre Lebenshaltungskosten
i.e.S. drastisch reduzieren. Und die "Global Village
Industrien" mit ihrem Fokus auf Werkzeugen der Selbstversorgung
würden boomen.

Wege zu dieser Entkopplung kann ich mir einige vorstellen. Wie
wir zu den Werkzeugen und Werkstätten kommen, das kann sowohl
über Ressourcentransfer politischer Art als auch über wirtschaftliche
Mechanismen passieren. Jeremy Rifkin z.B. vertritt das 
radikale politische Programm. Fritjof Bergman und andere 
haben wirtschaftliche Vorstellungen, ich tendiere eher zu
letzterem.

Indirekt nehmen die über die Inanspruchnahme von diesem "gesharten"
Modellbestand natürlich an der gesellschaftlichen Produktion
von Software teil - "copyleft für jedes Oscar-Derivat!". Und obwohl
die materiellen Produkte vielleicht primär für den Eigenbedarf
prodziert werden, geht diese "Virtuelle" Genossenschaft nur als
Open Source Community aller Produzenten rationell zu machen,
weil sie ihr Produktionswissen teilen - dies liegt in der Natur
der Sache. Entwirtschaftung, kleine Serien, Kreisläufe.

Wie sich die Keimform dann weiterentwickelt, kann man ja 
erraten. Das Materielle wird irgendwann einfach nicht mehr 
knapp sein, weil Automaten im Überfluß vorhanden sind. Und
dann scheppert's im Kanton.

Natürlich fährt die Wirtschaft gegen all dies, was heute schon
möglich wäre, eine Präventivstrategie. Aber - wer ist schon 
"die Wirtschaft", wenn sich ein lohnendes Geschäft oder eine
politische Opportunität anbietet...?

F



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